09.01.2019 Aufrufe

Wirtschaft und Menschenrechte - Jahrbuch Global Compact Deutschland 2018

Arbeitsbedingungen, moderne Sklaverei, Einhaltung der Menschenrechte, aber auch Automatisierung, Digitalisierung und Künstliche Intelligenz – das sind zentrale Stichworte für die Arbeitswelt von morgen. Wie begegnen Unternehmen diesen Herausforderungen? Wie übernehmen sie Verantwortung für Menschenrechte und Umwelt in einer ökonomisierten und globalisierten Welt? Welchen Beitrag leisten die nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) bei der Umsetzung? Diesen Fragen geht das aktuelle Jahrbuch "Global Compact Deutschland 2018" nach. Die Publikation lässt zentrale Akteure aus Wirtschaft, Politik, Forschung und Zivilgesellschaft zu Wort kommen. Darüber hinaus zeigen 25 deutsche Global Compact-Mitgliedsunternehmen in ihren Good Practice-Beispielen, mit welchen Maßnahmen sie zur Erreichung der SDGs beitragen.

Arbeitsbedingungen, moderne Sklaverei, Einhaltung der Menschenrechte, aber auch Automatisierung, Digitalisierung und Künstliche Intelligenz – das sind zentrale Stichworte für die Arbeitswelt von morgen. Wie begegnen Unternehmen diesen Herausforderungen? Wie übernehmen sie Verantwortung für Menschenrechte und Umwelt in einer ökonomisierten und globalisierten Welt? Welchen Beitrag leisten die nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) bei der Umsetzung?

Diesen Fragen geht das aktuelle Jahrbuch "Global Compact Deutschland 2018" nach. Die Publikation lässt zentrale Akteure aus Wirtschaft, Politik, Forschung und Zivilgesellschaft zu Wort kommen. Darüber hinaus zeigen 25 deutsche Global Compact-Mitgliedsunternehmen in ihren Good Practice-Beispielen, mit welchen Maßnahmen sie zur Erreichung der SDGs beitragen.

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<strong>Wirtschaft</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Menschenrechte</strong><br />

JAHRBUCH <strong>2018</strong>


Herausgegeben<br />

mit fre<strong>und</strong>licher<br />

Unterstützung durch:<br />

GrönwoldtPartner<br />

SUSTAINABLE BUSINESS CONSULTING<br />

Im Folgenden wird aus Gründen der sprachlichen Vereinfachung bei einigen Texten nur die männliche Form<br />

verwendet. Es sind jedoch stets Personen männlichen <strong>und</strong> weiblichen Geschlechts gleichermaßen gemeint.


ZITAT<br />

To put people first was my slogan when I ran<br />

for Prime Minister of Portugal more than two<br />

decades ago, but it was also the slogan of my<br />

opponent, and in these two decades I’ve seen this slogan<br />

everywhere, every time. The problem is that for a number<br />

of people in our societies, they do not feel they’re being<br />

put first but they feel they’re being considered last.<br />

H.E. António Guterres, UN Secretary-General,<br />

Rede auf dem G20-Gipfel in Buenos Aires<br />

(November <strong>2018</strong>)<br />

Indeed, the combination of globalization and technological change that generated enormous wealth<br />

and reduced extreme poverty has also dramatically increased the inequality within our societies and<br />

at the same time, left people, sectors and regions behind, generating the kind of frustrations that<br />

make many people mistrust their political establishment or international organizations like mine.<br />

We need indeed to work together for a fair globalization, and allow me two brief notes: firstly, we<br />

need to be much more effective in reducing inequality in our societies because the trend will be for<br />

inequality to keep on growing. This means a more effective combination, a mix of policies – fiscal<br />

policy, monetary policy, jobs policy, policies in the social safety net – in order to make sure that we<br />

are really able to reduce inequalities against the trend that will push inequality to grow.<br />

Second, we need to be much better prepared for the impact of the Fourth Industrial Revolution led<br />

by artificial intelligence in our societies. The next two decades will see a massive creation of jobs and<br />

massive destruction of jobs, but they will be very different and it will not be obvious how to move<br />

people from one side to another. Some ideas are really clear. We need a much bigger investment in<br />

education and skills, but not education and skills to learn things but to learn how to learn things,<br />

and there is still a lot to be reformed in our educational systems to reach that. On the other hand,<br />

we need to consider a different relation between work, leisure and other occupations. The nature<br />

of work will change, and in some societies you might need a new generation of safety nets. [...]<br />

We need a fair globalization and I think we have a blueprint for that, the Agenda 2030, the<br />

Sustainable Development Goals.<br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

3


INHALT<br />

6<br />

3<br />

Zitat:<br />

H.E. António Guterres, UN Secretary-General<br />

<strong>Wirtschaft</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Menschenrechte</strong><br />

<strong>Wirtschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Menschenrechte</strong><br />

8<br />

Die Achtung der <strong>Menschenrechte</strong> durch Unternehmen –<br />

Verantwortung, Umsetzung <strong>und</strong> Ausblick<br />

Von Philipp Bleckmann<br />

12<br />

Neue rechtliche Entwicklungen im Bereich <strong>Wirtschaft</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Menschenrechte</strong><br />

Von Isabel Daum<br />

17<br />

Ruggie im Realitätscheck:<br />

Wie groß ist die Gefahr einer Klagewelle?<br />

Von Priv.-Doz. Dr. Birgit Spiesshofer M.C.J.<br />

20<br />

Moderne Sklaverei <strong>und</strong> Arbeitsausbeutung – auch für<br />

deutsche Unternehmen ein wichtiges Thema<br />

Von Laura Curtze<br />

23<br />

Publikationen<br />

24<br />

28<br />

<strong>Menschenrechte</strong> im Supermarkt<br />

Von Prof. Dr.-Ing. Evi Hartmann<br />

Unternehmen <strong>und</strong> <strong>Menschenrechte</strong>: Monitoring startet<br />

SDG Tools & News<br />

84<br />

Digitalisierung<br />

Digitalisierung<br />

86<br />

91<br />

Nachhaltige Digitalisierung <strong>und</strong> die Rolle<br />

unternehmerischer Verantwortung<br />

Von Dr. Marian Feist<br />

Künstliche Intelligenz für humanitäre Hilfe<br />

104<br />

New Spaces for Collective Impact, Beyond Buying and<br />

Selling<br />

By Raymond Saner and Lichia Yiu<br />

92<br />

Total Societal Impact – Der überfällige<br />

Paradigmenwechsel<br />

109<br />

„Es bedarf einer gemeinsamen Haltung, wie wir das Maß<br />

der Dinge in Zukunft bestimmen“<br />

Ein Standpunkt von Karl-Heinz Land<br />

Ein Standpunkt von Saori Dubourg<br />

96<br />

Große Veränderungen geben den Blick auf wichtige<br />

Fragen frei<br />

110<br />

Automatisierung, Digitalisierung, Künstliche Intelligenz:<br />

Mensch versus Maschine?<br />

101<br />

Von Dr. Elmer Lenzen<br />

Bedingungsloses Gr<strong>und</strong>einkommen<br />

115<br />

<strong>Deutschland</strong> noch nicht in der algorithmischen Welt<br />

angekommen<br />

102<br />

Deutsche wünschen sich von Unternehmen eine klare<br />

politische Haltung<br />

116<br />

Mit Künstlicher Intelligenz an die Weltspitze – die<br />

Beispiele China <strong>und</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Im Gespräch mit Susanne Marell<br />

Ein Standpunkt von Lars Jaeger


Good Practice<br />

32<br />

ALDI<br />

ALDI geht auf Verpackungsmission: Offensive gegen<br />

Plastikabfälle<br />

58<br />

HOCHBAHN<br />

Nachhaltig die Mobilität in der Smart City Hamburg<br />

gestalten<br />

34<br />

36<br />

38<br />

40<br />

42<br />

44<br />

46<br />

48<br />

BASF<br />

Digitalisierung – Chancen für Nachhaltigkeit<br />

Bayer<br />

Innovation braucht Transparenz <strong>und</strong> Vertrauen<br />

Bosch<br />

Internationales Gesellschaftsengagement<br />

Boxon<br />

Intelligente Verpackungskonzepte für mehr<br />

Nachhaltigkeit<br />

CEWE<br />

CEWE: Wo Qualität auf Verantwortung trifft<br />

Daimler<br />

Mobilität in „Smart Cities“<br />

DAW<br />

DAW: Ausgezeichneter Klimaschutz<br />

Deutsche Telekom<br />

Menschenrechtliche Sorgfaltspflicht bei der Deutschen<br />

Telekom<br />

60<br />

62<br />

64<br />

66<br />

68<br />

70<br />

72<br />

74<br />

iPoint-systems<br />

Wie die Blockchain Menschenrechtsverstößen auf<br />

die Spur kommt<br />

ista<br />

„Verantwortung muss man lernen“<br />

Löning<br />

Unternehmen <strong>und</strong> <strong>Menschenrechte</strong> – Wieviel<br />

Sklavenarbeit steckt in der Tomate?<br />

Lufthansa Group<br />

Die Umwelt fest im Blick<br />

Lyreco <strong>Deutschland</strong><br />

Auszeichnung für umweltfre<strong>und</strong>lichen Bürobedarf<br />

macondo publishing<br />

<strong>Global</strong> Goals Forum 2019<br />

MAN<br />

MAN hilft helfen<br />

Mazars<br />

SDGs: Schöne neue (Unternehmens)Welt?<br />

50<br />

E.ON<br />

Smart trifft Power: Das neue Energiesystem für die Stadt<br />

76<br />

Merck<br />

Bei Merck stimmt die (grüne) Chemie<br />

52<br />

Evonik<br />

Evonik macht Lachse zu Vegetariern<br />

78<br />

Symrise<br />

Kleine Ideen, große Effekte<br />

54<br />

EY<br />

EY übernimmt wichtige Rolle im Austausch zwischen<br />

<strong>Wirtschaft</strong> <strong>und</strong> Politik<br />

80<br />

TÜV Rheinland<br />

Kollegin Roboter: Sichere Interaktion von Mensch<br />

<strong>und</strong> Maschine im Arbeitsalltag<br />

56<br />

Grönwoldt & Partner<br />

Vom Buzzword zum Bizword: Sustainability als Chance.<br />

82<br />

Weidmüller<br />

Das neue Arbeiten in nachhaltigen Gebäuden


AGENDA<br />

6 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


MENSCHENRECHTE<br />

<strong>Wirtschaft</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Menschenrechte</strong><br />

<strong>Menschenrechte</strong> zielen darauf ab, die Würde <strong>und</strong> die Freiheit der Menschen<br />

zu schützen. Sie sind mit dem Anspruch verb<strong>und</strong>en, für alle Menschen<br />

gleichermaßen <strong>und</strong> weltweit zu gelten. Die ersten sechs Prinzipien des<br />

UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> zielen daher auf die Achtung der <strong>Menschenrechte</strong> <strong>und</strong><br />

die Umsetzung von Arbeitsnormen ab. Die Achtung der <strong>Menschenrechte</strong><br />

ist eine wesentliche Voraussetzung für die gesellschaftliche Akzeptanz der<br />

Geschäftstätigkeit <strong>und</strong> für die Begrenzung imagebezogener, betrieblicher,<br />

finanzieller <strong>und</strong> rechtlicher Risiken. Unser Schwerpunktthema beleuchtet<br />

Perspektiven, Konfliktlinien <strong>und</strong> Stolpersteine.<br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

7


AGENDA<br />

Die Achtung der<br />

<strong>Menschenrechte</strong><br />

durch Unternehmen<br />

Verantwortung, Umsetzung <strong>und</strong> Ausblick<br />

Von Philipp Bleckmann, Deutsches <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Netzwerk<br />

Unternehmen haben durch ihr Handeln stets Auswirkungen<br />

auf die <strong>Menschenrechte</strong>. Diese Auswirkungen können sowohl<br />

positiv als auch negativ sein. Zum einen schaffen Unternehmen<br />

Arbeitsplätze <strong>und</strong> tragen durch ihre wirtschaftlichen<br />

Aktivitäten zum Wohlstandsgewinn bei. Andererseits geraten<br />

<strong>Menschenrechte</strong> oftmals auch durch Vorkommnisse in<br />

den Fokus, bei denen das Handeln einzelner Unternehmen<br />

negative Auswirkungen auf die Rechte Dritter hat. Sprich:<br />

<strong>Menschenrechte</strong> werden verletzt. Solche Fälle werden zunehmend<br />

auch durch Medien aufgegriffen, was für wachsende<br />

Aufmerksamkeit in der Bevölkerung sorgt.<br />

Im Juni 2017 veröffentlichten die NGOs Germanwatch <strong>und</strong><br />

Misereor eine Studie zu Menschenrechtsverletzungen deutscher<br />

Unternehmen in der Energiewirtschaft, die auf ein<br />

breites Medienecho stieß. Darin werfen die Autoren den<br />

Unternehmen vor, die <strong>Menschenrechte</strong> nicht ausreichend<br />

zu achten – <strong>und</strong> zwar insbesondere in ihren Lieferketten im<br />

Ausland. Die Vorwürfe, die sich an namhafte Unternehmen<br />

richten, reichen von illegalen Umsiedlungen über massive<br />

negative Ges<strong>und</strong>heitsauswirkungen bis zur Beeinträchtigung<br />

der Rechte indigener Bevölkerungsgruppen.<br />

Im Kontext der Elektromobilität finden sich ähnlich prominente<br />

Anschuldigungen in einer aktuellen Kampagne von Amnesty International.<br />

Deutschen Automobilbauern sowie internationalen<br />

Unternehmen der Elektronikbranche wird darin vorgeworfen,<br />

in ihren Lieferketten nicht die nötige Sorgfalt walten zu lassen.<br />

Vor allem in der Region der Großen Seen im Kongo führe dies<br />

zu massiven negativen Auswirkungen. Recherchen im Jahr <strong>2018</strong><br />

mit dem Fokus auf moderne Sklaverei <strong>und</strong> Ausbeutung bei den<br />

Arbeitsbedingungen im Anbau von Tomaten, Erdbeeren <strong>und</strong><br />

ähnlichen Produkten in Spanien sowie in Italien zeigen, dass<br />

auch hier Menschenrechtsverstöße vorliegen; oftmals gehörten<br />

Geflüchtete <strong>und</strong> illegal Beschäftigte zu den Leidtragenden der<br />

teils bandenmäßig organisierten Vergehen.<br />

8 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


MENSCHENRECHTE<br />

<strong>Global</strong>isierter Handel geht oft einher mit der Konzentration<br />

von Macht in den Händen einiger weniger. In den meisten<br />

Fällen sind das Großkonzerne aus Europa oder den USA. Somit<br />

ist das Vorrecht des Staates als zentraler <strong>und</strong> mächtigster<br />

Akteur in vielen Konstellationen fraglich – vor allem, da<br />

seine Zuständigkeit an Landesgrenzen haltmacht, die Aktivitäten<br />

der Unternehmen hingegen nicht. Zudem erleben wir<br />

durch ein hochkompliziertes Geflecht aus Tochterfirmen, die<br />

juristisch als unabhängige Rechtspersönlichkeiten gefasst<br />

werden <strong>und</strong> nicht für einander haften, eine Situation unklarer<br />

Verantwortung. Dies betrifft sowohl die Schaffung von<br />

Tochterfirmen in Produktionsländern, für die aufgr<strong>und</strong> von<br />

Haftungsbeschränkungen im Binnenleben der Unternehmen<br />

die Muttergesellschaft bei Verstößen nicht haftet, als auch den<br />

Fall komplizierter <strong>und</strong> verzweigter Lieferketten. Der Konzern<br />

lagert den Großteil der Produktionsschritte an Zulieferer aus,<br />

für die er rechtlich keine Verantwortung hat. Kurzum: Staaten<br />

können Unternehmensaktivitäten sehr viel schwieriger<br />

regulieren als früher.<br />

Zeitgleich zu den international verlaufenden Liberalisierungsprozessen<br />

sehen wir sowohl in Entwicklungs- <strong>und</strong><br />

Schwellenländern als auch in den Industrieländern enorme<br />

Privatisierungstendenzen: Aspekte der Gesellschaft, die bislang<br />

unter die staatliche Pflicht zum Schutz, der Förderung <strong>und</strong> der<br />

Gewährleistung von <strong>Menschenrechte</strong>n gefallen sind, werden<br />

nun privatwirtschaftlich organisiert. Die bisher für Staaten<br />

geltenden Regeln reichen in diesen „new private spheres“<br />

zum Schutz der <strong>Menschenrechte</strong> dann oftmals nicht mehr aus.<br />

Zu guter Letzt operieren Unternehmen häufig in Ländern mit<br />

schwacher Staatlichkeit, die aus verschiedenen Gründen den<br />

Schutz der <strong>Menschenrechte</strong> nicht gewährleisten: Korruption,<br />

mangelnde Kapazitäten oder Anreize für die Regierung, mit<br />

möglichst geringen Standards bewusst hohe Direktinvestitionen<br />

anzulocken, seien hier genannt.<br />

Lösungsansätze<br />

Drei Fragen rücken hierbei in den Blickpunkt: Warum kommt<br />

es zu solchen negativen Auswirkungen in den Wertschöpfungsketten?<br />

Wie reagiert die internationale Staatengemeinschaft<br />

auf diese Herausforderung? Und schließlich: Was sind<br />

die konkreten Anforderungen an Unternehmen, um ihre<br />

Geschäftstätigkeiten inklusive Lieferketten fair <strong>und</strong> sozial<br />

nachhaltig zu gestalten?<br />

Ausgangslage<br />

Die Entwicklung der internationalen <strong>Wirtschaft</strong> in den letzten<br />

Jahren ist geprägt von massiven Verschiebungen, auf die hier<br />

unter den Stichworten <strong>Global</strong>isierung, Privatisierung <strong>und</strong><br />

mangelnde Staatlichkeit eingegangen wird. 2016 waren von<br />

den 100 größten „Economies“ nur noch 31 Staaten – aber<br />

69 Unternehmen.<br />

Aus diesen schwierigen Rahmenbedingungen ergeben sich<br />

für den Umgang mit negativen Auswirkungen auf die <strong>Menschenrechte</strong><br />

große Herausforderungen. Dies wird deutlich<br />

beim Versuch, die Frage zu beantworten, wer etwa für die<br />

Geschehnisse bei einem Fabrikeinsturz oder einem Großbrand<br />

die Verantwortung trägt:<br />

• Ist es die Regierung des Landes, die keine effektiven Kontrollen<br />

durchsetzt?<br />

• Ist es der Bauunternehmer, der sich aus Kostengründen<br />

gezwungen sieht, am Rande der legalen Bauschriften zu<br />

agieren?<br />

• Liegt die Verantwortung beim lokalen Fabrikbesitzer, der<br />

kein Interesse an gesteigerter Arbeitssicherheit hat?<br />

• Welcher Teil der Verantwortung ist für den europäischen<br />

Großk<strong>und</strong>en anzusetzen, dessen Einkaufspraxis vor allem<br />

auf den Preis als entscheidendes Kriterium fokussiert?<br />

• Und inwieweit ist am Ende gar der Verbraucher zu nennen,<br />

der trotz aller gesellschaftlicher Bekenntnisse zu mehr<br />

Nachhaltigkeit nicht mehr als ein paar Euro für ein T-Shirt<br />

ausgeben möchte oder kann? >><br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

9


AGENDA<br />

Der aktuell einflussreichste <strong>und</strong> umfangreichste Versuch,<br />

eine Antwort auf diese Fragen zu formulieren, sind die<br />

UN-Leitprinzipien für <strong>Wirtschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Menschenrechte</strong>. Die<br />

2011 vom UN-Menschenrechtsrat einstimmig verabschiedeten<br />

Leitprinzipien wurden im Anschluss von einer Vielzahl weiterer<br />

Initiativen, Rahmenwerke, Staaten <strong>und</strong> Unternehmen<br />

übernommen <strong>und</strong> entfalten dadurch ihre Wirkung, ohne von<br />

sich aus eine rechtliche Verbindlichkeit zu bedingen. John<br />

Ruggie, einer der Autoren der UN-Leitprinzipien, bezeichnet<br />

dies als die „normative Kraft“ der Leitprinzipien.<br />

Drei Säulen bilden den Kern dieser Leitprinzipien<br />

In Säule 1 (Schutz der <strong>Menschenrechte</strong>) wird die bekannte<br />

Pflicht der Staaten zum Schutz der <strong>Menschenrechte</strong> ausgeführt.<br />

Staaten sind die primären Adressaten, die die <strong>Menschenrechte</strong><br />

<strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>freiheiten zu achten, zu schützen <strong>und</strong> zu gewährleisten<br />

haben.<br />

In Säule 2 (Achtung der <strong>Menschenrechte</strong>) wird die Verantwortung<br />

von <strong>Wirtschaft</strong>sunternehmen als spezialisierten Organen<br />

der Gesellschaft zur Achtung der <strong>Menschenrechte</strong> festgelegt.<br />

Sie haben die Verantwortung, in ihrem operativen Handeln<br />

nicht nur geltendem Recht Folge zu leisten, sondern darüber<br />

hinaus die <strong>Menschenrechte</strong> zu achten. Dies gilt insbesondere<br />

dann, wenn der Staat, in dem sie operieren, nicht willens oder<br />

nicht in der Lage ist, seiner Pflicht zum Schutz der <strong>Menschenrechte</strong><br />

nachzukommen. Das Unternehmen muss in diesem<br />

Fall dann trotzdem von sich aus seiner Verantwortung zur<br />

Achtung der <strong>Menschenrechte</strong> nachkommen. Das heißt, dass die<br />

Unternehmen „vermeiden sollen, die <strong>Menschenrechte</strong> Anderer<br />

zu beeinträchtigen <strong>und</strong> dass sie nachteiligen menschenrechtlichen<br />

Auswirkungen, an denen sie beteiligt sind, begegnen<br />

sollen“. Kernaufgabe der Unternehmen ist die Einführung<br />

<strong>und</strong> Umsetzung von Prozessen menschenrechtlicher Sorgfalt,<br />

die im folgenden Kapitel vorgestellt werden.<br />

Abschließend regeln die Leitprinzipien in Säule 3 (Zugang zu<br />

Abhilfe) den Fall, dass es bei der Ausübung der Schutzpflicht<br />

oder der Achtungsverantwortung dennoch zu negativen Auswirkungen<br />

auf die <strong>Menschenrechte</strong> Dritter kommt. In einem<br />

solchen Fall haben sowohl Staaten als auch Unternehmen die<br />

Pflicht <strong>und</strong> die Verantwortung, angemessene <strong>und</strong> wirksame<br />

Abhilfemaßnahmen zu entwickeln.<br />

Anforderungen an Unternehmen<br />

Von besonderem Interesse sind an dieser Stelle die in den<br />

Leitprinzipien formulierten Anforderungen an Unternehmen,<br />

der Achtung der <strong>Menschenrechte</strong> nachzukommen. Die Leitprinzipen<br />

operationalisieren diese Verantwortung: Sie fordern<br />

in Leitprinzip 15 die Umsetzung von Prozessen menschenrechtlicher<br />

Sorgfalt, um „die Auswirkungen auf die <strong>Menschenrechte</strong><br />

zu ermitteln, zu verhüten <strong>und</strong> zu mildern sowie Rechenschaft<br />

darüber abzulegen, wie sie diesen begegnen“.<br />

Zur Achtung der <strong>Menschenrechte</strong> zusätzlich erforderlich<br />

ist darüber hinaus die Entwicklung einer Gr<strong>und</strong>satzerklärung<br />

sowie die Einrichtung von Maßnahmen zur Wiedergutmachung.<br />

Streng genommen sind diese beiden Elemente somit<br />

dem eigentlichen Due Diligence Prozess vor- <strong>und</strong> nachgeschaltet<br />

<strong>und</strong> werden auch in den anschließenden vertiefenden<br />

Erläuterungen (ab Leitprinzip 16) so vorgestellt. In der Praxis<br />

werden sie meist als integraler Bestandteil des Prozesses verstanden<br />

<strong>und</strong> nicht getrennt von den übrigen Maßnahmen<br />

von Due Diligence behandelt. Dieses Verständnis findet sich<br />

beispielsweise auch im Nationalen Aktionsplan <strong>Wirtschaft</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Menschenrechte</strong> der B<strong>und</strong>esregierung wieder.<br />

Die überwiegend als Teil unternehmerischer Sorgfaltspflicht<br />

verstandenen Elemente sind somit:<br />

• Entwicklung einer Gr<strong>und</strong>satzerklärung zur Achtung der<br />

<strong>Menschenrechte</strong><br />

• Ermittlung der tatsächlichen <strong>und</strong> potenziellen Auswirkungen<br />

auf die <strong>Menschenrechte</strong><br />

• Maßnahmen zur Abwendung potenziell negativer Auswirkungen<br />

<strong>und</strong> Wirksamkeitskontrolle<br />

• Berichterstattung<br />

• Wiedergutmachung<br />

Besondere Bedeutung kommt in den Leitprinzipien dem Begriff<br />

„menschenrechtliche Risiken“ zu. Dieser geht mit einem<br />

Perspektivwechsel einher: Explizit fordern die Leitprinzipien,<br />

dass „Risiken“ als das Risiko für die Rechte Dritter (sprich<br />

negativ betroffener Gruppen) zu verstehen <strong>und</strong> entsprechend<br />

in den Fokus zu nehmen sind. Eine Ermittlung der Risiken,<br />

die für das Unternehmen selbst bestehen (etwa Reputation),<br />

ist nicht ausreichend <strong>und</strong> entspricht nicht den Anforderungen<br />

der Leitprinzipien, auch wenn sich die Risiken für betroffene<br />

Dritte <strong>und</strong> die Risiken für das Unternehmen oft ähneln.<br />

Ein maßgebliches Umdenken aufseiten der Unternehmen<br />

erfordert die Umsetzung von Sorgfaltspflichten darüber hinaus<br />

im Umgang mit <strong>und</strong> der Konsultation von Stakeholdern.<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich ist die Einbeziehung Dritter in allen Elementen<br />

der Sorgfaltspflicht angeraten. Ein Unternehmen wird alleine<br />

niemals genug über seine potenziellen <strong>und</strong> tatsächlichen<br />

Auswirkungen wissen <strong>und</strong> ist stets darauf angewiesen, die<br />

Perspektive von Dritten einzuholen. Damit sind im Sinne<br />

der Leitprinzipien aber nicht primär die Personengruppen<br />

gemeint, die üblicherweise unter dem Begriff „Stakeholder“<br />

firmieren: Shareholder, Unternehmenspartner oder politische<br />

Akteure. Vielmehr sind Stakeholder im Sinne der Leitprinzipien<br />

die Gruppen oder Personen, die potenziell von negativen<br />

Auswirkungen betroffen sein können. Darunter fallen<br />

üblicherweise Arbeitnehmer <strong>und</strong> betroffene Personen im<br />

Umfeld, insbesondere indigene Völker, Frauen, nationale,<br />

ethnische, religiöse oder sprachliche Minderheiten sowie<br />

Kinder, Menschen mit Behinderungen <strong>und</strong> Wanderarbeiter.<br />

Die Anliegen dieser Gruppen sind von den Unternehmen<br />

einzuholen, wobei „sprachliche <strong>und</strong> anderweitige denkbare<br />

10 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


MENSCHENRECHTE<br />

Hindernisse für einen effektiven Austausch berücksichtigt“<br />

werden müssen.<br />

Inhaltlicher Referenzrahmen der Durchführung menschenrechtlicher<br />

Sorgfalt sind laut Leitprinzip 12 „alle international<br />

anerkannten <strong>Menschenrechte</strong>“. Konkret bedeutet dies<br />

„mindestens die <strong>Menschenrechte</strong>, die in der Internationalen<br />

Menschenrechtscharta ausgedrückt sind sowie die in der<br />

Erklärung der Internationalen Arbeitsorganisation über die<br />

gr<strong>und</strong>legenden Prinzipien <strong>und</strong> Rechte bei der Arbeit genannten<br />

zu verstehen sind“.<br />

Der Nationale Aktionsplan<br />

Die EU sowie der UN-Menschenrechtsrat haben die Staatengemeinschaft<br />

ab 2012 aufgefordert, die Anforderungen<br />

der UN-Leitprinzipien in Nationalen Aktionsplänen für die<br />

jeweiligen Länder zu konkretisieren. Im 2016 verabschiedeten<br />

„Deutschen Nationalen Aktionsplan“ (kurz: NAP) äußert die<br />

B<strong>und</strong>esregierung die Erwartung, dass alle Unternehmen die<br />

<strong>Menschenrechte</strong> achten. Diese Erwartung gilt gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

unabhängig von der Größe des Unternehmens, auch wenn<br />

die konkrete Ausgestaltung der Achtungsverantwortung in<br />

der Praxis von der Art <strong>und</strong> Größe des Unternehmens, seiner<br />

Position in internationalen Lieferketten <strong>und</strong> weiteren Faktoren<br />

abhängig ist. Der Achtung der <strong>Menschenrechte</strong> kommen Unternehmen<br />

laut Nationalem Aktionsplan nach, indem sie Prozesse<br />

menschenrechtlicher Sorgfalt einführen <strong>und</strong> umsetzen. Diese<br />

aus den UN-Leitprinzipien bekannten Prozesse formulierte die<br />

B<strong>und</strong>esregierung im Nationalen Aktionsplan aus <strong>und</strong> nimmt<br />

dazu auch ausdrücklich Bezug zu den UN-Leitprinzipien.<br />

Unternehmen sind aufgefordert, die bereits oben genannten<br />

Elemente menschenrechtlicher Sorgfalt umzusetzen. Für<br />

Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern formuliert die<br />

B<strong>und</strong>esregierung außerdem eine Zielvorgabe: Bis 2020 sollen 50<br />

Prozent all dieser Unternehmen diese Elemente in ihre Unternehmensprozesse<br />

integriert haben. Sollte diese Zielmarke<br />

nicht erreicht werden, so wird die B<strong>und</strong>esregierung „weitergehende<br />

Maßnahmen, bis hin zu Verbindlichkeit“ prüfen.<br />

Im Koalitionsvertrag vom 14. März <strong>2018</strong> gehen CDU/CSU <strong>und</strong><br />

SPD sogar noch weiter: „Wir setzen uns für eine konsequente<br />

Umsetzung des Nationalen Aktionsplans <strong>Wirtschaft</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Menschenrechte</strong> (NAP) ein, einschließlich des öffentlichen<br />

Beschaffungswesens. Falls die wirksame <strong>und</strong> umfassende<br />

Überprüfung des NAP 2020 zu dem Ergebnis kommt, dass<br />

die freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen nicht<br />

ausreicht, werden wir national gesetzlich tätig <strong>und</strong> uns für<br />

eine EU-weite Regelung einsetzen.“<br />

Fazit<br />

Viele Unternehmen haben sich zur Umsetzung der UN-Leitprinzipien<br />

bekannt <strong>und</strong> gehen die Herausforderungen der<br />

menschenrechtlichen Sorgfalt proaktiv an. Dafür finden Unternehmen<br />

in <strong>Deutschland</strong> mehrere Unterstützungsangebote.<br />

Als Eingangstor fungiert etwa der NAP Helpdesk der Agentur<br />

für <strong>Wirtschaft</strong> <strong>und</strong> Entwicklung, der konkrete Fragen zum<br />

Nationalen Aktionsplan beantwortet. Das Deutsche <strong>Global</strong><br />

<strong>Compact</strong> Netzwerk bietet mit seiner Plattform MR-Sorgfalt.de<br />

eine Anlaufstelle für Anfänger <strong>und</strong> Fortgeschrittene sowie<br />

mit dem „Fit für den NAP“-Qualifizierungsprogramm auch<br />

eine Hilfestellung bei der schrittweisen Umsetzung der Sorgfaltsprozesse.<br />

Oftmals stellt sich jedoch auch bei den engagierten Unternehmen<br />

die Frage nach der internationalen Kohärenz der Ansätze:<br />

Wenn sich die oben beschriebenen Herausforderungen vor<br />

allem auch aus der <strong>Global</strong>isierung <strong>und</strong> grenzüberschreitendem<br />

Handel ergeben, sollten dann nicht auch die Lösungen international<br />

sein? Mit den UN-Leitprinzipien ist dazu ein erster<br />

Schritt getan, doch wäre ein koordiniertes Vorgehen auf EU-<br />

Ebene (zum Beispiel ein europäischer Aktionsplan <strong>Wirtschaft</strong><br />

& <strong>Menschenrechte</strong>) oder gar eine Verlagerung auf UN-Ebene<br />

(siehe die Diskussion zum UN-Treaty) zur Erreichung eines<br />

„Level Playing Field“ ein sicherlich denkbarer nächster Schritt.<br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

11


AGENDA<br />

Neue rechtliche<br />

Entwicklungen<br />

im Bereich<br />

<strong>Wirtschaft</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Menschenrechte</strong><br />

Von Isabel Daum<br />

Infolge globaler <strong>Wirtschaft</strong>sverflechtungen entziehen sich<br />

unternehmerische Aktivitäten oftmals dem Zugriff nationaler<br />

Regelungen, insbesondere entlang transnationaler<br />

Wertschöpfungsketten <strong>und</strong> Produktionsprozessen. Unternehmensaktivitäten<br />

können jedoch neben positiven – wie<br />

im vorherigen Artikel beispielhaft dargestellt – durchaus<br />

negative Auswirkungen auf <strong>Menschenrechte</strong> haben. So wird<br />

regelmäßig über Arbeitsrechtsverletzungen in Textil- oder<br />

Nahrungsmittel-Lieferketten, Zwangsumsiedlungen infolge<br />

von Staudammprojekten oder Umweltverschmutzungen durch<br />

Aktivitäten der mineralgewinnenden Industrien oder der Textilindustrie<br />

berichtet, die zu Ges<strong>und</strong>heitsschädigungen <strong>und</strong><br />

Verlust der Existenzgr<strong>und</strong>lage der lokalen Bevölkerung führen.<br />

Aufgr<strong>und</strong> rechtlicher Hürden gelingt den Opfern derartiger<br />

Menschenrechtsverletzungen jedoch nur in Ausnahmefällen<br />

der Zugang zu entsprechenden Rechtsmitteln <strong>und</strong> Wiedergutmachungsmechanismen.<br />

Neben der Frage nach der Haftung des<br />

Mutterkonzerns für ausländische Tochtergesellschaften oder<br />

des internationalen Einkäufers für dessen Zulieferer sind dabei<br />

insbesondere prozessuale Voraussetzungen für den Zugang zu<br />

Rechtsschutz <strong>und</strong> Abhilfe der Betroffenen im Herkunftsstaat<br />

des Unternehmens problematisch, wie die Zuständigkeit der<br />

Gerichte, Prozesskostenhilfe, Anwendung des ausländischen<br />

Rechts sowie die Beweisbeschaffung.<br />

1. Internationale Ebene<br />

Vereinte Nationen<br />

Seit den 1970-er Jahren gibt es daher auf UN-Ebene immer<br />

wieder Versuche, Menschenrechtsregeln für transnational<br />

agierende Unternehmen zu formulieren. Bisher haben diese<br />

Prozesse lediglich rechtlich unverbindliche Standards<br />

zur freiwilligen Selbstverpflichtung von Unternehmen hervorgebracht.<br />

Auch die in diesem Band bereits erwähnten<br />

UN-Leitprinzipien für <strong>Wirtschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Menschenrechte</strong> sind –<br />

wenn auch inzwischen akzeptierter Standard zur Betrachtung<br />

unternehmerischer Achtungsverantwortung – als Resolution<br />

des UN-Menschenrechtsrats nicht rechtsverbindlich <strong>und</strong> sehen<br />

ferner keine Sanktionen bei Verstößen menschenrechtlicher<br />

Sorgfaltspflichten vor.<br />

Nach jahrzehntelangen Forderungen diverser Staaten des<br />

globalen Südens sowie zivilgesellschaftlicher Verbände, diese<br />

Regelungslücke zu schließen, gibt es seit 2014 erstmals einen<br />

zwischenstaatlichen Prozess zur Ausarbeitung eines völkerrechtlichen<br />

Abkommens zu <strong>Wirtschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Menschenrechte</strong>n<br />

(„Binding Treaty“). Im Juni 2014 hat der UN-Menschenrechtsrat<br />

die von Ecuador <strong>und</strong> Südafrika initiierte Resolution 26/9<br />

12 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


MENSCHENRECHTE<br />

angenommen, die eine zwischenstaatliche<br />

Arbeitsgruppe mit dem Mandat der<br />

Ausarbeitung eines solchen Instruments<br />

einsetzte. Bisher haben drei Verhandlungsr<strong>und</strong>en<br />

der Arbeitsgruppe stattgef<strong>und</strong>en.<br />

Basierend auf den ersten beiden<br />

Sitzungen in 2015 <strong>und</strong> 2016 legte der<br />

ecuadorianische Vorsitz der Arbeitsgruppe<br />

ein Papier mit möglichen Elementen<br />

für den Entwurf eines internationalen<br />

rechtsverbindlichen Instruments („Elements“)<br />

als Diskussionsgr<strong>und</strong>lage für<br />

die dritte Sitzung im Oktober 2017 vor.<br />

Die Anzahl der teilnehmenden UN-Mitgliedstaaten<br />

hat sich bei der dritten Sitzung<br />

nochmals wesentlich erhöht. Nach<br />

Abschluss der dritten Sitzung einigten<br />

sich die Mitglieder darauf, den Prozess<br />

zu einem verbindlichen Abkommen<br />

fortzuführen. Damit trat der Prozess<br />

<strong>2018</strong> in eine entscheidende Verhandlungsphase.<br />

Im Juli <strong>2018</strong> legte Ecuador<br />

schließlich einen ersten Vertragsentwurf<br />

(„Zero Draft“) vor, der Gegenstand der<br />

Diskussionen der vierten Arbeitstagung<br />

vom 15. bis 19. Oktober <strong>2018</strong> in Genf<br />

war. Schwerpunkte des Entwurfs sind<br />

eindeutig die Regelungen zum Zugang zu<br />

Abhilfe für Betroffene <strong>und</strong> die justizielle<br />

Zusammenarbeit bzw. internationale<br />

Kooperation zukünftiger Vertragsstaaten.<br />

Der erste Vertragsentwurf eines UN-Abkommens<br />

zu <strong>Wirtschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Menschenrechte</strong>n<br />

enthält – anders als das vorherige<br />

Elemente-Dokument – keine direkten<br />

Verpflichtungen für Unternehmen mehr.<br />

Er verpflichtet hingegen die Vertragsstaaten,<br />

gewisse Aspekte der menschenrechtlichen<br />

Sorgfaltspflicht für Unternehmen<br />

auch hinsichtlich deren Auslandsgeschäfte<br />

im nationalen Recht festzuschreiben.<br />

Die darin genannten Elemente gleichen<br />

größtenteils den Anforderungen aus<br />

den UN-Leitprinzipien, wenngleich sie<br />

sich bisher nicht vollständig mit diesen<br />

decken <strong>und</strong> insbesondere das Erfordernis<br />

der Etablierung unternehmensinterner<br />

Beschwerdemechanismen fehlt.<br />

Auf die im Elemente-Dokument vorgeschlagene<br />

Vorrangklausel der internationalen<br />

Menschenrechtsverträge vor<br />

Handels- <strong>und</strong> Investitionsabkommen<br />

wurde ebenfalls verzichtet. Stattdessen<br />

enthält der Entwurf Vorschriften dazu,<br />

dass Bestimmungen in zukünftigen<br />

Investitions- <strong>und</strong> Handelsabkommen<br />

dem UN-Abkommen zu <strong>Wirtschaft</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Menschenrechte</strong>n nicht widersprechen<br />

dürfen <strong>und</strong> bisherige Investitionsabkommen<br />

so ausgelegt werden sollen, dass<br />

sie die Pflichten aus dem Abkommen<br />

möglichst wenig einschränken.<br />

Auch von dem im Elemente-Papier noch<br />

enthaltenen, überaus umstrittenen Vorschlag<br />

der Schaffung eines internationalen<br />

Menschenrechtsgerichtshofes ist<br />

keine Rede mehr.<br />

Ein problematischer Aspekt bleibt<br />

jedoch auch weiterhin die Beschränkung<br />

des persönlichen Anwendungsbereichs<br />

auf transnationale Unternehmen. Auch<br />

wenn besonders in diesem Bereich eine<br />

Regelungslücke zu konstatieren ist, wirft<br />

der Ausschluss rein national tätiger<br />

Unternehmen rechtliche Probleme auf,<br />

insbesondere da lokale Unternehmen<br />

<strong>Menschenrechte</strong> in gleichem Maße verletzen<br />

können <strong>und</strong> es in diesen Fällen<br />

somit zu einer Schlechterstellung von<br />

Betroffenen kommen kann. Daher fordern<br />

sowohl NGOs als auch Unternehmen<br />

eine Anwendung der materiellen<br />

Vorschriften sowohl auf transnationale<br />

als auch national tätige Unternehmen.<br />

Insgesamt zeigt sich, dass der Prozess<br />

erfolgversprechender als bisherige Versuche<br />

auf UN-Ebene ist, jedoch hängt die<br />

Wirksamkeit eines zukünftigen Vertrages<br />

auch von einer breiten Ratifikation ab.<br />

Europäische Union<br />

Das Europäische Parlament hat sich deutlich<br />

für ein verbindliches UN-Abkommen<br />

zu <strong>Wirtschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Menschenrechte</strong>n<br />

ausgesprochen <strong>und</strong> seit Beginn des Prozesses<br />

wiederholt in Entschließungen<br />

die Kommission <strong>und</strong> die Mitgliedstaaten<br />

aufgefordert, sich konstruktiv an den<br />

Verhandlungen zu beteiligen. Auch im<br />

deutschen B<strong>und</strong>estag war der UN-Treaty-<br />

Prozess in den letzten Jahren wiederholt<br />

Thema von Anträgen verschiedener<br />

Fraktionen.<br />

Zudem hat die Europäische Union im<br />

Mai 2017 eine Verordnung verabschiedet,<br />

die Sorgfaltspflichten in der Lieferkette<br />

für Importeure bestimmter Minerale<br />

<strong>und</strong> Erze (Zinn, Tantal, Wolfram >><br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

13


AGENDA<br />

Frankreich<br />

In Frankreich wurde im Februar 2017 das „Loi relative<br />

au devoir de vigilance des sociétés mères et des entreprises“<br />

verabschiedet, welches erstmals menschenrechtliche<br />

Sorgfaltspflichten für große Unternehmen<br />

umfassend in nationales Recht umsetzt. Erfasst werden<br />

von den neuen Vorschriften im französischen Handelsgesetzbuch<br />

Unternehmen mit Sitz in Frankreich <strong>und</strong><br />

mindestens 5.000 Mitarbeitern bzw. Mitarbeiterinnen<br />

(auch direkter <strong>und</strong> indirekter Tochtergesellschaften in<br />

Frankreich) sowie Unternehmen mit Sitz im Ausland,<br />

die in Frankreich aktiv sind <strong>und</strong> 10.000 Angestellte<br />

haben. In einem „Sorgfaltspflichtenplan“ (plan de<br />

vigilance) müssen Unternehmen ökologische <strong>und</strong> menschenrechtliche<br />

Risiken – einschließlich der Risiken<br />

der von ihnen kontrollierten Tochtergesellschaften<br />

sowie Subunternehmen bzw. Zulieferer – adressieren.<br />

Dieser Sorgfaltsplan muss neben einer Risikoanalyse,<br />

einem Verfahren der regelmäßigen Überprüfung, angemessenen<br />

Gegenmaßnahmen zur Vermeidung <strong>und</strong><br />

Milderung von Menschenrechtsverletzungen sowie<br />

einem Warnsystem zur Aufnahme von Beschwerden<br />

auch ein Verfahren zur Überprüfung getroffener Maßnahmen<br />

beinhalten.<br />

Niederlande<br />

Auch die Niederlande stehen kurz vor der Einführung<br />

eines Gesetzes zur Sorgfaltspflicht von Unternehmen in<br />

Bezug auf Kinderarbeit. Demnach sollen Unternehmen<br />

Maßnahmen ergreifen, um Kinderarbeit in ihren Produktionsketten<br />

zu erkennen <strong>und</strong> zu verhindern, <strong>und</strong> müssen<br />

zudem über diese Maßnahmen berichten. Das Gesetz<br />

sieht auch einen Sanktionsmechanismus vor. Im Februar<br />

2017 hat das Parlament das Gesetz angenommen, 2020<br />

tritt es in Kraft.<br />

Italien<br />

Italien kündigte in seinem 2016 verabschiedeten Nationalen<br />

Aktionsplan an, eine legislative Reform zur Einführung<br />

einer Sorgfaltspflicht zu prüfen <strong>und</strong> ein bestehendes<br />

Gesetz (Legislative Decree N. 231/2001), welches 2001<br />

erstmals die direkte strafrechtliche Verantwortlichkeit<br />

von Unternehmen für bestimmte Menschenrechtsverletzungen<br />

im italienischen Recht etablierte, gegebenenfalls<br />

entsprechend zu erweitern.<br />

Schweiz<br />

Auch in der Schweiz zeichnet sich aufgr<strong>und</strong> der 2016<br />

eingereichten „Konzernverantwortungsinitiative“ eine<br />

ähnliche Entwicklung ab. Die Initiative will ebenfalls<br />

eine Sorgfaltsprüfungspflicht im nationalen Recht<br />

einführen. Als Anwendungsbereich sieht sie jedoch nur<br />

Unternehmen mit Sitz in der Schweiz vor. Der B<strong>und</strong>esrat<br />

hat dem Parlament 2017 die Ablehnung der Initiative<br />

ohne Gegenvorschlag empfohlen. Die ständerätliche<br />

Kommission für Rechtsfragen hat sich jedoch für einen<br />

indirekten Gegenvorschlag ausgesprochen. Im Mai <strong>2018</strong><br />

legte die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates<br />

schließlich einen indirekten Gegenentwurf im Rahmen<br />

der Aktienrechtsrevision vor. Dieser wurde im Juni<br />

<strong>2018</strong> vom Nationalrat angenommen <strong>und</strong> wird nun im<br />

Ständerat beraten. Da er einen Kompromiss darstellt,<br />

fallen im aktuellen Gegenvorschlag nur noch Konzerne<br />

unter die Regelung, welche zwei der folgenden drei<br />

Kriterien erfüllen: 1.) Bilanzsumme von 40 Millionen<br />

Franken; 2.) Umsatzerlös von 80 Millionen Franken;<br />

3.) 500 Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt. Auch<br />

hinsichtlich der Haftung enthält der Gegenvorschlag im<br />

Vergleich zur Initiative Einschränkungen. So greift die<br />

Regelung im Gegenvorschlag nur bei Schäden an Leib,<br />

Leben oder Eigentum <strong>und</strong> auch nur bei Verfehlungen<br />

von Tochtergesellschaften, nicht jedoch bei Verfehlungen<br />

von Lieferanten. Würde die Revision ohne Referendum<br />

in Kraft treten, könnte die neue Regelung bereits 2020<br />

angewendet werden.<br />

<strong>Deutschland</strong><br />

Während im europäischen Ausland neue Gesetze zur<br />

menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht von Unternehmen<br />

erlassen werden, steht in <strong>Deutschland</strong> bisher keine<br />

entsprechende Initiative des Gesetzgebers an. Diese<br />

Möglichkeit wird jedoch – wie bereits im vorherigen<br />

Artikel erwähnt – explizit im Nationalen Aktionsplan<br />

<strong>Wirtschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Menschenrechte</strong> der B<strong>und</strong>esregierung<br />

für den Fall unzureichender Ergebnisse des Monitoringverfahrens<br />

<strong>2018</strong>-2020 zur Umsetzung der menschenrechtlichen<br />

Sorgfaltspflicht durch mindestens<br />

50 Prozent der deutschen Unternehmen mit über 500<br />

Beschäftigten erwogen.<br />

14 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


MENSCHENRECHTE<br />

1977 • USA Foreign Corrupt Practice Act (FCPA)<br />

1998 • USA FCPA überarbeitet<br />

2006 • UK Companies Act<br />

2010 • USA Dodd-Frank Act; UK Bribery Act<br />

2011 • UN-Leitprinzipien werden verabschiedet<br />

2012 • Kalifornisches Gesetz zu Transparenz in<br />

Lieferketten<br />

• 2013 Nationaler Aktionsplan (NAP)<br />

Vereinigtes Königreich der Niederlande<br />

• UK Companies Act wird erweitert<br />

2014 • NAP Finnland, Dänemark, Spanien<br />

• Indien: CSR Gesetz<br />

• EU: CSR-Richtlinie<br />

• ILO-Übereinkommen gegen Zwangsarbeit<br />

2015 • Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs)<br />

• NAP Litauen, Schweden, Norwegen,<br />

Kolumbien<br />

• EU Konfliktmineralien Regulierung<br />

• UK Modern Slavery Act<br />

2016 • NAP Schweiz, Italien, USA, <strong>Deutschland</strong>,<br />

Frankreich<br />

2017 • Frankreich: Gesetz über unternehmerische<br />

Sorgfaltspflicht<br />

<strong>und</strong> Gold) aus Konflikt- <strong>und</strong> Hochrisikogebieten<br />

einführt. Sie ist bereits in Kraft<br />

getreten, entfaltet aber erst nach einer<br />

Übergangszeit ab dem 1. Januar 2021<br />

für alle EU-Importeure der genannten<br />

Mineralien Geltung.<br />

2. Nationale Ebene<br />

Gesetzgebung<br />

Auch auf nationaler Ebene kommt es<br />

vermehrt zur gesetzlichen Verankerung<br />

menschenrechtlicher Unternehmensverantwortung.<br />

Dies geschieht oftmals<br />

als Umsetzung der Anforderungen aus<br />

den UN-Leitprinzipien in Form von<br />

Nationalen Aktionsplänen. Diese erfolgt<br />

jedoch auf nationaler Ebene sehr unterschiedlich.<br />

21 Staaten haben bereits<br />

einen Nationalen Aktionsplan <strong>Wirtschaft</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Menschenrechte</strong> veröffentlicht,<br />

weitere 11 Staaten entwickeln diesen<br />

aktuell noch. Auch um eine Konfrontation<br />

mit verschiedenartig nationalen<br />

Anforderungen zu vermeiden, wäre das<br />

internationale Abkommen, welches<br />

Staaten verpflichtet, unternehmerische<br />

Sorgfaltspflichten auch hinsichtlich von<br />

Auslandsgeschäften im nationalen Recht<br />

verbindlich zu regeln, <strong>und</strong> konkrete<br />

Vorgaben dazu macht, für Unternehmen<br />

vorteilhaft.<br />

Neben der inzwischen vielen bereits<br />

bekannten Section 1502 des USA Dodd-<br />

Frank Act zu Konfliktminieralien von<br />

2010, die eine Sorgfaltsprüfung <strong>und</strong><br />

Berichtspflicht vorschreibt, dem California<br />

Transparency in Supply Chains<br />

Act zur Bekämpfung von Sklaverei <strong>und</strong><br />

Menschenhandel in der Lieferkette von<br />

2012 sowie dem UK Modern Slavery Act<br />

von 2015, der eine Berichtspflicht ohne<br />

explizite Sorgfaltsprüfung enthält, gab es<br />

in diesem Bereich in den letzten Jahren<br />

zahlreiche weitere Entwicklungen auf<br />

nationaler Ebene, auf die im Folgenden<br />

detaillierter eingegangen werden soll.<br />

• Bevorstehende Ereignisse: Konzernverantwortungsinitiative<br />

(CH), Sorgfaltspflicht<br />

gegen Kinderarbeit (NL)<br />

Rechtsprechung<br />

Beachtenswert sind darüber hinaus<br />

relevante gerichtliche Entscheidungen<br />

auf nationaler Ebene, die ebenfalls zur<br />

Konkretisierung der menschen-<br />

• NAP: Australien, Argentinien, Belgien,<br />

Mexiko, Myanmar ... >><br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

15


AGENDA<br />

rechtlichen Verantwortung von Unternehmen<br />

beitragen. Während Verfahren<br />

gegen international tätige Unternehmen<br />

wegen Menschenrechtsverletzungen<br />

im Ausland, insbesondere im angelsächsischen<br />

Rechtsraum <strong>und</strong> vor allem<br />

den USA, zum festen Bestandteil der<br />

juristischen Aufarbeitung geworden sind,<br />

stehen Auseinandersetzungen über den<br />

Beitrag des Zivil- <strong>und</strong> Strafrechts zur<br />

Verhinderung <strong>und</strong> Aufarbeitung derartiger<br />

Menschenrechtsverletzungen<br />

in <strong>Deutschland</strong> noch am Anfang. In<br />

Juristische<br />

Streitpunkte<br />

Eine der umstrittensten Fragen<br />

war bisher, ob <strong>Wirtschaft</strong>sunternehmen<br />

selbst an <strong>Menschenrechte</strong><br />

geb<strong>und</strong>en sind <strong>und</strong> daher diese<br />

durch Tun oder Unterlassen verletzen<br />

können. Umstritten ist dies,<br />

da das Völkerrecht traditionell nur<br />

Menschenrechtsverpflichtungen<br />

für Staaten als Völkerrechtssubjekte<br />

begründet. Ein Rechtssubjekt<br />

wird als Träger von Rechten <strong>und</strong><br />

Pflichten definiert. Zwar werden<br />

international tätigen Unternehmen<br />

unter multi- <strong>und</strong> bilateralen<br />

Investitions- <strong>und</strong> Handelsabkommen<br />

weitreichende <strong>und</strong> einklagbare<br />

Rechte u.a. zur Inländerbehandlung,<br />

Meistbegünstigung, Entschädigung<br />

bei Enteignung eingeräumt, jedoch<br />

werden in diesen Abkommen bisher<br />

keine verbindlichen Forderungen zur<br />

Beachtung menschenrechtlicher<br />

Sorgfaltspflichten formuliert. Auch<br />

sonst kennt das Völkerrecht – außer<br />

vereinzelt im Bereich der zivilrechtlichen<br />

Haftung für Umweltschäden<br />

<strong>und</strong> der strafrechtlichen Verantwortlichkeit<br />

für einzelne wirtschaftsbezogene<br />

transnationale Tatbestände<br />

wie Korruption oder Drogenhandel<br />

– kaum Pflichten für Unternehmen.<br />

Und selbst diese Verträge<br />

richten sich an Staaten <strong>und</strong> schaffen<br />

somit lediglich indirekt völkerrechtliche<br />

Pflichten für Unternehmen.<br />

der Praxis bestehen dafür wie eingangs<br />

erwähnt zahlreiche Hürden. Zwar kennt<br />

das deutsche Strafrecht – anders als die<br />

meisten europäischen Staaten – bislang<br />

keine Straf barkeit von Unternehmen.<br />

Doch auch hier gibt es neue Entwicklungen,<br />

spätestens seit das Land Nordrhein-<br />

Westfalen 2013 einen Gesetzesvorschlag<br />

zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit<br />

von Unternehmen <strong>und</strong><br />

sonstigen Verbänden veröffentlichte,<br />

welcher in den B<strong>und</strong>esrat eingebracht<br />

werden sollte.<br />

Auch die Wissenschaft wendet sich vermehrt<br />

dem Thema zu. So stellte die<br />

Forschungsgruppe Verbandstrafrecht<br />

der Universität Köln im Dezember 2017<br />

ihren Entwurf eines „Verbandssanktionengesetzes“<br />

vor, der jedoch eine<br />

Beschränkung des räumlichen Anwendungsbereichs<br />

auf Zuwiderhandlungen<br />

im Inland vorsieht. Im Koalitionsvertrag<br />

der aktuellen B<strong>und</strong>esregierung ist ferner<br />

eine Neuregelung des Sanktionsrechts<br />

für Unternehmen beabsichtigt.<br />

ÜBER DIE AUTORIN<br />

Verfahren vor deutschen Gerichten zu<br />

Menschenrechtsverletzungen durch unternehmerisches<br />

Handeln sind folglich<br />

auf zivilrechtliche Ansprüche beschränkt.<br />

Der Nationale Aktionsplan für <strong>Wirtschaft</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Menschenrechte</strong> geht auf die Möglichkeit<br />

zivilrechtlichen Rechtsschutzes<br />

ein, wenn auch nur punktuell.<br />

In diesem Zusammenhang gibt es ein in<br />

dieser Form neuartiges <strong>und</strong> nennenswertes<br />

Zivilverfahren: Seit 2015 muss sich<br />

der Textildiscounter KiK vor dem Landgericht<br />

Dortm<strong>und</strong> wegen mangelnder<br />

Brandschutzvorkehrungen einer Fabrik<br />

des pakistanischen Subunternehmens Ali<br />

Enterprises verantworten. 2012 kam es in<br />

dieser Fabrik zu einem schweren Brand<br />

mit 260 Toten <strong>und</strong> 32 Verletzen. Das<br />

Verfahren beschäftigt sich mit einer Schadensersatzklage<br />

eines pakistanischen<br />

Überlebenden <strong>und</strong> dreier Angehöriger<br />

verstorbener Arbeiter des Brandes. 2016<br />

hat das Gericht in Dortm<strong>und</strong> seine Zuständigkeit<br />

für den Fall erklärt <strong>und</strong> den<br />

Betroffenen Prozesskostenhilfe gewährt.<br />

In dem Verfahren muss nun geklärt<br />

werden, ob KiK als Auftraggeber (70 Prozent<br />

Direktabnahme) für die Missstände<br />

in der Fabrik verantwortlich gemacht<br />

werden kann. Besonders ist dabei, dass<br />

infolge der Regeln des internationalen<br />

Privatrechts nach pakistanischem Recht<br />

(common law) verhandelt wird, da das<br />

schädigende Ereignis in Pakistan eingetreten<br />

ist. Das Verfahren ist noch anhängig,<br />

die Hauptverhandlung dazu fand<br />

Ende November <strong>2018</strong> statt.<br />

Isabel Daum ist Völkerrechtlerin. Nach einem Bachelorstudium<br />

der Internationalen Beziehungen hat sie im Master Völkerrecht<br />

am Graduate Institute (IHEID) in Genf <strong>und</strong> der Harvard Law<br />

School studiert. Ihre Masterarbeit schrieb sie über Optionen für<br />

einen zukünftigen Vertrag zu <strong>Wirtschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Menschenrechte</strong>n.<br />

Als Analystin einer Ratingagentur für Nachhaltigkeit bewertete<br />

sie zuletzt unter anderem die Menschenrechtsperformance internationaler<br />

Unternehmen.<br />

16 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


MENSCHENRECHTE<br />

Ruggie im<br />

Realitätscheck<br />

Wie groß ist die Gefahr einer Klagewelle?<br />

Von Priv.-Doz. Dr. Birgit Spiesshofer M.C.J., New York University<br />

1. Einführung<br />

CSR <strong>und</strong> Nachhaltigkeit waren bislang Themen, für die sich<br />

die Rechtsabteilungen der Unternehmen im Regelfall wenig<br />

interessierten – was häufig nicht ungelegen kam, wurde<br />

juristische „Bedenkenträgerei“ doch als eher störend <strong>und</strong><br />

hinderlich auf dem Weg zu einer frei gestaltbaren, nachhaltigen<br />

<strong>und</strong> sozialen Weltwirtschaftsordnung angesehen. Dies<br />

fängt an sich zu ändern – <strong>und</strong> sollte sich ändern, da die in<br />

der Vergangenheit meist ausgeblendeten juristischen Implikationen<br />

sich zunehmend in Klagewellen unterschiedlichster<br />

Provenienz <strong>und</strong> Strategie manifestieren, die Unternehmen<br />

nicht zuletzt bei der Ausgestaltung <strong>und</strong> Umsetzung von CSR-<br />

Vorgaben berücksichtigen sollten.<br />

UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> <strong>und</strong> andere internationale CSR-Normen<br />

wie die UN Leitprinzipien für <strong>Wirtschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Menschenrechte</strong><br />

(UNLP), die OECD Leitsätze für multinationale Unternehmen<br />

<strong>und</strong> ISO 26000 haben ein Ziel: Unternehmen über Compliance<br />

mit nationalem Recht hinaus in die Pflicht zu nehmen. Ihrer<br />

durch die <strong>Global</strong>isierung gestiegenen Macht soll eine Erweiterung<br />

<strong>und</strong> Intensivierung ihrer Verantwortung entsprechen.<br />

Ihre Aktivitäten <strong>und</strong> Auswirkungen sind grenzüberschreitend<br />

<strong>und</strong> können daher durch nationale Gesetzgeber nur noch<br />

begrenzt geregelt werden. Also sollen sie selbst in verstärktem<br />

Maße für ihren transnationalen Einfluss- <strong>und</strong> Auswirkungsbereich,<br />

insbesondere auch ihre Konzernunternehmen <strong>und</strong><br />

Wertschöpfungsketten, verantwortlich sein.<br />

Verantwortung kann indessen vieles bedeuten, von Trainings<br />

über Policies, deren Implementierung <strong>und</strong> CSR-Reporting bis<br />

zu harter rechtlicher Haftung. Die Einhaltung der CSR-Normen<br />

wird den Unternehmen mit der Begründung nahegebracht,<br />

dass dies risiko- <strong>und</strong> damit haftungsminimierend sei. Dies<br />

ist allerdings nur die eine Seite der Medaille. Nicht oder allenfalls<br />

im Kleingedruckten wie bei den Reportingstandards<br />

der <strong>Global</strong> Reporting Initiative wird thematisiert, dass die<br />

Umsetzung dieser internationalen Leitlinien, so sehr sie<br />

dem guten Zweck dienlich ist, auch Haftung begründen oder<br />

erweitern kann. Dies äußert sich beispielsweise in Klagen<br />

wegen Verletzung von <strong>Menschenrechte</strong>n <strong>und</strong> Umweltschutz<br />

(auch) gegen Auftraggeber <strong>und</strong> Muttergesellschaften vor deren<br />

Heimatgerichten. Unter der Überschrift „Climate Litigation“<br />

hat sich eine Vielzahl von Strategien entwickelt, die Unternehmen<br />

für negative Klimaauswirkungen in die Pflicht zu<br />

nehmen versuchen. Zunehmend werden auch Klagen von<br />

Investoren <strong>und</strong> Shareholdern gegen Unternehmen angestrengt,<br />

um Nachhaltigkeitsziele durchzusetzen. Im Folgenden sollen<br />

einige dieser Klagestrategien beleuchtet werden.<br />

2. CSR – Haftung zwischen Skylla <strong>und</strong> Charybdis<br />

CSR-Normen wie die UNLP <strong>und</strong> die OECD Leitsätze können in<br />

vielfacher Hinsicht Gr<strong>und</strong> zum Klagen geben. Werden beispielsweise<br />

die UNLP mehr oder weniger wörtlich in Allgemeine<br />

Geschäftsbedingungen von Lieferverträgen übernommen,<br />

können die entsprechenden Klauseln nach deutschem >><br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

17


AGENDA<br />

AGB-Recht nichtig sein. Verpflichten sich<br />

Unternehmen in ihren veröffentlichten<br />

Human Rights Policies zur „Einhaltung“<br />

der UNLP, kann dies eine Steilvorlage<br />

für eine Haftungsklage sein: Wird mehr<br />

versprochen, als (sicher) eingehalten<br />

werden kann, kann eine Haftung wegen<br />

unlauteren Wettbewerbs drohen. Enthält<br />

die Policy entsprechend der Forderung<br />

der UNLP ein „Commitment“,<br />

dass das Unternehmen weder „negative<br />

Auswirkungen“ auf die <strong>Menschenrechte</strong><br />

„verursacht“ noch (im weitesten Sinne)<br />

dazu „beiträgt“ oder damit durch seine<br />

Produkte oder Geschäftspartner „direkt<br />

verb<strong>und</strong>en“ ist, so stellt sich die Frage,<br />

ob dies bei einer Vielzahl von Geschäftspartnern<br />

<strong>und</strong> differenzierten transnationalen<br />

Lieferketten überhaupt eingelöst<br />

werden kann. Im Regelfall wird schon<br />

die dafür notwendige rechtliche oder<br />

faktische Möglichkeit der Durchsteuerung<br />

bis zum Rohstofferzeuger nicht<br />

gegeben sein. Hinzu kommt, dass die<br />

Verantwortungskonzeption der UNLP<br />

programmatisch weit ist <strong>und</strong> bis heute<br />

nicht geklärt ist, was die „Respektierung<br />

aller international anerkannter <strong>Menschenrechte</strong>“<br />

konkret bedeuten soll. Eine<br />

derartige öffentliche Selbstverpflichtung<br />

zur Einhaltung von CSR-Normen wurde<br />

im Übrigen in einem kanadischen Fall<br />

(Choc vs. HudBay Minerals Inc.) als mögliche<br />

Haftungsgr<strong>und</strong>lage für Geschädigte<br />

angesehen.<br />

Unternehmen navigieren zwischen Skylla<br />

<strong>und</strong> Charybdis: Kommen sie den von<br />

CSR-Normen geforderten Sorgfaltspflichten<br />

nicht nach, dann sollen sie deliktisch,<br />

vor den OECD Nationalen Kontaktstellen<br />

oder in den „Courts of public opinion“<br />

verantwortlich gemacht werden können.<br />

Kommen sie ihnen durch intensive<br />

Durchsteuerung im Konzern oder in<br />

der Wertschöpfungskette nach, zeigt<br />

eine in jüngerer Zeit zunehmende Zahl<br />

von Gerichtsverfahren, dass sie dadurch<br />

die Tür zu den tiefen Taschen der Muttergesellschaft<br />

oder des Auftraggebers<br />

<strong>und</strong> zu Klagen vor Gerichten in deren<br />

Heimatländern öffnen.<br />

Ein Beispiel ist der vor dem Landgericht<br />

Dortm<strong>und</strong> verhandelte KiK-Fall, in dem<br />

die Kläger argumentieren, dass KiK für<br />

einen Brand bei dem Zulieferer Ali Enterprises<br />

<strong>und</strong> für die dadurch verursachten<br />

Schäden bei dessen Mitarbeitern mit<br />

verantwortlich sein soll, weil der Zulieferer<br />

trotz rechtlicher Selbständigkeit<br />

wie eine Abteilung von KiK anzusehen<br />

sei. Gestützt wird dies im Wesentlichen<br />

darauf, dass<br />

• KiK Ali Enterprises verpflichtet hatte,<br />

ihren Code of Conduct zu unterzeichnen,<br />

• KiK Audits hat durchführen lassen <strong>und</strong><br />

von Ali Enterprises verlangte, dass sie<br />

die gef<strong>und</strong>enen Defizite beseitigen,<br />

• Ali Enterprises hauptsächlich für KiK<br />

produzierte.<br />

Aus diesen an sich wünschenswerten<br />

<strong>und</strong> von CSR-Normen geforderten Maßnahmen<br />

haben die Kläger eine haftungsbegründende<br />

Kontrolle von KiK abgeleitet.<br />

Das ist kein isolierter Einzelfall.<br />

Britische Gerichte haben in jüngerer<br />

Zeit in einigen Entscheidungen zur<br />

Sorgfaltspflicht (<strong>und</strong> damit Haftung)<br />

von Muttergesellschaften gegenüber<br />

Personen, für deren Schäden an sich<br />

Tochtergesellschaften verantwortlich<br />

waren, eine ähnliche Argumentation<br />

entwickelt. In Chandler vs. Cape PLC<br />

wurde die Muttergesellschaft für<br />

Asbestose bei Mitarbeitern der Tochtergesellschaft<br />

haftbar gemacht. In Lungowe<br />

vs. Vedanta Resources PLC, in dem es<br />

um Umweltverschmutzung durch ein<br />

Tochterunternehmen ging, wurde aus<br />

vollm<strong>und</strong>igen Nachhaltigkeitsberichten,<br />

die die Überwachung des Umweltschutzes<br />

im Gesamtkonzern durch die Muttergesellschaft<br />

hervorhoben, sowie von ihr<br />

gruppenweit durchgeführten Trainings<br />

<strong>und</strong> einer erheblichen Einflussnahme<br />

auf das Management der Tochtergesellschaft<br />

eine Sorgfaltspflicht gegenüber<br />

den von der Tochtergesellschaft Geschädigten<br />

abgeleitet, die eine eigene Haftung<br />

der Muttergesellschaft begründen kann.<br />

In zwei weiteren Entscheidungen (Okpabi<br />

vs. Royal Dutch Shell PLC <strong>und</strong> AAA<br />

vs. Unilever PLC & Unilever Tea Kenya<br />

Ltd.) wurde zwar eine Sorgfaltspflicht im<br />

Ergebnis abgelehnt, jedoch wurden die<br />

haftungsbegründenden Faktoren genau<br />

untersucht, insbesondere die Konzernstruktur,<br />

die konzernweiten CSR Policies,<br />

ihre Umsetzung <strong>und</strong> Durchsetzung <strong>und</strong><br />

inwieweit daraus eine Kontrolle abgeleitet<br />

werden kann. Konzernweit geltende<br />

Leitlinien allein sollen nicht ausreichen,<br />

um Kontrolle zu begründen. Vielmehr<br />

soll es für die Haftung der Muttergesellschaft<br />

darauf ankommen, dass sie sie<br />

auch steuernd durchsetzt. Genau das ist<br />

jedoch der Sinn <strong>und</strong> Zweck vieler konzernübergreifender<br />

Divisionsstrukturen<br />

<strong>und</strong> Compliancemanagement-Systeme<br />

<strong>und</strong> im Übrigen von CSR-Normen gefordert.<br />

Für Unternehmen ist es daher eine Gratwanderung,<br />

wie sie im Gesamtkonzern<br />

<strong>und</strong> in der Lieferkette Nachhaltigkeitsvorgaben<br />

verankern <strong>und</strong> durchsetzen,<br />

ohne zugleich eine maßgebliche Kontrolle<br />

zu begründen <strong>und</strong> damit den „Haftungsdurchgriff“<br />

auf Muttergesellschaft<br />

oder Auftraggeber zu eröffnen.<br />

3. Climate Litigation<br />

Für besondere Aufmerksamkeit sorgte<br />

jüngst die Zivilklage eines peruanischen<br />

Bauern gegen RWE, die damit begründet<br />

wird, dass RWE als Großemittent zum<br />

Klimawandel beitrage <strong>und</strong> dadurch die<br />

Andengletscher schmelzen. Dies lasse einen<br />

See anschwellen <strong>und</strong> gefährde einen<br />

Staudamm, bei dessen Bruch der Kläger<br />

Schaden nehmen würde. Verlangt wird,<br />

dass sich RWE an Schutzmaßnahmen in<br />

Peru beteiligt. Die Klage wurde zugelassen<br />

<strong>und</strong> Beweisaufnahme angeordnet.<br />

Was zunächst esoterisch anmutet, hat<br />

das Potenzial zum Dammbruch. „Climate<br />

Litigation“ wird zunehmend <strong>und</strong><br />

auf breiter Front zur Durchsetzung von<br />

Klimaschutzzielen eingesetzt. Dieser<br />

Trend manifestiert sich in einer Reihe<br />

jüngerer Gerichtsentscheidungen, die<br />

die Dimension <strong>und</strong> das Potenzial des<br />

Themas <strong>und</strong> die unterschiedlichen Klagestrategien<br />

illustrieren. Klagegegner sind<br />

sowohl Staaten als auch Unternehmen.<br />

Die Strategie wird in vielen Fällen auf ein<br />

„greening of human rights“ gestützt, d.h.<br />

aus <strong>Menschenrechte</strong>n werden Sorgfalts<strong>und</strong><br />

Schutzverpflichtungen abgeleitet.<br />

Bereits 2007 gab der U.S. Supreme Court<br />

in Massachusetts vs. Environmental Protection<br />

Agency einer Klage des Staates<br />

Massachusetts statt, der verlangte, dass<br />

die amerikanische Umweltbehörde<br />

strengere Abgasvorschriften für Kraft-<br />

18 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


MENSCHENRECHTE<br />

fahrzeuge erlassen solle. Die Abgase trügen zur globalen<br />

Klimaerwärmung bei, dadurch steige der Meeresspiegel <strong>und</strong><br />

dies gefährde die Küsten des Staates.<br />

In der Urgenda-Entscheidung wurde die niederländische<br />

Regierung jüngst verurteilt, das nationale Ziel zur Reduktion<br />

von Treibhausgas-Emissionen (für 2020 gegenüber 1990) von<br />

17 auf 25 Prozent zu erhöhen, gestützt auf eine klimarechtliche<br />

Sorgfalts- <strong>und</strong> Schutzpflicht des Staates, die insbesondere<br />

aus der Europäischen Menschenrechtskonvention abgeleitet<br />

wurde. In eine ähnliche Richtung gehen die Klage eines brandenburgischen<br />

Bauern gegen die deutsche B<strong>und</strong>esregierung<br />

auf Einhaltung der für 2020 zugesagten Klimaschutzziele <strong>und</strong><br />

die gleichgerichteten Klagen europäischer Bürger gegen die<br />

Europäische Union. Unter „Climate Litigation“ fallen auch<br />

die Klagen der Deutschen Umwelthilfe auf Verschärfung der<br />

Luftreinhaltepläne für eine Reihe von Kommunen, gerichtet<br />

insbesondere auf die Einführung von Dieselfahrverboten.<br />

Auch wenn diese Klagen primär gegen den Staat gerichtet<br />

sind, können sie, wie die Dieselfahrverbote zeigen, massive<br />

Auswirkungen auf Unternehmen haben. Es ist zudem damit zu<br />

rechnen, dass Energieversorger <strong>und</strong> Investoren, die beispielsweise<br />

in Kohle investieren, mit einer auf menschenrechtliche<br />

Sorgfaltspflichten gestützten Argumentation, abgeleitet aus<br />

CSR-Normen <strong>und</strong> ihren eigenen Selbstverpflichtungen, verklagt<br />

werden.<br />

Eine Reihe von Kindern klagen, unterstützt von der NGO Our<br />

Children‘s Trust, vor US-amerikanischen Gerichten auf Klimaschutzmaßnahmen<br />

seitens staatlicher Stellen. Sie verlangen<br />

intergenerationelle Gerechtigkeit; sie seien in ihren zukünftigen<br />

Lebensgr<strong>und</strong>lagen bei Verfehlung des Zwei-Grad-Ziels<br />

weit mehr gefährdet als die gegenwärtige Generation. In eine<br />

ähnliche Richtung ging die (erfolgreiche) Klage junger Kolumbianer<br />

gegen die kolumbianische Regierung, zum Schutz ihrer<br />

Lebensgr<strong>und</strong>lagen die Abholzung des Regenwaldes zu stoppen,<br />

gestützt auf ihre konstitutionellen Rechte auf Ges<strong>und</strong>heit,<br />

Ernährung, Wasser <strong>und</strong> eine ges<strong>und</strong>e Umwelt. Das Oberste<br />

Gericht gab der Klage statt. Es erkannte – ein juristisches<br />

Novum – die Amazonas-Region als Träger von Rechten an,<br />

die der Staat schützen müsse. Die Nationalregierung wurde<br />

aufgefordert, einen „intergenerational pact for the life of the<br />

Colombian Amazon“ auszuarbeiten. Es forderte staatliche<br />

Stellen auf allen Ebenen auf, innerhalb bestimmter Fristen<br />

Aktionspläne zu erstellen, um, wie von Kolumbien im Rahmen<br />

des Paris Agreement zugesagt, die Abholzung des Regenwaldes<br />

bis 2020 komplett zu stoppen.<br />

falsche Angaben in Veröffentlichungen zu Klimaauswirkungen.<br />

Client Earth hat als aktivistischer Shareholder einen<br />

polnischen Energieversorger verklagt mit der Begründung, der<br />

Bau eines geplanten Kohlekraftwerks sei weder ökonomisch<br />

noch ökologisch sinnvoll.<br />

„Climate Litigation“ ist eine international orchestrierte Strategie,<br />

die die rechtlichen Möglichkeiten der jeweiligen nationalen<br />

Systeme (beispielsweise Verbandsklagen, class actions) nutzt,<br />

um Klimaschutz gegenüber staatlichen Instanzen <strong>und</strong> Unternehmen<br />

durchzusetzen. Unabhängig von den Erfolgsaussichten<br />

der Klagen ist ein strategischer Zweck, auf breiter Front<br />

Aufmerksamkeit <strong>und</strong> öffentlichen Druck zu erzeugen, um<br />

damit politische Ziele wie den Kohleausstieg durchzusetzen.<br />

4. Ausblick<br />

Die vorstehend kurz skizzierten Fälle zeigen das breite<br />

Spektrum an Klägern <strong>und</strong> Klagestrategien <strong>und</strong> die sprunghafte<br />

Zunahme an Gerichtsverfahren. Hinzu kommen die<br />

sich immer größerer Beliebtheit erfreuenden Verfahren vor<br />

den OECD Nationalen Kontaktstellen, die in vielen Ländern<br />

gerichtsähnlich ausgestaltet sind. In der Planung befindet sich<br />

zudem ein Projekt, Schiedsgerichtsverfahren für Streitigkeiten<br />

über die Einhaltung von CSR-Normen zu öffnen. Es ist zu<br />

erwarten, dass diese Möglichkeiten zunehmend genutzt <strong>und</strong><br />

die Klagestrategien weiter diversifiziert werden.<br />

ÜBER DIE AUTORIN<br />

Dr. Birgit Spiesshofer M.C.J. (NYU) ist Rechtsanwältin bei Dentons<br />

<strong>und</strong> Privatdozentin an der Universität Bremen. Sie ist Vorsitzende<br />

des Ausschusses CSR <strong>und</strong> Compliance des Deutschen Anwaltvereins,<br />

Mitglied u.a. der CSR and Anti-Corruption Commission der<br />

International Chamber of Commerce.<br />

New York geht in mehrfacher Hinsicht gegen große Öl- <strong>und</strong><br />

Gaskonzerne vor. Milliardenschwere Pensionsfonds der Stadt<br />

<strong>und</strong> des Staates New York ziehen sich zum einen im Rahmen<br />

einer Divestmentstrategie aus Investitionen in diesen<br />

Konzernen zurück. Zudem verklagen New York <strong>und</strong> andere<br />

Städte sie mit dem Ziel, sie an den Schutzmaßnahmen gegen<br />

Klimawandelfolgen finanziell zu beteiligen.<br />

Jüngst wurde zudem eine Klage gegen Exxon eingereicht,<br />

gestützt auf Betrug von Investoren durch irreführende <strong>und</strong><br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

19


AGENDA<br />

Moderne<br />

Sklaverei <strong>und</strong><br />

Arbeitsausbeutung<br />

auch für deutsche<br />

Unternehmen ein<br />

wichtiges Thema<br />

Seit einigen Jahren ist moderne Sklaverei<br />

verstärkt in den Fokus gerückt – des Gesetzgebers,<br />

der Zivilgesellschaft, aber auch der<br />

<strong>Wirtschaft</strong>. Doch was genau ist moderne<br />

Sklaverei? Wie entsteht sie? Wer sind die<br />

Betroffenen? Und wieso sollten sich deutsche<br />

Unternehmen mit der Thematik befassen?<br />

Diese <strong>und</strong> weitere Fragen beleuchtet das<br />

Deutsche <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Netzwerk (DGCN)<br />

in einer neuen Studie. Laura Curtze, Senior<br />

Consultant bei der durchführenden Beratung<br />

Ergon Associates, gibt einen ersten Überblick.<br />

20 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


MENSCHENRECHTE<br />

Von Laura Curtze<br />

Was ist moderne Sklaverei?<br />

Bulgarische Erntehelfer in Großbritannien, denen nach Eintreffen<br />

die Pässe von ihrem Arbeitgeber abgenommen werden<br />

<strong>und</strong> die durch Unterzeichnen eines Vertrages, den sie nicht<br />

verstehen, in ein Arbeitsverhältnis einwilligen, in dem sie<br />

nicht einmal die Hälfe des geltenden Mindestlohns erhalten.<br />

Arbeiterinnen in einer Textilfabrik in Indien, die unbezahlt<br />

Extraschichten ableisten müssen, auch an Ruhetagen, oder<br />

sie verlieren ihren Job <strong>und</strong> damit die Lebensgr<strong>und</strong>lage ihrer<br />

Familie. Junge Männer aus Bangladesch, die sich Tausende<br />

Dollar für die Vermittlung eines Jobs auf einer Baustelle in<br />

Singapur geliehen haben <strong>und</strong> deren Familien von den Geldgebern<br />

bedroht werden, nachdem die Lohn- <strong>und</strong> somit auch<br />

die Kreditrückzahlungen ausblieben.<br />

Diese Beispiele zeigen: Situationen unfreiwilliger <strong>und</strong> ausbeuterischer<br />

Arbeit können überall vorkommen. Das ist nichts<br />

Neues. Was allerdings neu ist, sind die Mittel des Zwangs, das<br />

Profil der Täter <strong>und</strong> auch das der Opfer. An dieser Stelle setzt<br />

die neue Studie des DGCN an: Moderne Sklaven liegen nicht<br />

in Ketten, sie sind nicht das Eigentum ihres Arbeitgebers. Viele<br />

erhalten Lohn, sind oftmals sogar sozialversichert. Aber sie<br />

gelangen durch Täuschung oder Nötigung in eine Situation, in<br />

denen ihnen unter Androhung von Strafe oder Gewalt Arbeit<br />

abverlangt wird <strong>und</strong> aus der sie sich nicht einfach so wieder<br />

befreien können. Immer häufiger sind es die wirtschaftliche<br />

Not <strong>und</strong> die Suche nach besseren Einkommensmöglichkeiten,<br />

die Menschen in die Arme <strong>und</strong> in die Abhängigkeit von skrupellosen<br />

Vermittlern <strong>und</strong> Arbeitgebern treiben.<br />

Warum sich deutsche Unternehmen mit Risiken<br />

moderner Sklaverei auseinandersetzen sollten<br />

Moderne Sklaverei, verstanden als extreme Form der Arbeitsausbeutung,<br />

stellt einen drastischen Einschnitt in die<br />

<strong>Menschenrechte</strong> der betroffenen Personen dar. Niemand<br />

sollte unter Androhung von Gewalt zur Arbeit gezwungen<br />

werden. Dieses gr<strong>und</strong>legende Prinzip ist im internationalen<br />

wie im nationalen Recht fest verankert <strong>und</strong> somit auch für<br />

privatwirtschaftliche Akteure nicht nur moralisch, sondern<br />

auch rechtlich handlungsleitend. Doch auch darüber hinaus<br />

gibt es gute Gründe für deutsche Unternehmen, sich proaktiv<br />

mit Risiken moderner Sklaverei auseinanderzusetzen. >><br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

21


AGENDA<br />

Dazu zählen die Abwendung potenziell gravierender Reputationsschäden<br />

<strong>und</strong> die Stärkung des eigenen Risikomanagements.<br />

Viele deutsche Unternehmen sind außerdem unter dem<br />

britischen Modern Slavery Act oder dem CSR-Richtlinien-<br />

Umsetzungsgesetz berichtspflichtig, ähnliche Gesetze sind<br />

derzeit u.a. in Australien in Planung <strong>und</strong> zeugen von wachsenden<br />

Transparenzanforderungen. Die menschenrechtliche<br />

Performance eines Unternehmens rückt auch für Investoren<br />

<strong>und</strong> Geldgeber verstärkt in den Fokus.<br />

Risiken beschränken sich nicht auf die Lieferkette<br />

Die spezifischen Risiken moderner Sklaverei sind dabei von<br />

Land zu Land <strong>und</strong> von Branche zu Branche unterschiedlich.<br />

Generell besteht vor allem dort ein erhöhtes Risiko, wo wirtschaftliche,<br />

soziale <strong>und</strong> gesellschaftliche Rahmenbedingungen<br />

wie Armut, Ungleichheit, politische Instabilität, strukturelle<br />

Diskriminierung oder Krisen <strong>und</strong> Konflikte Menschen<br />

verw<strong>und</strong>bar gegenüber Ausbeutung machen. Überregional<br />

lässt sich beispielsweise beobachten, dass Arbeitsmigranten,<br />

Flüchtlinge <strong>und</strong> Binnenvertriebene besonders häufig Opfer<br />

moderner Sklaverei werden. Das bestätigen auch die jüngsten<br />

Schätzungen zu Opferzahlen der Internationalen Arbeitsorganisation<br />

(ILO). Oftmals strukturell benachteiligt, ist es ihnen<br />

aufgr<strong>und</strong> ihrer besonderen Situation (keine Kenntnisse der<br />

Landessprache, kein soziales Netzwerk, hohe Abhängigkeit<br />

vom Arbeitgeber usw.) kaum möglich, ihre Rechte einzufordern<br />

<strong>und</strong> Hilfe zu suchen. Die Erfahrung zeigt außerdem, dass ein<br />

besonders hohes Risiko moderner Sklaverei <strong>und</strong> Ausbeutung<br />

in arbeitsintensiven, niedrigqualifizierten Aktivitäten besteht,<br />

in denen Arbeitskräfte schnell <strong>und</strong> einfach ausgewechselt<br />

werden können.<br />

Viele Unternehmen betrachten moderne Sklaverei in erster<br />

Linie als ein ihre Lieferketten <strong>und</strong> Auslandsgeschäfte betreffendes<br />

Phänomen. Doch die Studie zeigt: Wer sucht, der<br />

findet – auch in <strong>Deutschland</strong> <strong>und</strong> oftmals näher am eigenen<br />

Unternehmen als geglaubt. Denn gerade im Inland rücken auch<br />

Dienstleistungen wie Reinigung, Logistik oder Entsorgung in<br />

den Fokus. In seinem jüngsten Lagebild zum Menschenhandel<br />

in <strong>Deutschland</strong> weist das B<strong>und</strong>eskriminalamt auf einen<br />

starken Anstieg der Fallzahlen im Bereich Menschenhandel<br />

zum Zweck der Arbeitsausbeutung hin. Zu den besonders<br />

betroffenen <strong>Wirtschaft</strong>szweigen gehören Baugewerbe, Landwirtschaft,<br />

fleischverarbeitende Industrie, Gastronomie <strong>und</strong><br />

Gebäudereinigung, doch auch bei Automobilzulieferern oder<br />

im Speditionswesen wurden in den vergangenen Jahren Fälle<br />

von Ausbeutung publik. Beinahe ausnahmslos handelt es sich<br />

bei den Opfern um ausländische Staatsbürger, vornehmlich<br />

aus ost- <strong>und</strong> südosteuropäischen EU-Mitgliedsstaaten.<br />

Ganzheitliche Konzepte entwickeln <strong>und</strong> Transparenz<br />

herstellen<br />

Konzepte zur Bekämpfung moderner Sklaverei sollten dort<br />

ansetzen, wo Risiken entstehen. Die Studie bietet Unternehmen<br />

wertvolle Hilfestellungen für die Ermittlung <strong>und</strong><br />

Bewertung von Risiken. Neben einer f<strong>und</strong>ierten Risikoanalyse<br />

<strong>und</strong> Ursachenforschung erfordert die Entwicklung wirksamer<br />

Präventionsstrategien dabei auch die vermehrte Herstellung<br />

von Transparenz: Mit wem arbeiten wir zusammen? Von wem<br />

kaufen wir? Wer beschäftigt die Bauarbeiter, die aktuell unseren<br />

Firmensitz renovieren? Zu welchen Konditionen? Wie<br />

steht es um die Kapazität unserer Geschäftspartner, ihrerseits<br />

Risiken moderner Sklaverei zu erkennen <strong>und</strong> zu vermeiden?<br />

Bei alldem sollte nicht vergessen werden, dass moderne<br />

Sklaverei ein Extrem auf einem Kontinuum der Ausbeutung<br />

darstellt. Schlechte Arbeitsbedingungen an sich stellen nicht<br />

automatisch auch moderne Sklaverei dar. Gleichzeitig können<br />

sie aber, gerade in Kombination mit anderen Faktoren,<br />

zu Risiken moderner Sklaverei beitragen. Im Interesse eines<br />

effektiven Risikomanagements sollten Unternehmen solche<br />

Faktoren deswegen frühzeitig in den Blick nehmen, tragfähige<br />

Sorgfaltspflichtsprozesse entwickeln <strong>und</strong> gemeinsam mit<br />

Partnern an Lösungen arbeiten, anstatt zu warten, bis es zu<br />

schwerwiegenderen Verstößen kommt.<br />

Mehr Infos:<br />

Die Studie „Moderne Sklaverei <strong>und</strong> Arbeitsausbeutung<br />

– welche Relevanz für deutsche Unternehmen?“, herausgegeben<br />

vom DGCN <strong>und</strong> entwickelt von Ergon Associates,<br />

wurde Ende <strong>2018</strong> veröffentlicht. Sie geht der Frage nach,<br />

was moderne Sklaverei eigentlich ist, wie Risiken entstehen<br />

<strong>und</strong> weshalb auch deutsche Unternehmen sich mit der<br />

Thematik auseinandersetzen sollten. Neben Informationen<br />

zu den Anforderungen verschiedener normativer <strong>und</strong><br />

rechtlicher Rahmenwerke, wie dem britischen Modern<br />

Slavery Act, enthält sie auch Orientierungshilfen für Unternehmen,<br />

die einen proaktiven Ansatz zum Umgang mit<br />

Risiken moderner Sklaverei entwickeln möchten. Fallstudien<br />

veranschaulichen am Beispiel einzelner Unternehmen aus<br />

verschiedenen Branchen, wie praktische Maßnahmen <strong>und</strong><br />

Sorgfaltspflichtsprozesse zur Bekämpfung von moderner<br />

Sklaverei <strong>und</strong> Arbeitsausbeutung aussehen können.<br />

22 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


Publikationen<br />

Moderne Sklaverei <strong>und</strong> Arbeitsausbeutung<br />

Herausforderungen <strong>und</strong> Lösungsansätze<br />

für deutsche Unternehmen<br />

Herausgeber: Deutsches <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Netzwerk, November <strong>2018</strong><br />

besonders in den Blick genommen.<br />

• Das dritte Kapitel widmet sich Fragen der Umsetzung <strong>und</strong><br />

erörtert praktische Handlungsansätze für Unternehmen zum<br />

Auf bau effektiver Sorgfaltspflichtsprozesse.<br />

• Im vierten Kapitel werden Erfahrungen aus der Unternehmenspraxis<br />

im Rahmen von vier Fallstudien vertieft.<br />

Diese Studie geht der Frage auf den Gr<strong>und</strong>, was moderne<br />

Sklaverei eigentlich ist, wie sie entsteht, warum das Thema<br />

auch für deutsche Unternehmen von Bedeu- tung ist <strong>und</strong> was<br />

Unternehmen tun können, um Risiken moderner Sklaverei<br />

<strong>und</strong> Arbeitsausbeutung im Zusammenhang mit ihren eigenen<br />

Aktivitäten <strong>und</strong> Liefer- ketten wirksam zu bekämpfen. Insofern<br />

richtet sie sich an interessierte Akteure aus <strong>Wirtschaft</strong>, Politik<br />

<strong>und</strong> Zivilgesellschaft, die sich auf praktische Weise mit diesen<br />

Fragestellungen auseinandersetzen möchten.<br />

Die Studie gliedert sich in vier Kapitel:<br />

• Im ersten Kapitel werden gr<strong>und</strong>legende Fragen zum Thema<br />

moderne Sklaverei beantwortet <strong>und</strong> auf die Bedeutung der<br />

Thematik für deutsche Unternehmen eingegangen.<br />

• Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit der Prävalenz von<br />

Risiken moderner Sklaverei in der Praxis. Dabei werden<br />

Risiken in vier Schwerpunktsektoren (Automobilbranche,<br />

Hotelgewerbe, Lebensmittelbranche <strong>und</strong> Textilindustrie)<br />

Zuhören lohnt sich. Menschenrechtliches<br />

Beschwerde management verstehen <strong>und</strong><br />

umsetzen<br />

Herausgeber: Deutsches <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Netzwerk, Oktober <strong>2018</strong><br />

Dieser Leitfaden soll deutschen Unternehmen, auch kleineren<br />

<strong>und</strong> mittleren, mit praxisnahen Anleitungen dabei helfen,<br />

die Herausforderung anzugehen, effektive menschenrechtliche<br />

Beschwerdemechanismen zu gestalten. Mit Beispielen<br />

aus der Unternehmenspraxis wird illustriert, dass von Ihrem<br />

Unternehmen keine vermeintlich perfekte One-Size-Fits-All-<br />

Lösung erwartet wird. Vielmehr geht es darum, verschiedene<br />

angemessene Zugangswege zu haben, über die potenziell von<br />

Ihrem Unternehmenshandeln Betroffene mit Ihnen in Kontakt<br />

treten können. Wie dieses „Ökosystem von Beschwerdemechanismen“<br />

aussehen kann, wird von Ihrer individuellen<br />

Unternehmensstruktur <strong>und</strong> Ihrem Risikoprofil abhängen.<br />

Nach der Lektüre dieses Leitfadens kennen Sie:<br />

• die Anforderungen der deutschen B<strong>und</strong>esregierung <strong>und</strong><br />

einschlägiger internationaler Rahmenwerke;<br />

• Methoden, mit denen Sie prüfen können, ob Ihr derzeitiger<br />

Ansatz den Anforderungen an menschenrechtliche Beschwerdemechanismen<br />

genügt;<br />

• die Bausteine eines menschenrechtlichen Beschwerdemechanismus;<br />

• Ansätze, Ihr „Ökosystem“ für menschenrechtliche Beschwerdemechanismen<br />

zu verstehen <strong>und</strong> zu verbessern;<br />

• praxisnahe Unternehmensbeispiele;<br />

• Argumente, um im Unternehmen Überzeugungsarbeit<br />

leisten zu können.<br />

Die Anleitungen in diesem Leitfaden werden Ihnen dabei<br />

helfen, einen Zugang zum Thema Beschwerdemechanismen<br />

zu entwickeln, der den Anforderungen des NAP <strong>und</strong> der UN<br />

Leitprinzipien für <strong>Wirtschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Menschenrechte</strong> (UNLP)<br />

entspricht.<br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

23


AGENDA<br />

MENSCHENRECHTE<br />

IM SUPERMARKT<br />

24 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


MENSCHENRECHTE<br />

Von Prof. Dr.-Ing. Evi Hartmann<br />

Wir lieben unser Smartphone! Aber dass für das Kobalt im<br />

Smartphone afrikanische Kinder in Blutminen ausgebeutet<br />

werden? Das wollen wir nicht. Wie können wir das verhindern?<br />

Was wir im Supermarkt, im Onlineshop<br />

oder beim Discounter aus dem Regal greifen,<br />

soll keine <strong>Menschenrechte</strong> verletzen.<br />

Ein globales Instrument zum Schutz der<br />

<strong>Menschenrechte</strong> im Supermarktregal<br />

stellen auf höchster internationaler Ebene<br />

seit 2011 die United Nations Guiding<br />

Principles on Business and Human Rights<br />

(UNGPs) dar. Auf 42 Seiten beschreiben<br />

sie, was die Menschen <strong>und</strong> ihre unveräußerlichen<br />

Rechte in Liefernetzwerken<br />

schützen soll. Wie sie das tun, hat System.<br />

Due Diligence der <strong>Menschenrechte</strong>:<br />

Die Systematik<br />

Nach diesem System durchläuft jedes<br />

Unternehmen, das uns K<strong>und</strong>en „saubere“<br />

Ware verkaufen möchte, in der Regel vier<br />

Schritte. In einem ersten Schritt definiert<br />

es mit seinen Lieferanten vertragliche<br />

Mindestanforderungen, zum Beispiel:<br />

keine Pestizidbomber-Flüge, während<br />

die Arbeiter in der Bananen- oder Baumwollplantage<br />

arbeiten! Oder eben: Keine<br />

Kinder in der Mine!<br />

In einem zweiten Schritt werden die<br />

Risiken für die <strong>Menschenrechte</strong> identifiziert,<br />

analysiert <strong>und</strong> priorisiert: Welche<br />

Materialen werden im Endprodukt verbaut?<br />

Welche davon sind riskant? Wird<br />

zum Beispiel wie in Handys, Tablets oder<br />

Akkus Kobalt verbaut, springt das Risiko<br />

der Blutminen geradezu ins Auge. Jedes<br />

Risiko wird priorisiert: Muss es vorrangig<br />

behandelt werden? Zum Beispiel<br />

Kinderarbeit <strong>und</strong> Nichteinhaltung von<br />

Mindestlöhnen: Beide Risiken müssen<br />

unbedingt vermieden werden. Doch bei<br />

ihrer Bekämpfung hat bei begrenzten<br />

Ressourcen an Zeit, Geld <strong>und</strong> Arbeitskraft<br />

sicher das Risiko der Kinderarbeit<br />

Vorrang.<br />

In einem dritten Schritt wird dann<br />

regelmäßig die Einhaltung der im ersten<br />

Schritt vereinbarten Mindestanforderungen<br />

überprüft. Also ob wie vereinbart<br />

wirklich an jeder zweiten Säule<br />

der Werkshalle ein Feuerlöscher hängt.<br />

Oder ob tatsächlich keine Kinder durch<br />

jene Minenschächte kriechen, die für<br />

Erwachsene einfach zu schmal sind.<br />

Im vierten Schritt legen die Unternehmen<br />

konkrete Maßnahmen zur Vermeidung<br />

von Menschenrechtsverletzungen<br />

fest. Eine relativ sanfte Maßnahme<br />

ist zum Beispiel die Lieferanten-Rüge:<br />

„Bitte haltet euch an die Vereinbarung!“<br />

Schärfer wirkt die Drohung: „Macht das<br />

endlich, sonst kriegt ihr keine Aufträge<br />

mehr von uns!“ Beliebt <strong>und</strong> wirksam sind<br />

auch unterstützende Maßnahmen: „Ihr<br />

bekommt eine Prämie, sobald an jeder<br />

zweiten Säule ein Feuerlöscher hängt!“<br />

Soweit die Theorie. Wie sieht es in der<br />

Praxis aus?<br />

Blick in die Praxis: Fehler <strong>und</strong><br />

Tipps<br />

Manchmal wird in der Öffentlichkeit, im<br />

Internet oder der Politik die Forderung<br />

laut: „Hersteller müssen ihre Lieferanten<br />

besser kontrollieren!“ Wie bitte?<br />

Große Unternehmen haben oft mehrere<br />

Zehntausend Lieferanten. Würden sie<br />

alle kontrollieren, müssten sie, salopp<br />

gesprochen, mehr Mitarbeiter für die<br />

Kontrolle einstellen als für die Herstellung<br />

ihrer Produkte. Deshalb wird in der<br />

Praxis das Kaskaden-Modell praktiziert:<br />

Der Hersteller kontrolliert seine direkten<br />

Lieferanten, die direkten Lieferanten<br />

kontrollieren ihrerseits ihre direkten<br />

Lieferanten – bis alle Stufen der Kaskade<br />

mitmachen. Im Modell.<br />

>><br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

25


AGENDA<br />

In der Realität wird das „Wasser“ von Stufe zu Stufe der<br />

Kaskade immer weniger. Der Handy-Hersteller zum Beispiel<br />

sagt zum Lieferanten seiner direkten Vorprodukte: „Bitte kein<br />

Blut-Kobalt!“ Der Lieferant fordert das von seinem Lieferanten,<br />

dieser wiederum gibt es weiter an seinen Kobalt-Händler, der<br />

es seinem Großhändler aufträgt, welcher das Kobalt vom<br />

afrikanischen Staatsunternehmen bezieht, das ein Problem<br />

hat: Es bekommt aus unterschiedlichen Minen sowohl sauberes<br />

wie auch blutiges Kobalt. Doch wie viel wovon woher<br />

stammt, lässt sich nach Anlieferung <strong>und</strong> gegebenenfalls unter<br />

Einwirkung der regional üblichen Korruption <strong>und</strong> politischen<br />

Einflussnahme kaum feststellen. Also wird alles Kobalt als<br />

„sauber“ deklariert <strong>und</strong> die Kaskade hochgeschickt: Das blutige<br />

Kobalt <strong>und</strong> mit ihm die Menschenrechtsverletzung wird im<br />

Handy verbaut. Und wir telefonieren damit.<br />

Diesem Fehler begegnet aktuell zum Beispiel Apple mit der<br />

Strategie, den Mittelsmann zu umgehen: Apple will sein Kobalt<br />

direkt von der Mine beziehen, in die es dann auch im Idealfall<br />

direkt hineinschauen kann. Die Kaskade wird verkürzt: kurze<br />

Kaskade, gute Kontrolle. Man braucht noch nicht einmal zu<br />

warten, bis der Fehler passiert ist. Man kann <strong>und</strong> sollte das<br />

schon vorher machen.<br />

Und wenn man schon vorher weiß, dass Regeln verletzt<br />

werden?<br />

Eine britische Studie deckte auf: 71 Prozent der Unternehmen<br />

glauben, dass es wahrscheinlich ist, dass Menschenrechtsverletzungen<br />

zu einem bestimmten Zeitpunkt in ihrem komplexen<br />

Lieferantennetzwerk stattfinden. Man kann in den meisten<br />

Gütern unserer modernen, globalen <strong>Wirtschaft</strong> also davon<br />

ausgehen, dass irgendwo in der Supply Chain Zwangsarbeit<br />

oder eklatante Sicherheitsverstöße oder andere Missstände<br />

versteckt sind.<br />

Beispiel E-Mobilität. E-Autos brauchen Lithium-Ionen-Akkus,<br />

die wiederum Kobalt benötigen. Bei einem Smartphone sind das<br />

noch ca. zehn Gramm. Bei einem Auto dagegen fünf bis zehn<br />

Kilogramm. Kobalt stammt zu 60 Prozent aus der Demokratischen<br />

Republik Kongo mit ihren zwar nicht durchgängigen, aber<br />

allgemein bekannten Menschenrechtsverstößen wie Zwangs<strong>und</strong><br />

Kinderarbeit <strong>und</strong> unwürdigen Arbeitsbedingungen. Wer<br />

also Kobalt bezieht – <strong>und</strong> beim zu erwartenden E-Auto-Boom<br />

werden das Zehntausende von Tonnen sein – der kann fest<br />

davon ausgehen, dass Menschen dafür bluten müssen. Und<br />

nicht im übertragenen Sinne. Es sei denn,<br />

• man bezieht, wie erwähnt, direkt aus der Mine <strong>und</strong> kontrolliert<br />

sie als Hersteller selber.<br />

• Man kauft ausschließlich bei zertifizierten Minen mit einem<br />

glaubwürdigen, keinem Marketing-Zertifikat.<br />

• Man lässt die Mine von dritter,<br />

unabhängiger Seite zertifizieren<br />

<strong>und</strong> auditieren – also<br />

nicht unbedingt von den<br />

eigenen Mitarbeitern des<br />

Herstellers.<br />

Diese Maßnahmen erscheinen<br />

simpel, haben<br />

es aber in sich:<br />

Seit 2016 hat sich<br />

der Kobalt-Preis vervierfacht.<br />

Die Sicherstellung<br />

der Beschaffung<br />

aus sauberen<br />

Minen ist dabei<br />

natürlich besonders<br />

teuer. Das<br />

gilt auch für andere<br />

saubere Materialien. Wenn<br />

bei den herrschenden Preiskämpfen<br />

auf den Endverbraucher-Märkten<br />

sich ein Hersteller also<br />

zu dem Bezug <strong>und</strong> der Sicherstellung<br />

von sauberen Materialien entschließt,<br />

bezahlt er im Sinne des Wortes teuer dafür.<br />

Und sollte dafür gelobt werden. Tut die Politik das? Die<br />

Presse, das Internet? Tun wir das? Nein, wir bestrafen den<br />

Hersteller im Gegenteil sogar noch, indem wir den Kauf<br />

verweigern, wenn das saubere Produkt auch nur einige Cent<br />

teurer ist als das Konkurrenzprodukt, für das Menschen bluten.<br />

Umso dringender sollte die Politik den Einsatz von sauberen<br />

Vorprodukten gesetzlich vorantreiben. Umso dringender<br />

sollten wir Konsumenten uns im Internet k<strong>und</strong>ig machen, an<br />

welchen unserer Einkäufe Blut klebt. Und umso dringender<br />

sollten Unternehmen selber darauf achten <strong>und</strong> nicht auf den<br />

nächsten Shitstorm warten, der sie weitaus mehr kosten kann<br />

als die Wahrung der <strong>Menschenrechte</strong>.<br />

Was tun bei Asymmetrie im Markt?<br />

Was können wir K<strong>und</strong>en schon gegen die großen Konzerne<br />

ausrichten? Die sind doch viel mächtiger als wir! Sie wissen auch<br />

mehr als wir. Wobei gerade diese Informations-Asymmetrie<br />

in den letzten Jahren radikal abgenommen hat: dem Internet<br />

sei Dank. Schon 20 Minuten lockerer Google-Recherche sagen<br />

jedem Nutzer mehr über jede Supply Chain als 20 Jahre Konsum<br />

von TV-Werbespots. Das gilt auch für die Macht-Asymmetrie.<br />

Gerade einige Handy-Hersteller erlebten in den letzten Jahren<br />

so heftige Shitstorms nach eklatanten Verletzungen der<br />

<strong>Menschenrechte</strong> bei ihren Lieferanten, dass in der Folge zwar<br />

keine Arbeiterparadiese entstanden, sich aber vieles stark<br />

26 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


MENSCHENRECHTE<br />

verbessert hat. David kann<br />

sehr wohl etwas gegen Goliath<br />

ausrichten. Wenn er<br />

den Hintern hochkriegt.<br />

Das ist das Problem.<br />

Dieses Problem illustriert<br />

ein zugegebenermaßen<br />

krasses Beispiel aus<br />

Kalifornien. Dort sind<br />

Unternehmen durch<br />

die des „California<br />

Transparency in<br />

Supply Chains<br />

Acts“ gesetzlich<br />

verpflichtet, darüber<br />

zu berichten,<br />

was sie für<br />

die Einhaltung der<br />

<strong>Menschenrechte</strong> in ihrer<br />

Lieferkette tun. Wer nicht<br />

veröffentlicht, wird bestraft.<br />

Also kommen viele Unternehmen<br />

der gesetzlichen Publikationspflicht nach,<br />

indem sie sinngemäß folgende Meldung veröffentlichen:<br />

„Was die <strong>Menschenrechte</strong> angeht, so unternehmen<br />

wir nichts“. Kein Scherz! Was schon schlimm genug ist.<br />

Aufrichtigkeit danken. Wir sollten ihm eine zweite Chance<br />

geben <strong>und</strong> ihm eher vertrauen als einem Mitbewerber, der zwar<br />

auch Leichen im Keller hat, aber gerissen genug ist, diese in aller<br />

Stille zu beerdigen oder weiter zu verschweigen. Wir sollten<br />

das vor allem bei Produkten praktizieren, bei deren Rohstoffen<br />

<strong>und</strong> Vorprodukten das Risiko einer Menschenrechtsverletzung<br />

überwältigend groß ist. Wir sollten etwas für unsere Zeit recht<br />

Absurdes tun: Wir sollten beginnen, Ehrlichkeit, Transparenz<br />

<strong>und</strong> Aufrichtigkeit nicht nur zu fordern, sondern auch zu<br />

belohnen. Gemacht wird, was belohnt wird.<br />

Es kommt noch schlimmer: Nichts passiert nach der Veröffentlichung.<br />

Kein Umsatzeinbruch, kein Shitstorm, keine<br />

öffentliche Entrüstung. Der Endk<strong>und</strong>e kauft einfach munter<br />

weiter. Wir sind (mehrheitlich) nicht besser als die Rechtsbrecher,<br />

die wir mit unserem Verhalten decken.<br />

Wie ehrlich darf ein Unternehmen sein?<br />

Angenommen, ein Unternehmen findet nach reiflicher Recherche<br />

heraus, dass der Lieferant eines Lieferanten eines<br />

Lieferanten die <strong>Menschenrechte</strong> verletzt. Soll das Unternehmen<br />

das publik machen mit der gleichzeitigen Ankündigung, den<br />

Missstand umgehend zu beheben? Und die übliche, reflexhafte<br />

Politik-, Medien- <strong>und</strong> Internet-Empörungshysterie über sich<br />

ergehen lassen, die immer nur den Missstand geißelt <strong>und</strong> völlig<br />

übersieht, dass dieser erst entdeckt werden muss, bevor er<br />

behoben werden kann? Anders gefragt: Wer ist schon ehrlich,<br />

wenn Ehrlichkeit bestraft wird? Warum wohl sind sämtliche<br />

<strong>Wirtschaft</strong>sskandale der letzten Zeit erst nach Jahren an die<br />

Öffentlichkeit gedrungen?<br />

ÜBER DIE AUTORIN<br />

Prof. Dr.-Ing. Evi Hartmann ist Inhaberin des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre,<br />

insbesondere Supply Chain Management,<br />

an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.<br />

Wenn ein Unternehmen so ehrlich ist, Verletzungen der<br />

<strong>Menschenrechte</strong> in seiner Lieferkette öffentlich zu machen<br />

<strong>und</strong> nachvollziehbare Besserung anzukündigen, sollten wir<br />

Hysterie <strong>und</strong> Häme zügeln <strong>und</strong> dem Unternehmen für seine<br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

27


AGENDA<br />

SDG Tools & News<br />

Unternehmen <strong>und</strong> <strong>Menschenrechte</strong>:<br />

Monitoring startet<br />

Ende 2016 wurde der „Nationale Aktionsplan zur Umsetzung<br />

der VN (Vereinte Nationen)-Leitprinzipien für <strong>Wirtschaft</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Menschenrechte</strong> (2016-2020)“ (NAP) im B<strong>und</strong>eskabinett<br />

verabschiedet. Der NAP sieht ein Monitoringverfahren zur<br />

Überprüfung des Umsetzungsstandes menschenrechtlicher<br />

Sorgfaltsprüfungen in deutschen Unternehmen vor. Mit der<br />

Durchführung dieses Monitorings hat das Auswärtige Amt<br />

nun EY in Zusammenarbeit mit einem Konsortium bestehend<br />

aus Adelphi, der Systain Consulting <strong>und</strong> focusright beauftragt.<br />

Die B<strong>und</strong>esregierung definiert mit dem NAP die Verantwortung<br />

von deutschen Unternehmen für die Achtung der <strong>Menschenrechte</strong>.<br />

Dabei formuliert sie ihre Erwartung bezüglich<br />

der Einhaltung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht für<br />

Unternehmen <strong>und</strong> die Achtung der <strong>Menschenrechte</strong> entlang<br />

unternehmerischer Liefer- <strong>und</strong> Wertschöpfungsketten.<br />

Die Überprüfung des Umsetzungsstandes hinsichtlich der in<br />

Kapitel III des NAP beschriebenen Elemente menschenrechtlicher<br />

Sorgfalt durch Unternehmen erfolgt durch eine ab <strong>2018</strong><br />

jährlich durchzuführende Erhebung. Anhand des Monitorings<br />

wird nach wissenschaftlichen Standards überprüft, ob im Jahr<br />

2020 mindestens 50 Prozent aller in <strong>Deutschland</strong> ansässigen<br />

Unternehmen mit über 500 sozialversicherungspflichtigen<br />

Beschäftigten die Erwartungen der B<strong>und</strong>esregierung in Bezug<br />

auf die unternehmerische Sorgfaltspflicht erfüllen.<br />

In der ersten Phase des Projektes werden Hintergr<strong>und</strong>gespräche<br />

mit Unternehmen geführt, wofür das Konsortium noch<br />

Unternehmen sucht, die sich dafür bereit erklären. Unternehmen,<br />

die Interesse daran haben, können sich unter der<br />

E-Mail-Adresse nap.monitoring@de.ey.com melden.<br />

B<strong>und</strong>estags-Petitionsausschuss zu NAP<br />

Der Petitionsausschuss des Deutschen B<strong>und</strong>estages setzt sich<br />

für eine konsequente Umsetzung des Nationalen Aktionsplans<br />

<strong>Wirtschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Menschenrechte</strong> 2016-2020 (NAP) ein, der sich<br />

an den Leitprinzipien der Vereinten Nationen für <strong>Wirtschaft</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Menschenrechte</strong> orientiert. In der Sitzung im November<br />

<strong>2018</strong> beschlossen die Abgeordneten daher, eine dahingehende<br />

Petition dem B<strong>und</strong>esministerium für <strong>Wirtschaft</strong> <strong>und</strong> Energie<br />

als Material zu überweisen.<br />

Mit der Petition wird gefordert, dass der Vertrieb durch international<br />

tätige Unternehmen in <strong>Deutschland</strong> reguliert wird<br />

<strong>und</strong> Unternehmen, welche aktiv <strong>Menschenrechte</strong> verletzen<br />

oder im Ausland nicht gemäß deutscher Arbeitsschutzbestimmungen<br />

produzieren, sanktioniert werden. Zur Begründung<br />

ihres Anliegens verweisen die Petenten auf die durch einen<br />

großen Mineralölkonzern am Nigerdelta zu verantwortenden<br />

Trinkwasserverunreinigungen. Zudem würden Milizen finanziert,<br />

die „mit gewaltiger Schlagkraft die Gebiete enteignen <strong>und</strong><br />

für die Konzerne annektieren“ würden. Andere Unternehmen<br />

ließen im Ausland – wie etwa in Bangladesch – produzieren,<br />

weil dort Kinderarbeit nicht verboten sei <strong>und</strong> die Unfallverhütung<br />

nicht dem deutschen Standard entspräche. Es sei nicht<br />

nachvollziehbar, dass die B<strong>und</strong>esregierung dagegen nichts<br />

unternehme, heißt es in der Petition.<br />

Wie der Ausschuss in der Begründung zu seiner Beschlussempfehlung<br />

schreibt, setzt sich aber die B<strong>und</strong>esregierung in<br />

verschiedener Weise dafür ein, „dass die Nachhaltigkeit in den<br />

Lieferketten verbessert wird“. So unterstützt die B<strong>und</strong>esregierung<br />

der Vorlage zufolge die von der EU-Kommission verfolgte<br />

wertegeleitete Handels- <strong>und</strong> Investitionspolitik. Dazu zählten<br />

insbesondere auch die Berücksichtigung von Nachhaltigkeits<strong>und</strong><br />

Menschenrechtsaspekten. Darüber hinaus unterstütze<br />

die B<strong>und</strong>esregierung die OECD-Leitsätze für Multinationale<br />

Unternehmen.<br />

Ein wichtiges Instrument, um einen Beitrag für die nachhaltige<br />

Gestaltung der <strong>Global</strong>isierung zu leisten, sei auch der NAP,<br />

schreibt der Petitionsausschuss. „Die B<strong>und</strong>esregierung erwartet<br />

von allen Unternehmen, den im NAP beschriebenen Prozess<br />

der unternehmerischen Sorgfalt mit Bezug auf die Achtung der<br />

<strong>Menschenrechte</strong> in einer ihrer Größe, Branche <strong>und</strong> Position<br />

in der Liefer- <strong>und</strong> Wertschöpfungskette angemessenen Weise<br />

einzuführen“, heißt es in der Vorlage. Die Abgeordneten verweisen<br />

in diesem Zusammenhang auf den Koalitionsvertrag<br />

28 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


MENSCHENRECHTE<br />

von CDU, CSU <strong>und</strong> SPD, in dem es heißt: „Falls die wirksame<br />

<strong>und</strong> umfassende Überprüfung des NAP 2020 zu dem Ergebnis<br />

kommt, dass die freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen<br />

nicht ausreicht, werden wir national tätig werden <strong>und</strong><br />

uns für eine EU-weite Regelung einsetzen.“ Dies wird durch<br />

den Petitionsausschuss „ausdrücklich begrüßt“. Die Petition,<br />

so schreiben die Abgeordneten, sollte in die Überprüfung des<br />

NAP 2020 einbezogen werden.<br />

Mazars <strong>und</strong> Shift veröffentlichen Prüfungsrichtlinie für<br />

<strong>Menschenrechte</strong><br />

Da Unternehmen zunehmend für ihren weitreichenden Einfluss<br />

auf die Gesellschaft verantwortlich gemacht werden, haben<br />

Mazars <strong>und</strong> Shift jetzt eine umfassende Prüfungsrichtlinie für<br />

<strong>Menschenrechte</strong> veröffentlicht. Diese gibt Unternehmen zum<br />

ersten Mal in der Geschichte eine Orientierung darüber, wie sie<br />

ihre Informationen über die Einhaltung von <strong>Menschenrechte</strong>n<br />

im Einklang mit internationalen Standards bereitstellen.<br />

Die neue Prüfungsrichtlinie, die die internationale <strong>Wirtschaft</strong>sprüfungs-<br />

<strong>und</strong> Beratungsgesellschaft Mazars zusammen mit der<br />

führenden gemeinnützigen Vereinigung für <strong>Menschenrechte</strong>,<br />

Shift, über mehrere Jahre hinweg entwickelt hat, unterstützt<br />

das UN Guiding Principles Reporting Framework aus dem<br />

Jahr 2015. Dieses ist der weltweit einzige Berichtsrahmen<br />

für Unternehmen, die sich umfassend an den international<br />

gültigen UN Guiding Principles on Business and Human Rights<br />

orientieren. Die neue Richtlinie unterstützt die interne Revision<br />

von Unternehmen dabei, die Geschäftstätigkeit im Einklang<br />

mit der Einhaltung von <strong>Menschenrechte</strong>n zu gewährleisten.<br />

Zugleich unterstützt sie externe Prüfungsunternehmen bei<br />

der Überwachung der Berichterstattung zur Einhaltung der<br />

<strong>Menschenrechte</strong>.<br />

„Derartige Anforderungen verleihen Interner Revision <strong>und</strong><br />

externer Prüfung heute größere Bedeutung als je zuvor“, sagt<br />

Kai Beckmann, Director Compliance, Risk & Responsibility<br />

bei Roever Broenner Susat Mazars in <strong>Deutschland</strong>. „Umso<br />

wichtiger ist die nachhaltige Unterstützung der Einführung<br />

der neuen Prüfungsrichtlinie zur Einhaltung der <strong>Menschenrechte</strong><br />

durch die <strong>Global</strong> and Chartered Institutes of Internal<br />

Auditors. Als professionelle Berater können wir die Frage der<br />

<strong>Menschenrechte</strong> nicht länger umgehen, sondern müssen sie<br />

effektiv in unsere beruflichen Fähigkeiten integrieren. Der<br />

neue Standard trägt dazu bei, diesen Anspruch umzusetzen.“<br />

Caroline Rees, Präsidentin von Shift, erläutert: „Diese Prüfungsrichtlinien<br />

tragen dazu bei, dass die Arbeit fachk<strong>und</strong>iger<br />

Prüfer bei der Förderung von Arbeitnehmern, Gemeinden <strong>und</strong><br />

anderen Interessengruppen, die von der Geschäftstätigkeit eines<br />

Unternehmens betroffen sind, eine wertvolle Rolle spielt <strong>und</strong><br />

für das Unternehmen mittel- <strong>und</strong> langfristig Mehrwert schafft“.<br />

Nützliche Links<br />

Human Rights Due Diligence Infoportal<br />

Das Human Rights Due Diligence Portal unterstützt Sie<br />

beim Management menschrechtlicher Sorgfaltspflichten.<br />

Die Website steht Ihnen in deutscher <strong>und</strong> englischer<br />

Sprache zur Verfügung.<br />

mr-sorgfalt.de<br />

NAP Helpdesk<br />

Mit dem Nationalen Aktionsplan <strong>Wirtschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Menschenrechte</strong><br />

hat die B<strong>und</strong>esregierung die Einrichtung<br />

des NAP Helpdesk <strong>Wirtschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Menschenrechte</strong> als<br />

Angebot für Unternehmen vorgesehen, um Unternehmen<br />

<strong>und</strong> Verbände bei der Umsetzung der Vorgaben aus<br />

dem NAP, insbesondere hinsichtlich der Kernelemente<br />

menschenrechtlicher Sorgfalt, zu unterstützen. Der NAP<br />

Helpdesk wurde im Oktober 2017 eröffnet <strong>und</strong> steht allen<br />

Unternehmen <strong>und</strong> Verbänden zur Verfügung.<br />

wirtschaft-entwicklung.de/nachhaltigkeit/<br />

UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Human Rights Capacity<br />

Diagnostic<br />

This section helps you explore how your company tracks<br />

and monitors the effectiveness of its human rights due<br />

diligence activities and how it communicates publicly<br />

about its approach and results.<br />

https://bit.ly/2RWbJ1N<br />

OECD Nationale Kontaktstelle<br />

Die OECD-Leitsätze sehen vor, dass alle Mitgliedsstaaten<br />

<strong>und</strong> Teilnehmerländer Nationale Kontaktstellen (NKS)<br />

einrichten. Die NKS haben die Aufgabe, die Leitsätze bekannt<br />

zu machen, über deren Inhalte zu informieren <strong>und</strong><br />

die Einhaltung der Leitsätze zu fördern. Zudem fungiert<br />

die NKS als Beschwerdestelle. Jeder, der ein berechtigtes<br />

Interesse hat, kann dort eine Beschwerde wegen möglicher<br />

Verletzungen der Leitsätze durch ein Unternehmen<br />

einreichen.<br />

www.oecd-nks.de<br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

29


GOOD PRACTICE<br />

Good Practice<br />

Für die redaktionellen Beiträge dieser Rubrik sind ausschließlich die Unternehmen <strong>und</strong> ihre Autoren selbst verantwortlich.<br />

32<br />

ALDI<br />

34<br />

BASF<br />

36<br />

Bayer<br />

38<br />

Bosch<br />

40<br />

Boxon<br />

42<br />

CEWE<br />

44<br />

Daimler<br />

46<br />

DAW<br />

48<br />

Deutsche Telekom<br />

50<br />

E.ON<br />

52<br />

Evonik<br />

54<br />

EY<br />

56<br />

Grönwoldt & Partner<br />

30 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


58<br />

HOCHBAHN<br />

60<br />

iPoint-systems<br />

62<br />

ista<br />

64<br />

Löning<br />

66<br />

Lufthansa Group<br />

68<br />

Lyreco <strong>Deutschland</strong><br />

70<br />

macondo publishing<br />

72<br />

MAN<br />

74<br />

Mazars<br />

76<br />

Merck<br />

78<br />

Symrise<br />

80<br />

TÜV Rheinland<br />

82<br />

Weidmüller<br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

31


GOOD PRACTICE<br />

ALDI geht auf Verpackungsmission:<br />

Offensive gegen<br />

Plastikabfälle<br />

Allein in Europa fallen jedes Jahr r<strong>und</strong> 25 Millionen Tonnen Plastikabfälle an. Vieles davon<br />

verschmutzt die Ozeane: Fast 90 Prozent aller Strandabfälle bestehen aus Plastik. Eine wichtige<br />

Zukunftsaufgabe für den Handel ist es, Verpackungsabfälle zu reduzieren <strong>und</strong> Verpackungen<br />

nachhaltiger zu gestalten. Die Discounter ALDI Nord <strong>und</strong> ALDI SÜD gehen hierbei mit gutem<br />

Beispiel voran: Mit der „ALDI Verpackungsmission“ wollen sie ihre Produktverpackungen<br />

deutlich reduzieren <strong>und</strong> nachhaltig verbessern.<br />

Von Serra Schlesinger, Leiterin Unternehmenskommunikation ALDI Nord, <strong>und</strong> Kirsten Geß, Leiterin Unternehmenskommunikation ALDI SÜD<br />

Wohin mit dem Plastikmüll? Diese Frage<br />

beschäftigt seit Anfang <strong>2018</strong> auch<br />

die Europäische Kommission intensiv.<br />

Mit ihrer Plastikstrategie will sie bis<br />

2030 alle Kunststoffverpackungen auf<br />

dem EU-Markt recyclingfähig machen.<br />

Bislang liegt dieser Anteil bei weniger<br />

als 30 Prozent. „Wenn wir nicht die Art<br />

<strong>und</strong> Weise ändern, wie wir Kunststoffe<br />

herstellen <strong>und</strong> verwenden, wird 2050 in<br />

unseren Ozeanen mehr Plastik schwimmen<br />

als Fische“, warnt Kommissions-<br />

Vizepräsident Frans Timmermans. „Die<br />

einzige langfristige Lösung besteht darin,<br />

Kunststoffabfälle zu reduzieren, indem<br />

wir sie verstärkt recyceln <strong>und</strong> wiederverwenden.“<br />

Auf dem Weg zu weniger Plastik<br />

Im Umgang mit ihren Verpackungen<br />

verfolgen die Unternehmensgruppen<br />

ALDI Nord <strong>und</strong> ALDI SÜD eine klare<br />

Strategie: „Verpackungen stellen eine<br />

große Herausforderung für die Umwelt<br />

dar. Deswegen setzen wir uns bereits<br />

seit vielen Jahren überall im Unternehmen<br />

dafür ein, Verpackungsmaterial<br />

zu reduzieren“, so Philipp Skorning,<br />

Group Buying Director bei ALDI SÜD,<br />

verantwortlich für Qualitätswesen &<br />

Corporate Responsibility.<br />

Wie bedeutend das Thema ist, zeigt<br />

der alltägliche Einkauf im Supermarkt,<br />

bei dem uns viele verschiedene Verpackungen<br />

begegnen. Gänzlich darauf zu<br />

verzichten, ist allerdings keine Lösung:<br />

Verpackungen gewährleisten den Schutz<br />

der Produkte vor äußeren Einflüssen,<br />

erhalten ihre Qualität <strong>und</strong> verlängern<br />

die Haltbarkeit.<br />

So prüfen die beiden Discounter stetig,<br />

wie viel Verpackungsmaterial bei<br />

ihren Produkten notwendig ist. Dafür<br />

entwickelten sie sogar ein eigenes Bewertungssystem:<br />

„Um unsere Verpackungen<br />

recyclingfähiger zu gestalten, bewerten<br />

wir gemeinsam mit unseren Lieferanten<br />

<strong>und</strong> Fachexperten alle Eigenmarken-<br />

Verpackungen. Wir prüfen systematisch,<br />

inwiefern sie sich nachhaltiger gestalten<br />

lassen, um unsere anspruchsvollen<br />

Verpackungsziele zu erreichen“, erklärt<br />

Rayk Mende, Geschäftsführer Corporate<br />

Responsibility bei ALDI Nord.<br />

Erfolgreiches Engagement<br />

„Wir haben gemeinsam schon viel erreicht.<br />

In den letzten fünf Jahren haben<br />

wir r<strong>und</strong> zehn Prozent an Verpackungsmenge<br />

bei unseren Eigenmarkenprodukten<br />

eingespart“, so Philipp Skorning.<br />

„Obst <strong>und</strong> Gemüse transportieren wir<br />

überwiegend in Mehrwegkisten. So haben<br />

wir in 2017 zusammen mehr als<br />

120 Millionen Pappkartons eingespart<br />

<strong>und</strong> konnten damit r<strong>und</strong> 50.000 Tonnen<br />

Treibhausgas-Emissionen vermeiden.“<br />

Auch in puncto Recycling hat sich einiges<br />

getan. Die Recyclingrate für in den<br />

Filialen <strong>und</strong> Logistikzentren anfallendes<br />

Papier, Pappe, Kartonagen <strong>und</strong> Kunst-<br />

32 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


stofffolien beträgt bei ALDI Nord <strong>und</strong><br />

ALDI SÜD seit 2014 nahezu 100 Prozent.<br />

Bei beiden Discountern erhalten K<strong>und</strong>en<br />

seit Oktober 2017 eine neue, langlebige<br />

Mehrwegtragetasche aus mindestens 80<br />

Prozent Rezyklat, die mit dem Blauen<br />

Engel zertifiziert ist. Die Tasche ist zu<br />

100 Prozent recyclingfähig <strong>und</strong> wird in<br />

einem geschlossenen Materialkreislauf in<br />

<strong>Deutschland</strong> hergestellt, was wiederum<br />

Treibhausgase einspart.<br />

Verpackungsstrategie: Vermeiden.<br />

Wiederverwenden. Recyceln.<br />

Diese Erfolge im Kampf gegen Verpackungsabfälle<br />

sind für die beiden Handelshäuser<br />

ein Ansporn, diesen Weg gemeinsam<br />

weiter zu gehen. <strong>2018</strong> starteten<br />

sie das Gemeinschaftsprojekt „Die ALDI<br />

Verpackungsmission: Vermeiden. Wiederverwenden.<br />

Recyceln“. Darin verabschiedeten<br />

sie eine Verpackungsstrategie<br />

mit konkreten Zielen <strong>und</strong> Maßnahmen.<br />

Insgesamt soll bis zum Jahr 2025 der<br />

Materialeinsatz aller Eigenmarken-Verpackungen<br />

– relativ zum Umsatz – um<br />

30 Prozent reduziert werden. Zusätzlich<br />

sollen alle Eigenmarken-Verpackungen<br />

bis 2022 recyclingfähig sein. „Die Steigerung<br />

der Recyclingfähigkeit hat auf<br />

unserer Agenda bereits höchste Priorität.<br />

Mit der Strategie <strong>und</strong> der konkreten<br />

Zielsetzung setzen wir unser Engagement<br />

gegen Verpackungsabfall nun noch<br />

konsequenter fort“, erklärt Rayk Mende.<br />

Weniger Verpackung, anderes<br />

Material<br />

<strong>und</strong> eine zusätzliche Umverpackung ist<br />

nicht nötig.<br />

Auch im Hinblick auf die Materialien haben<br />

sich die beiden Unternehmensgruppen<br />

Gedanken gemacht. So stellten sie<br />

sukzessive bei Tiefkühl-Fischprodukten<br />

den Einsatz von Garschalen aus Aluminium<br />

auf die ökologischeren Pappschalen<br />

um. Zudem konnten sie bei ihren Getränkeflaschen<br />

sowohl bei den Verschlussdeckeln<br />

als auch bei der Flasche selbst<br />

Material reduzieren. Positiver Nebeneffekt:<br />

Durch geringeres Gewicht beim<br />

Transport der Getränkeflaschen werden<br />

weniger Treibhausgas-Emissionen in die<br />

Umwelt ausgestoßen.<br />

Mehrweg statt Einweg<br />

ALDI Nord <strong>und</strong> ALDI SÜD sind die ersten<br />

großen Lebensmittelhändler in <strong>Deutschland</strong>,<br />

die seit Ende <strong>2018</strong> komplett auf Einwegtragetaschen<br />

aus Plastik <strong>und</strong> Papier<br />

verzichten. Was viele nicht wissen: Auch<br />

die Produktion einer Papiertragetasche<br />

ist in Sachen Nachhaltigkeit nicht viel<br />

umweltverträglicher als die einer Plastiktüte.<br />

Seit Ende <strong>2018</strong> bieten ALDI Nord<br />

<strong>und</strong> ALDI SÜD ausschließlich Tragetaschen<br />

nach dem „Mehrwegprinzip“ an.<br />

„2019 wird die klassische ALDI Tüte endgültig<br />

in die Geschichte<br />

eingehen“, betonen<br />

die beiden Unternehmensgruppen.<br />

Nicht nur bei ihren Tragetaschen reduzieren<br />

die Discounter Einwegkunststoffe:<br />

Ein wichtiger Baustein der Verpackungsmission<br />

ist es, Einwegplastik-Artikel wie<br />

Partygeschirr oder Strohhalme systematisch<br />

auf nachhaltige Materialen umzustellen<br />

oder durch Mehrwegvarianten<br />

zu ersetzen.<br />

Mit ihren ambitionierten Zielen unterstützen<br />

die beiden Lebensmittelkonzerne<br />

ausdrücklich die Europäische Kommission.<br />

„Mit der Zielsetzung, dass 100<br />

Prozent unserer Verpackungen bis 2022<br />

recyclingfähig werden sollen, fördern<br />

wir den wichtigen Ausbau der Kreislaufwirtschaft<br />

in <strong>Deutschland</strong>“, betonen sie.<br />

„Damit liegen wir sogar zeitlich noch<br />

deutlich vor den angestrebten<br />

Plänen der EU-<br />

Kommission.“<br />

Obst <strong>und</strong> Gemüse steht dabei besonders<br />

im Fokus. Die Discounter planen die<br />

Verpackungsmenge – unter Berücksichtigung<br />

der Produktqualität <strong>und</strong> der<br />

Lebensmittelverluste – größtmöglich<br />

zu reduzieren. Gleichzeitig ist geplant,<br />

das Angebot an unverpacktem Obst <strong>und</strong><br />

Gemüse stetig auszubauen. ALDI SÜD<br />

testet im Bereich Bio-Obst <strong>und</strong> -Gemüse<br />

außerdem das sogenannte „Natural<br />

Branding“. Mithilfe eines Laserverfahrens<br />

erhalten Bio-Gurken oder -Avocados<br />

eine Kennzeichnung auf der Schale. Diese<br />

zeigt den K<strong>und</strong>en, dass es sich um<br />

ein Produkt in Bio-Qualität handelt. So<br />

sind alle wichtigen Informationen direkt<br />

auf dem Lebensmittel zu erkennen<br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

Die ALDI Verpackungsmission<br />

Vermeiden.<br />

Wiederverwenden.<br />

Recyceln.<br />

33


GOOD PRACTICE<br />

Digitalisierung – Chancen<br />

für Nachhaltigkeit<br />

Chemie ist eine Zukunftsbranche – mit innovativen <strong>und</strong> nachhaltigen Lösungen für ihre<br />

K<strong>und</strong>en in allen Industrien. Die Digitalisierung eröffnet Chancen in Forschung <strong>und</strong> Entwicklung,<br />

in der Produktion <strong>und</strong> der gesamten Wertschöpfungskette. Durch die Nutzung von digitalen<br />

Technologien <strong>und</strong> Daten steigern wir die Effizienz <strong>und</strong> Effektivität unserer Prozesse. So<br />

sparen wir Ressourcen – Energie, Rohstoffe <strong>und</strong> Zeit – <strong>und</strong> helfen auch unseren K<strong>und</strong>en,<br />

ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.<br />

Von Frithjof Netzer, Senior Vice President, Head of Project BASF 4.0, <strong>und</strong> Dirk Voeste, Vice President, Head of Sustainability Strategy, BASF<br />

Eine dynamische lnnovationskultur<br />

Indem wir die Möglichkeiten der Digitalisierung<br />

voll ausschöpfen, stärken wir<br />

unsere Innovationskraft. Die Verarbeitung<br />

großer Datenmengen hilft bei der<br />

Entwicklung neuer <strong>und</strong> nachhaltiger<br />

Lösungen. Der digitale Ansatz bei BASF<br />

verbindet virtuelle Modellierung <strong>und</strong><br />

Computersimulation mit physischen<br />

Experimenten im Labor. Simulationen<br />

helfen bei der Ausarbeitung von Experimenten<br />

<strong>und</strong> erleichtern Vorhersagen,<br />

während Experimente messbare Ergebnisse<br />

liefern <strong>und</strong> die Computermodelle<br />

auswerten. Dadurch gewinnen wir ein<br />

besseres Verständnis chemischer Produkte<br />

<strong>und</strong> Prozesse. In unseren Forschungs<strong>und</strong><br />

Entwicklungsaktivitäten werden wir<br />

schneller <strong>und</strong> unser Angebot können wir<br />

besser auf die spezifischen K<strong>und</strong>enanforderungen<br />

einstellen.<br />

Supercomputer<br />

Ein wichtiges Instrument unserer digitalen<br />

Innovationskraft ist der Supercomputer<br />

„Quriosity“, den wir im Oktober 2017<br />

in Ludwigshafen in Betrieb genommen<br />

haben. Mit einer Rechenleistung von<br />

1,75 Petaflops (1 Petaflops entspricht<br />

einer Billiarde Rechenoperationen pro<br />

Sek<strong>und</strong>e) bietet der neue Computer eine<br />

etwa zehnmal höhere Rechenleistung<br />

als bisher bei BASF insgesamt für wissenschaftliches<br />

Rechnen zur Verfügung<br />

stand. Insgesamt verging etwas über<br />

ein Jahr von den ersten internen Planungsgesprächen<br />

bis zum Start der ersten<br />

Rechnungen.<br />

Mit Quriosity ist die Berechnung sehr viel<br />

komplexerer Modelle möglich, bei denen<br />

deutlich mehr Parameter variiert werden<br />

können. Insgesamt wird so nicht nur eine<br />

signifikant kürzere Entwicklungsdauer<br />

möglich, sondern es können auch bislang<br />

verborgene Zusammenhänge erkannt<br />

<strong>und</strong> genutzt werden.<br />

Ein Anwendungsbeispiel unseres neuen<br />

Supercomputers sind molekulare Simulationen<br />

von Tensid-Formulierungen.<br />

Tenside sind ein wesentlicher Bestandteil<br />

vieler Produkte des täglichen Lebens wie<br />

zum Beispiel Wasch- <strong>und</strong> Reinigungsmittel<br />

oder Hautcremes. Tenside beeinflussen<br />

zum Beispiel, wie stark ein Waschmittel<br />

schäumt oder wie gut sich eine Creme<br />

auf der Haut verteilen lässt. Selbst in sehr<br />

niedrigen Konzentrationen können Tenside<br />

Strukturen bilden, die die Leistung<br />

eines Produktes wesentlich beeinflussen.<br />

Dank der enormen Rechenleistung von<br />

Quriosity können wir nun Tensidsysteme<br />

genau studieren <strong>und</strong> damit die<br />

Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsteams<br />

dabei unterstützen, in kürzerer Zeit neue,<br />

nachhaltigere Formulierungen für Wasch<strong>und</strong><br />

Reinigungsmittel sowie für Körperpflegeprodukte<br />

zu entwickeln, die dann<br />

den sparsameren Einsatz ermöglichen.<br />

Smart Manufacturing<br />

Durch den Einsatz von digitalen Technologien<br />

<strong>und</strong> die verstärkte Nutzung<br />

von Daten erhöhen wir außerdem die<br />

Effektivität unserer Anlagen <strong>und</strong> die<br />

Effizienz unserer Produktionsprozesse.<br />

Mit mobilen Endgeräten haben wir<br />

Zugang zu relevanten Informationen<br />

für unsere tägliche Arbeit. Digital vernetzte<br />

Produktionsprozesse verhindern<br />

34 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


z.B. ungeplante Anlagenstillstände. So<br />

vermeiden wir Ineffizienzen <strong>und</strong> Emissionen,<br />

die bei ungeplanten Abstellungen<br />

entstehen können. Die Verknüpfung von<br />

Produktions- <strong>und</strong> Geschäftsprozessen<br />

ermöglicht uns außerdem, schneller <strong>und</strong><br />

besser Entscheidungen zu treffen <strong>und</strong><br />

Ressourcen besser zu nutzen.<br />

Beispielsweise geht es bei der Anwendung<br />

„Predictive Maintenance“ um die<br />

Vorhersage des Funktionszustands von<br />

kritischen Anlagenteilen <strong>und</strong> Komponenten<br />

wie zum Beispiel Verdichter oder<br />

Wärmetauschern. Mit Hilfe von Sensoren<br />

werden Live-Daten über Betriebszustände<br />

ermittelt <strong>und</strong> mit einer speziellen<br />

Analyse-Software – unter Einbeziehung<br />

historischer Prozessdaten – modelliert<br />

<strong>und</strong> ausgewertet. Unser Ziel: die Vorhersage<br />

des optimalen Zeitpunkts für<br />

Instandhaltungsmaßnahmen. So können<br />

wir ungeplante Reparaturen <strong>und</strong> Ausfälle<br />

reduzieren, Anlagenteile länger nutzen<br />

<strong>und</strong> die Abstimmung von Instandhaltungs-<br />

<strong>und</strong> Produktionsprozessen optimieren.<br />

Im Steamcracker, in dem viele<br />

wichtige chemische Gr<strong>und</strong>bausteine für<br />

die weitere Produktion bei BASF entstehen,<br />

erfassen mehrere Tausend Sensoren<br />

r<strong>und</strong> um die Uhr Prozessdaten wie etwa<br />

Druck <strong>und</strong> Temperatur: Diese werden mit<br />

einer Analyse-Software ausgewertet, um<br />

den optimalen Zeitpunkt für Wartungsmaßnahmen<br />

vorherzusagen.<br />

Geschäftsmodelle für das digitale<br />

Zeitalter<br />

Neue Technologien <strong>und</strong> Daten helfen<br />

uns dabei, unseren Zugang zu Märkten<br />

<strong>und</strong> die Zusammenarbeit mit K<strong>und</strong>en zu<br />

verändern. Wir schaffen neue digitale<br />

Angebote <strong>und</strong> erschließen neue K<strong>und</strong>engruppen.<br />

Derzeit haben wir 50 innovative<br />

digitale Geschäftsmodelle entwickelt.<br />

Beispielsweise können wir unsere K<strong>und</strong>en<br />

im Gaswäschegeschäft mit der Online<br />

Plattform OASE connect unterstützen.<br />

Durch diesen verbesserten Service bieten<br />

wir unseren K<strong>und</strong>en Zugriff auf wichtige<br />

Informationen in Echtzeit. Zu den Funktionalitäten<br />

gehört unter anderem eine<br />

Software, die unseren K<strong>und</strong>en hilft, die<br />

optimale Einstellung für ihre Anlage zu<br />

finden <strong>und</strong> diese entsprechend zu steuern,<br />

so dass Energieaufwand <strong>und</strong> Emissionen<br />

zurück gehen.<br />

Ein weiteres Beispiel für den Einsatz<br />

digitaler Technologien in der Wertschöpfungskette<br />

kommt aus der Tierhaltung.<br />

Das Ziel ist, Emissionen in Landwirtschaft<br />

<strong>und</strong> Tierhaltung zu reduzieren. Auch<br />

Verbraucher <strong>und</strong> Regulierungsbehörden<br />

setzen zunehmend klar definierte Nachhaltigkeitskriterien.<br />

BASF Corporation<br />

<strong>und</strong> das irische Technologie-Unternehmen<br />

arc-net setzen sich beispielsweise<br />

gemeinsam dafür ein, dass die Wertschöpfungskette<br />

in der Tierhaltung diesen<br />

Anforderungen gerecht werden kann.<br />

Sie erfassen <strong>und</strong> analysieren mithilfe<br />

der Blockchain-Technologie gemeinsam<br />

Nachhaltigkeitsparameter in der Tierhaltung<br />

entlang der gesamten Wertschöpfungskette.<br />

Die BASF-Software AgBalance<br />

Livestock untersucht die Auswirkungen<br />

aller Eingangs- <strong>und</strong> Ausgangsgrößen der<br />

Produktion tierischer Proteine – <strong>und</strong><br />

das über die gesamte Wertschöpfungskette<br />

hinweg: von Futtermitteln <strong>und</strong><br />

der Mischfutterproduktion über die<br />

Tierhaltung <strong>und</strong> Düngewirtschaft bis<br />

hin zur Schlachtung. Durch die Kombination<br />

von AgBalance Livestock <strong>und</strong><br />

der Blockchain-Technologie von arc-net<br />

lassen sich wertvolle Informationen zur<br />

Nachhaltigkeit sowie nachprüf bare Daten<br />

zur Herkunft von Fleisch, Milch <strong>und</strong><br />

Eiern gewinnen. Diese Informationen<br />

ergeben einen ökologischen Fußabdruck<br />

<strong>und</strong> ermöglichen lückenlose Transparenz<br />

<strong>und</strong> Nachverfolgbarkeit über die gesamte<br />

Wertschöpfungskette hinweg. So wären<br />

Verbraucher in Zukunft in der Lage, f<strong>und</strong>ierte<br />

Entscheidungen in Hinblick auf<br />

ihren Fleischkonsum zu treffen, indem<br />

sie den QR-Code auf der Verpackung<br />

scannen, der Informationen über Produktherkunft<br />

<strong>und</strong> Umweltbilanz liefert.<br />

Ausblick<br />

Chancen für die Digitalisierung finden<br />

sich entlang der gesamten Wertschöpfungskette.<br />

Durch den gezielten Einsatz digitaler<br />

Technologien <strong>und</strong> Modelle werden<br />

wir in Zukunft noch schneller nachhaltige<br />

Lösungen entwickeln, unsere Produktion<br />

sicherer, effizienter <strong>und</strong> ressourcenschonender<br />

gestalten sowie transparenter mit<br />

unseren K<strong>und</strong>en kommunizieren.<br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

35


GOOD PRACTICE<br />

Innovation braucht<br />

Transparenz <strong>und</strong> Vertrauen<br />

Wir leben in einer Zeit des Misstrauens, in der Fakten immer weniger gelten <strong>und</strong> politische<br />

Debatten zunehmend von Behauptungen, Bildern <strong>und</strong> Emotionen getrieben werden. Umfragen<br />

zeigen: Das Vertrauen der Menschen in gesellschaftliche Institutionen schwindet. In <strong>Deutschland</strong><br />

zum Beispiel vertrauen nach dem „<strong>Global</strong> Trust Report 2017“ des GfK Vereins nur noch 18<br />

Prozent den politischen Parteien, 30 Prozent den großen Unternehmen <strong>und</strong> 45 Prozent den<br />

Medien. Aber wenn kein Vertrauen herrscht <strong>und</strong> nichts mit Gewissheit gilt, worauf gründen wir<br />

dann unsere Entscheidungen? Misstrauen ist keine Basis für die Gestaltung der Zukunft.<br />

Von Kemal Malik, verantwortlich für Innovation im Vorstand von Bayer<br />

Dabei schürt nichts so sehr das Misstrauen,<br />

als wenn die Menschen das<br />

Gefühl haben, dass ihnen Informationen<br />

ohne ersichtlichen Gr<strong>und</strong> vorenthalten<br />

werden. Bayer hat daher Ende<br />

2017 damit begonnen, den Zugang zu<br />

sicherheitsrelevanten Informationen<br />

aus dem Pflanzenschutz-Bereich zu<br />

ermöglichen – <strong>und</strong> hat damit in Sachen<br />

Transparenz eine Vorreiterrolle<br />

in der Branche übernommen. Unter<br />

https://cropscience-transparency.bayer.<br />

com sind Zusammenfassungen von Testergebnissen<br />

<strong>und</strong> Bewertungen zum<br />

Download verfügbar. Infographiken<br />

<strong>und</strong> Videos sollen helfen, die wissenschaftlichen<br />

Informationen besser zu<br />

verstehen <strong>und</strong> einzuordnen. Seit Februar<br />

<strong>2018</strong> können zudem umfassende<br />

<strong>und</strong> detaillierte sicherheitsrelevante<br />

Studienberichte angefragt werden, sofern<br />

sie nicht für kommerzielle Zwecke<br />

verwendet werden.<br />

Eine Brücke zur interessierten<br />

Öffentlichkeit<br />

Übrigens hat sich Bayer auch im Pharma-<br />

Bereich schon seit Jahren dazu verpflichtet,<br />

Informationen über klinische Studien<br />

– inklusive einer Zusammenfassung<br />

der Ergebnisse – öffentlich zur Verfügung<br />

zu stellen. Die Daten sind über<br />

den „Bayer Trial Finder“ auf der Homepage<br />

unserer Division Pharmaceuticals<br />

www.pharma.bayer.com sowie unter<br />

www.ClinicalTrials.gov <strong>und</strong> www.clinicaltrialsregister.eu<br />

zugänglich. Darüber<br />

hinaus können Forscher <strong>und</strong> Ärzte noch<br />

detailliertere Informationen auf Nachfrage<br />

von uns erhalten. Dadurch wollen<br />

wir dem häufig zu hörenden Vorwurf<br />

begegnen, Pharma-Studien würden nur<br />

öffentlich, wenn die Ergebnisse für die<br />

Unternehmen vorteilhaft sind.<br />

Diese Aktivitäten zeigen, wie wichtig uns<br />

Transparenz ist. Damit wollen wir Fachleuten,<br />

engagierten Bürgern <strong>und</strong> anderen<br />

Interessenten die Möglichkeit geben, sich<br />

auf der Gr<strong>und</strong>lage wissenschaftlicher<br />

Informationen eine eigene Meinung zu<br />

bilden. So bauen wir eine Brücke zwischen<br />

der interessierten Öffentlichkeit<br />

<strong>und</strong> unseren eigenen Wissenschaftlern.<br />

Sicher, es gibt auch Grenzen für Transparenz.<br />

Bei klinischen Studien müssen<br />

sensible Patientendaten geschützt bleiben.<br />

Und wir müssen natürlich auch<br />

sicherstellen, dass bestimmtes geistiges<br />

Eigentum nicht in die Hände von<br />

Wettbewerbern fällt – unser gesamtes<br />

Geschäftsmodell als innovatives Unternehmen<br />

hängt davon ab. Aber wir<br />

arbeiten daran, die richtige Balance zwischen<br />

größtmöglicher Transparenz <strong>und</strong><br />

notwendiger Vertraulichkeit zu finden.<br />

Innovationen sind essentiell für<br />

unsere Zukunftsfähigkeit<br />

Leider wissen die wenigsten Menschen,<br />

mit welcher Sorgfalt heute in der Erforschung<br />

<strong>und</strong> Entwicklung von Medikamenten<br />

<strong>und</strong> Pflanzenschutzprodukten<br />

gearbeitet wird. Diese Sorgfalt spiegelt<br />

sich in einem enormen Aufwand an Zeit<br />

<strong>und</strong> Geld wider. So kostet die Entwicklung<br />

eines neuen Medikaments heute<br />

durchschnittlich mehr als eine Milliarde<br />

Euro <strong>und</strong> kann zwölf bis fünfzehn Jahre<br />

dauern.<br />

Im Pflanzenschutzbereich sieht es ähnlich<br />

aus. Hier kommt von mehr als<br />

100.000 Prüfsubstanzen am Ende nur<br />

eine auf den Markt – nach durchschnittlich<br />

10 bis 14 Jahren <strong>und</strong> 1.200 Registrierungsstudien,<br />

die erforderlich sind,<br />

bis ein neuer chemischer Wirkstoff die<br />

Zulassung erhält. Die Forschungs- <strong>und</strong><br />

36 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


Entwicklungskosten betragen hier im<br />

Schnitt r<strong>und</strong> 250 Millionen Euro.<br />

Ist dieser ungeheure Aufwand gerechtfertigt?<br />

Davon sind wir bei Bayer überzeugt!<br />

Dass die Menschen heute gesünder sind<br />

<strong>und</strong> länger leben als je zuvor, das haben<br />

Oben links:<br />

Bayer-Mitarbeiter Nguyen Thi Ngoc Anh <strong>und</strong><br />

Bui Van Kip (v.l.) überprüfen Reispflanzen<br />

gemeinsam mit Landwirt Huynh Duy Chinh im<br />

Ort Nhon Thanh Trung, Vietnam.<br />

Oben rechts:<br />

Forscherin Laura Schouten untersucht im<br />

Labor Maiskolben auf Nematoden-Befall.<br />

Unten:<br />

Julin Tong testet Formulierungen des<br />

Aspirin-Wirkstoffes Acetylsalicylsäure in<br />

einem Forschungslabor in den USA.<br />

wir neben einer verbesserten öffentlichen<br />

Gesunheit insbesondere in den<br />

Bereichen sauberes Trinkwasser <strong>und</strong><br />

Wohnverhältnisse vor allem den vielen<br />

Fortschritten zu verdanken, die durch<br />

das Zusammenspiel von Wissenschaft<br />

<strong>und</strong> Unternehmertum entstanden sind.<br />

Und das wird auch der Weg der Zukunft<br />

sein, denn es gibt immer noch reichlich<br />

zu tun.<br />

Beispielsweise haben wir für einen erheblichen<br />

Teil der r<strong>und</strong> 30.000 bekannten<br />

Krankheiten noch immer keine zufriedenstellenden<br />

Therapien. Hinzu kommt,<br />

dass bestimmte Krankheiten wie Krebs<br />

oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen immer<br />

häufiger auftreten, was primär daran<br />

liegt, dass die Menschen älter werden.<br />

Und in zahlreichen ärmeren Ländern<br />

leidet r<strong>und</strong> eine Milliarde Menschen<br />

unter den sogenannten „Vernachlässigten<br />

Tropenkrankheiten“ – wie der Chagas-<br />

Krankheit, dem Dengue-Fieber oder der<br />

Flussblindheit.<br />

Zugleich leben immer mehr Menschen<br />

auf der Erde, deren Ernährung gesichert<br />

werden muss – im Jahr 2050 werden es<br />

voraussichtlich fast zehn Milliarden sein.<br />

Experten schätzen, dass die Nachfrage<br />

nach Agrarprodukten bis zur Jahrh<strong>und</strong>ertmitte<br />

um 50 Prozent zunehmen<br />

wird. Da es für die Erschließung landwirtschaftlich<br />

nutzbarer Flächen kaum<br />

noch Spielraum gibt, ohne Regenwälder<br />

oder andere wichtige Naturflächen zu<br />

gefährden, muss unser Ernährungssystem<br />

also wesentlich produktiver werden.<br />

Es muss aber auch nachhaltiger werden,<br />

weil wir derzeit nicht schonend genug<br />

mit natürlichen Ressourcen umgehen.<br />

Das sind nur einige Beispiele für die<br />

Herausforderungen der Zukunft. Einen<br />

umfassenden Überblick geben die 17<br />

Ziele für eine nachhaltige Entwicklung,<br />

das Kernstück der Agenda 2030 der Vereinten<br />

Nationen, zu denen sich Bayer<br />

ausdrücklich bekennt. Insbesondere zum<br />

Ziel 2 – auf globaler Ebene den Hunger<br />

zu beenden, Ernährungssicherheit <strong>und</strong><br />

bessere Ernährung sowie eine nachhaltige<br />

Landwirtschaft voranzubringen –<br />

<strong>und</strong> zum Ziel 3 – für alle Menschen ein<br />

ges<strong>und</strong>es Leben sicherzustellen – wollen<br />

wir substantielle Beiträge leisten.<br />

Wenn die Menschheit diese Ziele erreichen<br />

will, brauchen wir weiteren<br />

Fortschritt <strong>und</strong> müssen die Chancen<br />

nutzen, die neue Technologien bieten.<br />

Dafür brauchen wir wieder einen gesellschaftlichen<br />

Konsens, dass Innovation<br />

gut <strong>und</strong> nützlich sein kann. Aber ein<br />

solcher Konsens kann nur auf der Gr<strong>und</strong>lage<br />

eines offenen, aufrichtigen <strong>und</strong><br />

sachlichen Dialogs entstehen. Nur wenn<br />

wir miteinander reden, können wir die<br />

Gräben überbrücken, die sich zwischen<br />

den politischen Lagern <strong>und</strong> zwischen<br />

den „Filterblasen“ im Internet auftun.<br />

Hier schließt sich der Kreis, denn ein<br />

solcher Dialog braucht Vertrauen. Unser<br />

Eintreten für Transparenz soll dazu einen<br />

Beitrag leisten: Als ein Schritt, damit<br />

wieder Vertrauen entstehen kann, <strong>und</strong><br />

als Investition in die Zukunftsfähigkeit<br />

unserer Gesellschaft.<br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

37


GOOD PRACTICE<br />

Internationales<br />

Gesellschaftsengagement<br />

Die Bosch-Gruppe besitzt in vier verschiedenen Ländern Unternehmensstiftungen. In diesen<br />

Stiftungen werden die Aktivitäten zum gesellschaftlichen Engagement gebündelt <strong>und</strong> koordiniert.<br />

Unter dem Blickwinkel von Corporate Citizenship, interkulturellem Management <strong>und</strong> den<br />

Sustainable Development Goals wird die Integration von CSR ist in den verschiedenen Ländern<br />

mit ihren variierenden Kulturen durch die Stiftungen vorangetrieben. Im Rahmen der Umsetzung<br />

des SDG-Konzeptes haben sich die Bosch-Stiftungen auf die Prinzipien der nachhaltigen<br />

Entwicklung konzentriert <strong>und</strong> ihre Aktivitäten darauf abgestellt.<br />

Von Bernhard Schwager, Leiter Geschäftsstelle Nachhaltigkeit, Bosch<br />

Das soziale Engagement war <strong>und</strong> ist bis<br />

heute ein integraler Bestandteil der Unternehmenskultur.<br />

Dieser zentrale Aspekt<br />

wird auch von den Bosch-Unternehmensstiftungen<br />

weltweit bei den Aktivitäten<br />

beachtet. Lokal die individuellen Bedürfnisse<br />

zu befriedigen <strong>und</strong> die gemeinsame<br />

Sache in den Vordergr<strong>und</strong> zu stellen, dies<br />

lag auch schon immer Robert Bosch am<br />

Herzen. Seine bemerkenswerte Vision war<br />

äußerst zukunftsweisend. Etwa 50 Jahre<br />

nach seinem Tod erscheinen gesellschaftliche<br />

Themen dringlicher denn je. Dies<br />

äußert sich auch in den Worten von Dr.<br />

Volkmar Denner, CEO der Bosch-Gruppe:<br />

„Ich bin überzeugt, dass die <strong>Wirtschaft</strong><br />

ganz wesentlich helfen kann, gesellschaftliche<br />

Herausforderungen zu lösen.“<br />

Zu den vorgenannten Stiftungen des<br />

Unternehmens gehören die Bosch India<br />

Fo<strong>und</strong>ation, das Bosch China Charity<br />

Center, das brasilianische Instituto Robert<br />

Bosch <strong>und</strong> der nordamerikanische Bosch<br />

Community F<strong>und</strong>. Die Stiftungen greifen<br />

soziale Probleme auf <strong>und</strong> befassen sich<br />

mit vielfältigen sozialen, ökologischen<br />

<strong>und</strong> wirtschaftlichen Problemen.<br />

Bildung gehört zum Schwerpunkt der<br />

Aktivitäten in Indien.<br />

38 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


Bosch India Fo<strong>und</strong>ation<br />

Das gesellschaftliche Engagement von<br />

Bosch in Indien vollzog sich im Jahr<br />

1950 mit Gründung einer Stiftung. Bis<br />

heute fokussiert sie auf ein gutes Leben<br />

<strong>und</strong> eine solide Existenzgr<strong>und</strong>lage<br />

durch verbesserte Bildung <strong>und</strong> technisches<br />

Verständnis. Bisher konnten<br />

bereits über 100 Projekte unterstützt<br />

werden. Die jährliche Fördersumme<br />

liegt bei knapp einer Million Euro. Die<br />

Stiftungsarbeit konzentriert sich speziell<br />

auf die wirtschaftliche, soziale <strong>und</strong> politische<br />

Stärkung von Frauen in Dörfern.<br />

Beispielsweise wurden in Jaipur Selbsthilfegruppen<br />

gegründet, um Frauen<br />

<strong>und</strong> jüngere Menschen zu ermutigen,<br />

selbst aktiv zum Fortschritt von Familie<br />

<strong>und</strong> Gesellschaft beizutragen. Politische<br />

Bildung <strong>und</strong> die dazugehörige Rückenstärkung<br />

von Frauen ist der Stiftung ein<br />

besonderes Anliegen. Frauen werden<br />

dazu ermutigt, sich zu öffnen <strong>und</strong> in den<br />

Dörfern einen aktiven Part politischer<br />

Arbeit zu übernehmen, um so zu politischen<br />

Führungspersonen zu werden.<br />

Darüber hinaus arbeitet die indische<br />

Organisation an einem ganzheitlichen<br />

Ansatz zur Bekämpfung von Armut, die<br />

häufig die Ursache weiterer Probleme ist.<br />

Der Schwerpunkt der Arbeiten liegt dabei<br />

auf Bildung, Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Hygiene.<br />

Bosch China Charity Center<br />

In China sieht sich Bosch nicht nur verpflichtet,<br />

führende Technologien zur<br />

Förderung des sozialen Fortschritts anzubieten,<br />

sondern auch die öffentliche<br />

Wohlfahrt im ganzen Land zu fördern.<br />

Aus diesem Gr<strong>und</strong> veranlasste Bosch den<br />

Start des Bosch China Charity Centers<br />

(BCCC) <strong>und</strong> zugehöriger Sozialprojekte.<br />

Seit der Gründung im Jahr 2011 widmet<br />

sich das BCCC den Themen von<br />

Bildungsförderung <strong>und</strong> Armutsbekämpfung<br />

in China durch langfristige <strong>und</strong><br />

nachhaltige Förderprojekte. Das Bosch<br />

China Charity Center unterstützt Infrastrukturen<br />

wie Campusgebäude, Kantinen<br />

oder Solarheizungen <strong>und</strong> fördert<br />

Bildungsprojekte wie Stipendien für<br />

Studenten, Ausbildungen für Lehrer,<br />

Vorschulerziehung oder Dorfkindergärten.<br />

Mittlerweile hat das Bosch China<br />

Charity Center über 1.500 Freiwillige in<br />

zwölf Städten landesweit zur Mitarbeit<br />

„<br />

Ich bin überzeugt, dass die<br />

<strong>Wirtschaft</strong> ganz wesentlich<br />

helfen kann, gesellschaftliche<br />

Herausforderungen zu lösen.<br />

Dr. Volkmar Denner, Vorsitzender der<br />

Geschäftsführung, Robert Bosch GmbH<br />

motivieren können. Jährlich werden auf<br />

diese Weise r<strong>und</strong> 2,5 Millionen Euro als<br />

Fördermittel an Wohlfahrtsorganisationen<br />

vergeben. Durch die Gewährung<br />

von Stipendien, der Förderung gemeinnütziger<br />

Projekte <strong>und</strong> mit Beiträgen zu<br />

Gemeindediensten, an denen sich die<br />

Bosch-Freiwilligenteams beteiligen, trägt<br />

das BCCC aktiv zur gesellschaftlichen<br />

Entwicklung in China bei.<br />

Instituto Robert Bosch – Brasilien<br />

Soziale Fragestellungen waren für Bosch<br />

auch in Brasilien ein wichtiges Anliegen.<br />

1971 wurde daher ein gemeinnütziger<br />

Verein gegründet, der dann 2004 in<br />

das Instituto Robert Bosch überführt<br />

wurde. Hier wird das Sozialengagement<br />

gebündelt <strong>und</strong> vorzugsweise Aus- <strong>und</strong><br />

Weiterbildungsprojekte an den vier brasilianischen<br />

Fertigungs-Standorten des<br />

Unternehmens gefördert. Im Sinne des<br />

Firmengründers hilft die Organisation<br />

gezielt Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen aus<br />

sozial schwierigen Verhältnissen. Zusammen<br />

mit der Stadtverwaltung in<br />

Curitiba werden verschiedene Kurse für<br />

mehr als 500 junge Menschen angeboten,<br />

von denen etwa 70 Prozent im Anschluss<br />

eine qualifizierte Beschäftigung finden.<br />

Ein anderes Projekt zur Unterstützung<br />

bedürftiger Familien ist die Errichtung<br />

von Solarheizungssystemen, um Energiekosten<br />

zu senken. Die Stiftung spendete<br />

solche Systeme für r<strong>und</strong> 20.000 Häuser.<br />

Andere Aktivitäten zielen darauf die Ges<strong>und</strong>heit<br />

zu verbessern <strong>und</strong> die Jugendkriminalität,<br />

die Säuglingssterblichkeit<br />

sowie die Arbeitslosigkeit zu reduzieren.<br />

Insgesamt werden Sozialprojekte mit<br />

einem Betrag von 1,0 Millionen Euro<br />

pro Jahr gefördert.<br />

Das Instituto Robert Bosch arbeitet unter<br />

anderem auch eng mit der Hilfsorganisation<br />

Primavera – Hilfe für Kinder in Not<br />

e.V. zusammen, einem Verein, der vor<br />

über 25 Jahren von Bosch-Mitarbeitern<br />

gegründet worden ist. Auf diese Weise<br />

schließt das Institut auch die freiwillige<br />

Unterstützung von Mitarbeitern des<br />

Unternehmens in der jeweiligen Region<br />

mit ein.<br />

Bosch Community F<strong>und</strong> – USA<br />

Im Jahr 2011 wurde der Bosch Community<br />

F<strong>und</strong> (BCF) als gemeinnützige<br />

Stiftung in den USA gegründet. Kurz<br />

darauf startete die Projektarbeit mit der<br />

Mission zum gesellschaftlichen Engagement.<br />

Anfangs vergab der BCF r<strong>und</strong> 1,5<br />

Millionen US-Dollar an Organisationen in<br />

den USA. Seit 2013 liegt das Fördervolumen<br />

bei drei Millionen US-Dollar jährlich.<br />

Die Stiftung unterstützt damit über 22<br />

Gemeinden in den vereinigten Staaten<br />

<strong>und</strong> hat Partnerschaften mit über 30<br />

höheren Bildungseinrichtungen. Gezielt<br />

werden Gemeinden unterstützt, um die<br />

Bedingungen für Bildung, Ges<strong>und</strong>heit<br />

<strong>und</strong> Wohlbefinden zu verbessern, die<br />

Treibhausgasemissionen auf ein Minimum<br />

zu reduzieren <strong>und</strong> saubere Energie<br />

vermehrt zu nutzen.<br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

39


GOOD PRACTICE<br />

Intelligente Verpackungskonzepte<br />

für mehr<br />

Nachhaltigkeit<br />

Täglich werden mehr Produkte r<strong>und</strong> um den Globus geschickt als je zuvor. Die Masse an<br />

benötigtem Verpackungsmaterial wächst <strong>und</strong> mit ihr die globale Herausforderung, Ressourcen<br />

zu schonen <strong>und</strong> Emissionen zu reduzieren. Während gerade die Kunststoffverpackung einen<br />

großen Beitrag zum Produktschutz <strong>und</strong> zum Recyclingaufkommen leistet, gerät diese dennoch<br />

weltweit in der Öffentlichkeit unter Druck. Die Boxon GmbH, Teil der schwedischen Boxon Group,<br />

schafft Lösungen, die die Umweltbelastung von Verpackungen minimieren.<br />

Von Jasmin Westphal, Marketing & Communication, Boxon<br />

Als die schwedische Boxon AB 1932 als<br />

Ramlösa Lådfabrik gegründet wurde,<br />

beschränkte sich die Produktion noch auf<br />

Holzkisten für den Lebensmittelsektor.<br />

Seither hat sich die Gruppe zu einem<br />

weltweit agierenden Unternehmen entwickelt,<br />

das Industrie, Handel <strong>und</strong> Logistik<br />

mit intelligenten Verpackungskonzepten<br />

versorgt. Mit maßgeschneiderten<br />

Produkten für den Automotive-Sektor,<br />

Traceability <strong>und</strong> Labelling Systemen, der<br />

Einbindung von Augmented Reality <strong>und</strong><br />

Industry 4.0 steht Boxon im Jahr <strong>2018</strong><br />

für Fortschritt <strong>und</strong> Innovation.<br />

Im Rahmen seines Versprechens „Adding<br />

value beyond the box“ bietet der<br />

Packagingspezialist innovative Mehrwertservices,<br />

die intelligente Verpackungskonzepte<br />

individuell komplettieren.<br />

Dazu gehört auch, Lösungen<br />

zu schaffen, die Nachhaltigkeit in die<br />

Beschaffung- <strong>und</strong> Produktionsprozesse<br />

der K<strong>und</strong>en integrieren: Mit eigenen<br />

Programmen <strong>und</strong> individuell für die K<strong>und</strong>en<br />

entwickelten Konzepten unterstützt<br />

Boxon Unternehmen dabei, die eigenen<br />

Klimaziele zu erreichen.<br />

So wurden etwa <strong>2018</strong> für einen großen<br />

Fashion Onlineshop Versandtaschen aus<br />

Bio Plastics entwickelt.<br />

Die Motivation für die Förderung von<br />

mehr Nachhaltigkeit im Verpackungssektor<br />

liegt in der besonderen Rolle des<br />

Produkts. Verpackungen nehmen als<br />

fester Bestandteil nahezu jeder Wertschöpfungskette<br />

eine Schlüsselrolle im<br />

Recyclingkreislauf <strong>und</strong> der Emissionsreduzierung<br />

ein. Hier verbergen sich enorme<br />

Optimierungschancen für nachhaltig<br />

orientierte Unternehmen: Mit dem <strong>2018</strong><br />

ins Leben gerufenen CO 2<br />

-Kompensationsprogramm<br />

hat Boxon nun eine Lösung<br />

geschaffen, über die Unternehmen mit<br />

dem Erwerb von klimaneutralen Big<br />

Bags nachhaltige Verpackungen direkt<br />

in ihre Wertschöpfungskette integrieren.<br />

Weniger Umweltbelastung durch<br />

klimaneutrale Big Bags<br />

Big Bags werden insbesondere am Anfang<br />

vieler Lieferketten eingesetzt, wenn<br />

Produktkomponenten in großen Volumen<br />

befördert werden. Sie werden aus<br />

sortenreinem Polypropylen hergestellt,<br />

ein Kunststoff, der sehr gut recycelt werden<br />

kann.<br />

Aufgr<strong>und</strong> technischer Entwicklung verwendet<br />

Boxon bei der Big Bag-Produktion<br />

heute deutlich weniger Rohstoff als noch<br />

vor einigen Jahren. <strong>2018</strong> macht der Big<br />

Bag im Durchschnitt r<strong>und</strong> 0,1 Prozent<br />

des Gesamtgewichts der abgefüllten Produkte<br />

aus <strong>und</strong> ist damit jeder anderen<br />

Verpackung überlegen. Optimierte Produktionsprozesse<br />

<strong>und</strong> der Einsatz von<br />

Solarenergie tragen zudem zu einem<br />

reduzierten CO 2<br />

-Fußabdruck bei. Boxon<br />

produziert Big Bags außerdem als Mehrweg-Verpackung<br />

<strong>und</strong> unterstützt seine<br />

K<strong>und</strong>en bei der Durchführung von Umlaufsystemen.<br />

Am Ende des Lebenszyklus<br />

sorgen Sammel- <strong>und</strong> Recyclingverfahren<br />

dafür, dass die Big Bags als sortenreine<br />

Verpackung effizient recycelt werden.<br />

Um den CO 2<br />

-Fußabdruck weiter zu reduzieren,<br />

hat Boxon im Frühjahr <strong>2018</strong><br />

die Spezialisten der Schweizer Non-Profit<br />

Organisation MyClimate an Bord geholt.<br />

Im Rahmen der Kooperation ist eine detaillierte<br />

CO 2<br />

-Bilanz für die Produktgruppe<br />

40 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


das Unternehmen bestätigt. Die auf diese<br />

Weise klimaneutral gewordenen Big Bags<br />

werden optional mit einem entsprechenden<br />

Label bedruckt. So kommunizieren<br />

Unternehmen die Klimaneutralität der<br />

Verpackung an ihre eigenen K<strong>und</strong>en<br />

weiter <strong>und</strong> tragen das Thema Nachhaltigkeit<br />

in den Markt.<br />

Die Verpackung der Zukunft ist<br />

intelligent <strong>und</strong> nachhaltig<br />

Solarenergie für Bildung & Jobs in Tansania<br />

Um die errechneten CO 2<br />

Emissionen zu kompensieren, unterstützt Boxon die<br />

Implementierung innovativer Solarpanels in ländlichen Gebieten Tansanias. Die<br />

Solarenergie ersetzt Dieselgeneratoren <strong>und</strong> Kerosin als Stromlieferanten <strong>und</strong><br />

kommt einkommensschwachen Familien sowie kleinen Unternehmen zu Gute.<br />

Neben der Reduzierung von 10.000 t CO 2<br />

pro Jahr, schafft der Wegfall der<br />

schädlichen Brennstoffe unmittelbare soziale <strong>und</strong> wirtschaftliche Auswirkungen<br />

für die lokale Bevölkerung:<br />

• 400 000 Menschen leben mit besserer Luft. Risiken für Verbrennungen,<br />

Atemwegs- <strong>und</strong> Augenerkrankungen werden minimiert<br />

• Haushalte, Schulen <strong>und</strong> kleine Unternehmen können zu jeder Tageszeit mit<br />

Energie versorgt werden, wodurch die Produktivität gesteigert wird<br />

• Junge Menschen werden lokal in der Solarinstallation ausgebildet<br />

• neue Arbeitsplätze werden geschaffen.<br />

Das Gold Standard Projekt wurde von den Vereinten Nationen sowie mit dem<br />

Greentec <strong>und</strong> dem Ashden Award 2017 ausgezeichnet.<br />

Während die Verpackung der Zukunft<br />

neben dem Schutz des Produkts viele<br />

weitere Funktionen übernimmt <strong>und</strong><br />

dabei immer intelligenter wird, muss<br />

sie gleichzeitig nachhaltig <strong>und</strong> ressourcenschonend<br />

sein. Boxons Zielsetzung<br />

liegt in diesem Zusammenhang klar<br />

darin, Innovation <strong>und</strong> Nachhaltigkeit in<br />

intelligenten Lösungen zusammenzuführen.<br />

Die Integration neuer Technologien<br />

in die Verpackung offenbart Chancen,<br />

Transparenz für nachhaltige Produkte<br />

zu stärken. Neben verbesserter digitaler<br />

Ortung <strong>und</strong> Traceability, werden K<strong>und</strong>en<br />

in der Lage sein, Informationen zum<br />

Zustand des Produkts, zu Nährwerten<br />

<strong>und</strong> dem ökologischen Fußabdruck jederzeit<br />

abzurufen.<br />

Nachhaltigkeit bedeutet für Boxon außerdem<br />

seit jeher, Verantwortung für<br />

die Menschen in den Produktionsstätten<br />

in Europa <strong>und</strong> Asien zu übernehmen.<br />

Das wird sich auch in Zukunft nicht<br />

ändern. Über Schulungsprogramme <strong>und</strong><br />

strenge Auditverfahren (z.B. TfS), die von<br />

unabhängigen Unternehmen an den<br />

Produktionsstandorten durchgeführt<br />

werden, sorgt Boxon für die Einhaltung<br />

von globalen Standards im Bereich<br />

<strong>Menschenrechte</strong> oder Business Ethics.<br />

Big Bags entstanden. Mit Hilfe einer<br />

Lebenszyklusanalyse (LCA) wurden alle<br />

Treibhausgasemissionen evaluiert, die im<br />

Laufe der unterschiedlichen Lebensphasen<br />

eines Big Bags anfallen. Dazu zählen<br />

Energieverbrauch, Rohstoffe, Materialien,<br />

Ausschuss, Betriebsabfälle, Verpackung,<br />

Distribution, Entsorgung <strong>und</strong> Recycling.<br />

Auf Gr<strong>und</strong>lage dieser Berechnung wendet<br />

Boxon das Prinzip der CO 2<br />

Kompensation<br />

an: Dabei werden unvermeidbare CO 2<br />

-<br />

Emissionen <strong>und</strong> CO 2<br />

-Äquivalente an<br />

anderer Stelle kompensiert. Basierend<br />

auf dem Gewicht der Big Bags wird ein<br />

Kompensationsbeitrag errechnet, der<br />

direkt in ein Klimaschutzprogramm in<br />

Tansania fließt, durch das die entsprechende<br />

Menge CO 2<br />

eingespart wird.<br />

K<strong>und</strong>en bekommen so die Möglichkeit,<br />

sich aktiv für den Klimaschutz zu engagieren<br />

<strong>und</strong> erhalten ein offizielles<br />

Zertifikat von MyClimate, das die Teilnahme<br />

am Kompensationsprogramm<br />

<strong>und</strong> die kompensierte Menge CO 2<br />

durch<br />

<strong>2018</strong> hat Boxon das Ecovadis Goldsiegel<br />

für seine CSR-Aktivitäten erhalten <strong>und</strong><br />

wird sich auch zukünftig für die Umsetzung<br />

der Agenda 2030 einsetzen. Eine<br />

übergreifende Aufgabe der Industrie ist<br />

dabei ohne Zweifel, das Bewusstsein für<br />

Nachhaltigkeit über den Bereich von<br />

CSR-Management hinaus zu schärfen<br />

<strong>und</strong> auf allen Ebenen, wie Einkauf, Produktdesign,<br />

Supplier Management <strong>und</strong><br />

Sales zu integrieren. Boxon wird daher<br />

auch zukünftig verstärkt den Dialog<br />

zwischen Mitarbeitern, Stakeholdern<br />

<strong>und</strong> Geschäftspartnern fördern.<br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

41


GOOD PRACTICE<br />

CEWE: Wo Qualität auf<br />

Verantwortung trifft<br />

CEWE ist der führende Fotodienstleister <strong>und</strong> Technologieführer im Fotofinishing in Europa.<br />

Seit der Firmengründung vor über 50 Jahren gehen Qualitätsanspruch <strong>und</strong> Verantwortung<br />

gegenüber der Umwelt, den Mitarbeitern, K<strong>und</strong>en, Lieferanten <strong>und</strong> Aktionären Hand in Hand.<br />

So druckt CEWE nicht nur alle Markenprodukte komplett klimaneutral, sondern wägt in allen<br />

Bereichen sorgsam ab, was mit welchen Mitteln zu wessen Wohl geschieht <strong>und</strong> welche<br />

Auswirkungen dies auf morgen hat.<br />

Von Alf Meyer, Bereichsleiter Zentraleinkauf &Materialwirtschaft, CEWE<br />

Nachhaltigkeit <strong>und</strong> Verantwortung<br />

sind zwei eng miteinander verb<strong>und</strong>ene<br />

Begriffe. Sie spielen in sämtlichen Unternehmensbereichen<br />

von CEWE eine<br />

große Rolle. Seit Jahrzehnten liegt das<br />

Bestreben darin, ethische Prinzipien <strong>und</strong><br />

ökonomisches Handeln zu wahren. Dies<br />

gelingt mithilfe der Mitarbeiter, die sehr<br />

respektvoll <strong>und</strong> wertschätzend für das<br />

Unternehmen <strong>und</strong> für die K<strong>und</strong>en da sind.<br />

Nach wie vor orientiert sich CEWE am<br />

Leitbild des „ehrbaren Kaufmanns“. Verantwortungsvolles<br />

Handeln im Sinne<br />

von Verlässlichkeit, Ehrlichkeit, Langfristigkeit,<br />

Anstand, Integrität, Vertrauen<br />

<strong>und</strong> Fleiß sind Werte, die gelebt werden.<br />

Das Unternehmen handelt reflektierend<br />

<strong>und</strong> vorausschauend <strong>und</strong> hat dabei die<br />

Bedürfnisse der K<strong>und</strong>en, Geschäftspartner,<br />

Mitarbeiter <strong>und</strong> der Gesellschaft fest im<br />

Blick – wohl wissend, dass die wichtigste<br />

Währung Vertrauen <strong>und</strong> ein tadelloser<br />

Ruf sind. Nachhaltiges Verhalten trägt<br />

auch auf verschiedene Weise zum ökonomischen<br />

Erfolg bei. Der Wirkungsmechanismus<br />

von nachhaltigem Verhalten zu<br />

ökonomischem Erfolg kann aus Einkaufs<strong>und</strong><br />

Materiallogistiksicht beispielsweise<br />

folgende Ausprägungen haben:<br />

• Lieferzuverlässigkeit zu erhöhen, indem<br />

nachhaltige Unternehmen als Lieferanten<br />

gewählt werden. Das sichert<br />

eine dauerhafte Lieferfähigkeit auf gewünschtem<br />

Qualitätsniveau, dadurch<br />

zufriedene K<strong>und</strong>en <strong>und</strong> am Ende nachhaltigen<br />

Produktabsatz.<br />

• Kosten zu senken durch den Verzicht<br />

auf Materialien mit langen Transportwegen.<br />

Dies verbessert zudem unseren<br />

Carbon Footprint.<br />

• Umwelt zu schonen durch den gezielten<br />

Einsatz von nachhaltig bewirtschafteten<br />

Materialien (FSC) oder recycelter Rohstoffe<br />

im Bereich Verpackung.<br />

Lieferantenmanagement<br />

Nachhaltigkeit ist eine gesamtgesellschaftliche<br />

Aufgabe <strong>und</strong> ein entscheidender<br />

Faktor zum Erfolg. Aus diesem<br />

Gr<strong>und</strong> stellt CEWE auch in Bezug auf<br />

Nachhaltigkeit hohe Anforderungen an<br />

seine Lieferanten. Gemeinsam werden<br />

im Beschaffungsprozess neben niedrigen<br />

Kosten, ausgewiesener Prozesskompetenz,<br />

langfristiger <strong>und</strong> stetiger Qualitätssicherung<br />

auch ökologische <strong>und</strong> soziale<br />

Aspekte berücksichtigt. Neben dem Einsatz<br />

von neuen Materialien <strong>und</strong> Pro-<br />

Qualitätscheck der eingesetzten Papiere.<br />

42 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


dukten konnten auch Produktions- <strong>und</strong><br />

Prozessoptimierungen mit bestehenden<br />

<strong>und</strong> neuen Lieferanten umgesetzt werden.<br />

Im Bereich der Produktveredelung<br />

wurden neue Digitaldruckpapiere <strong>und</strong><br />

Produktionstechnologien zur Erweiterung<br />

des Produktsortiments <strong>und</strong> zur<br />

Qualitätsverbesserung implementiert.<br />

Transparente Zusammenarbeit<br />

Das partnerschaftliche Verhältnis zu<br />

den Lieferanten zeichnet sich durch<br />

Offenheit, Transparenz <strong>und</strong> Ehrlichkeit<br />

aus, um eine nachhaltige Zusammenarbeit<br />

zu gewährleisten. Um ein besseres<br />

Verständnis für die Bedeutung <strong>und</strong><br />

teilweise auch den Umsetzungsgrad der<br />

vielfältigen Nachhaltigkeitsthemen entlang<br />

der Lieferkette zu erhalten, wurde<br />

in den letzten drei Jahren eine Lieferantenbefragung<br />

mithilfe eines Nachhaltigkeitsfragebogens<br />

durchgeführt.<br />

Dabei werden insbesondere Aspekte zur<br />

ökologischen, sozialen <strong>und</strong> gesellschaftlichen<br />

Nachhaltigkeit thematisiert. Über<br />

die vielfältigen Fragestellungen ergeben<br />

sich interessante Einblicke in die Nachhaltigkeitsaktivitäten<br />

der Lieferanten.<br />

Lieferantenbeispiel:<br />

Einer der Digitaldruckpapierproduzenten<br />

von CEWE ist die UPM Nordland<br />

Papier. Ökologische Gesichtspunkte<br />

spielten bei der Entscheidung über eine<br />

Zusammenarbeit eine große Rolle. CEWE<br />

setzt gr<strong>und</strong>sätzlich im Fotofinishing<br />

nur Papiere aus verantwortungsvoll bewirtschafteten<br />

Wäldern für die gesamte<br />

Produktpalette ein. Alle europäischen<br />

Papiere sind bereits seit Jahren FSC zertifiziert.<br />

UPM fördert eine gute forstwirtschaftliche<br />

Praxis <strong>und</strong> stellt sicher, dass<br />

die Herkunft des verarbeiteten Holzes<br />

vollständig kontrolliert wird.<br />

Nachhaltige Lieferketten<br />

In der Lieferkette werden die direkten<br />

Lieferanten für Produktionsmaterial<br />

betrachtet. Werden kritische Materialien<br />

durch einen Händler beschafft, so kann<br />

auch dessen Vorlieferant mitbetrachtet<br />

<strong>und</strong> geprüft werden.<br />

Als kritisches Material werden insbesondere<br />

Produkte mit hohen Anforderungen<br />

Schneekugelproduktion für CEWE in China<br />

im Bereich Produktsicherheit <strong>und</strong> Produktqualität<br />

eingestuft. Bei Lieferanten,<br />

die gemäß den Amfori BSCI-Richtlinien<br />

in als kritisch eingestuften Regionen<br />

ansässig sind, überzeugt sich CEWE auch<br />

persönlich<br />

„<br />

von den Bedingungen vor Ort.<br />

So werden auch regelmäßig eigene Lieferantenaudits<br />

mit den Themenbereichen<br />

Qualität, Produktsicherheit <strong>und</strong> Social<br />

Compliance (Verbot der Kinderarbeit,<br />

hohe Arbeitssicherheit, aktiver Ges<strong>und</strong>heitsschutz)<br />

bei bestehenden Lieferanten<br />

<strong>und</strong> Vorlieferanten, beispielsweise in<br />

Asien, durchgeführt.<br />

Unsere regelmäßigen Audits bei<br />

unseren Lieferanten, aber auch bei<br />

deren Vorlieferanten in Asien sind<br />

durch eine hohe Transparenz <strong>und</strong><br />

Offenheit geprägt. Ohne erkennbare<br />

Einschränkungen werden Arbeitsbedingungen<br />

<strong>und</strong> Produktionsprozesse<br />

vom Wareneingang bis zum<br />

Versand oder auch der Abfallentsorgung<br />

gezeigt. Man ist ehrlich<br />

interessiert an der Bewertung <strong>und</strong><br />

nimmt Kritik wertschätzend auf. Ich<br />

habe schon oft erlebt, dass gerade<br />

Verbesserungen im Bereich des<br />

Arbeitsschutzes schon beim nächsten<br />

Besuch erkennbar waren. Es<br />

sind häufig die „Selbstverständlichkeiten“<br />

wie das Tragen von Schutzhandschuhen<br />

<strong>und</strong> der freie Zugang<br />

zu Fluchtwegen, die durch eine<br />

geänderte Sensibilität des lokalen<br />

Managements für solche Themen zu<br />

positiven Veränderungen führen.<br />

Alf Meyer, Bereichsleiter Zentraleinkauf &<br />

Materialwirtschaft<br />

Lokaler Einkauf<br />

CEWE stellt seine innovativen Produkte<br />

in 12 Fertigungsstandorten in sechs<br />

europäischen Ländern her. Diese<br />

Produktionsstandorte werden zu über<br />

90 Prozent mit Material von europäischen<br />

Lieferanten versorgt. Dort, wo es möglich<br />

ist, arbeitet CEWE mit lokalen Lieferanten.<br />

Als lokale Beschaffung werden gelieferte<br />

Produktionsmaterialien gewertet, deren<br />

Lieferanten aus demselben Land stammen.<br />

Im Jahr 2017 konnten bereits 54 Prozent<br />

des Materials lokal beschafft werden.<br />

Ziel ist es, auch zukünftig vermehrt Lieferanten<br />

im lokalen Umfeld zu suchen,<br />

um die wirtschaftliche Unterstützung<br />

der Regionen im Umfeld der Produktionsstandorte<br />

zu gewährleisten <strong>und</strong><br />

die CO 2<br />

-Emissionen in der Lieferlogistik<br />

zu verringern. Um der Verpflichtung<br />

nachzukommen, Risiken langfristig zu<br />

managen <strong>und</strong> zu minimieren, wird für<br />

Produktionsmaterial stets eine Zwei- oder<br />

Mehrlieferantenstrategie angestrebt.<br />

Bedeutung der Nachhaltigkeit in<br />

Zukunft<br />

Bereits heute wird deutlich, dass das<br />

Thema Nachhaltigkeit auch in der Beschaffung<br />

sehr vielschichtig ist: Vom<br />

Risikomanagement, dem Local Sourcing<br />

über die Verwendung von umweltschonendem<br />

Material, der nachhaltigen<br />

Energiebeschaffung bis zur Compliance<br />

ist Nachhaltigkeit stets präsent. Dabei<br />

ist eine partnerschaftliche <strong>und</strong> stabile<br />

Lieferantenbasis besonders wichtig, um<br />

sich auch im Bereich einer nachhaltigen<br />

Supply Chain weiterentwickeln zu<br />

können.<br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

43


GOOD PRACTICE<br />

Mobilität in „Smart Cities“<br />

Staus, Lärmbelästigung <strong>und</strong> eine hohe Umweltbelastung – insbesondere Großstädte müssen<br />

sich aktuell vielen Herausforderungen stellen. Dazu nimmt die Digitalisierung enormen Einfluss<br />

darauf, wie wir uns fortbewegen wollen. Mobilität soll sofort <strong>und</strong> jederzeit, also „on-demand“,<br />

verfügbar sein <strong>und</strong> zu den eigenen Bedürfnissen passen. Gleichzeitig muss Mobilität vernetzt<br />

<strong>und</strong> nachhaltig sein. Mit seinem Portfolio an Mobilitätsdiensten trägt Daimler schon heute dazu<br />

bei, dass Städte ihren Personenverkehr intelligenter, flexibler, vernetzter <strong>und</strong> damit zukunftsfähiger<br />

gestalten können.<br />

Von Stephan Unger, Finanzvorstand Daimler Financial Services<br />

Großstädte bieten viele Jobs, zahlreiche<br />

Freizeitangebote <strong>und</strong> eine gute Infrastruktur.<br />

Bis 2050 sollen laut den<br />

Vereinten Nationen zwei Drittel der<br />

Weltbevölkerung in Städten leben. Die<br />

Folge: immer mehr Menschen zieht es<br />

in Großstädte. Doch nicht nur Ballungsgebiete,<br />

sondern auch die Automobilindustrie<br />

befindet sich derzeit im Wandel.<br />

Mobilität wird zunehmend als Service<br />

konsumiert. Gefragt sind deswegen intelligente<br />

<strong>und</strong> vernetzte Verkehrslösungen.<br />

Das Konzept der „Smart Cities“ soll die<br />

Lebensqualität der Stadtbewohner mit<br />

einer Reihe digitaler Lösungen erhöhen.<br />

In punkto Mobilität liegt der Fokus auf<br />

einer Verbesserung der Verkehrslage<br />

<strong>und</strong> Emissionen <strong>und</strong> auf der Verringerung<br />

von Unfällen. Mobilitätsangebote<br />

wie Carsharing, Mitfahrdienste oder<br />

Smartphone-Apps können die städtische<br />

Fortbewegung auf vielfache Weise zukunftsfähiger<br />

machen. Sie tragen zum<br />

Umweltschutz bei <strong>und</strong> verhelfen der<br />

Elektromobilität zum Durchbruch.<br />

Weniger Treibhausgase, mehr Komfort<br />

So kann Carsharing zu einem geringeren<br />

CO 2<br />

-Austoß führen, da hier ältere Autos<br />

durch neuere Fuhrparks mit niedrigeren<br />

Emissionen ersetzt werden. Das belegt<br />

eine Studie der Universität Berkeley in<br />

Kalifornien. Die Wissenschaftler untersuchten<br />

drei Jahre lang, wie sich Mobilitätssysteme<br />

wie beispielsweise Daimlers<br />

car2go in den kanadischen Metropolen<br />

Calgary <strong>und</strong> Vancouver sowie den amerikanischen<br />

Städten Seattle, San Diego<br />

<strong>und</strong> Washington D.C. auf den urbanen<br />

Verkehr <strong>und</strong> die Umweltbelastung auswirken.<br />

Insgesamt nahm die Belastung<br />

durch Treibhausgase in den fünf Metropolen<br />

nach Berechnungen der Forscher<br />

dadurch um bis zu 7.700 Tonnen pro<br />

Jahr ab. Jedes Carsharing-Fahrzeug ersetzt<br />

zudem im Schnitt sechs bis acht<br />

private Fahrzeuge. Dabei verschwinden<br />

vor allem alte Autos von den Straßen.<br />

Doch auch Komfort <strong>und</strong> Einfachheit<br />

stehen beim Carsharing weit oben. Es<br />

bietet alle Vorteile eines Autos ohne es zu<br />

besitzen: Parken, Tanken oder Aufladen<br />

<strong>und</strong> Versicherung – alles inklusive. Abgerechnet<br />

wird die Nutzung pro Minute.<br />

Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs<br />

Der öffentliche Personennahverkehr r<strong>und</strong>et<br />

das Angebot an umweltfre<strong>und</strong>lichen<br />

Transportarten ab. Noch sicherer wird<br />

dieser mit dem Mercedes Benz Future Bus,<br />

Daimlers halbautomatisiertem Stadtbus<br />

mit CityPilot. Das Besondere: Den eingebauten<br />

Kameras <strong>und</strong> Radarsystemen<br />

entgeht nichts <strong>und</strong> der Fahrer wird entlastet.<br />

Der ruhige <strong>und</strong> vorausschauende<br />

Fahrstil verringert zudem die Abnutzung<br />

inklusive einem geringeren Kraftstoffverbrauch<br />

<strong>und</strong> weniger Emissionen.<br />

Dennoch bleiben Lücken. Bus <strong>und</strong> Bahn<br />

fahren zu bestimmten Uhrzeiten unregel-<br />

44 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


mäßiger, die Strecken sind klar definiert.<br />

Carsharing oder Taxifahrten stärken <strong>und</strong><br />

ergänzen den öffentlichen Nahverkehr.<br />

Insbesondere für einkommensschwache<br />

Gruppen waren Taxifahrten in der<br />

Vergangenheit kaum erschwinglich. Mit<br />

sogenannten Ride-Pooling-Lösungen wie<br />

mytaximatch oder moovel on demand<br />

können die Fahrten <strong>und</strong> ihre Kosten<br />

inzwischen ebenfalls geteilt werden.<br />

Auch die Anzahl der Fahrzeuge auf den<br />

Straßen kann so verringert werden.<br />

Fortbewegung nach Bedarf<br />

Das Mobilitätsangebot verändert sich,<br />

genauso wie unsere Ansprüche. Vor<br />

allem jüngere Menschen legen Wert<br />

auf Flexibilität. Manchmal ist das Auto<br />

die beste Lösung, um von A nach B zu<br />

kommen, ein anderes Mal ist es die<br />

U-Bahn. Abhängig ist das von vielen<br />

Faktoren: Zu welcher Tageszeit bin ich<br />

unterwegs? Ist gerade Stau in der Stadt?<br />

Habe ich Gepäck? Wie ist das Wetter?<br />

Gefragt sind durchdachte <strong>und</strong> vernetzte<br />

Anwendungen.<br />

Multimodale Plattformen helfen dabei,<br />

den besten <strong>und</strong> schnellsten Weg zu<br />

finden. Die Daimler-App moovel zeigt<br />

passende Angebote des öffentlichen Nahverkehrs,<br />

von mytaxi, car2go, Nextbike<br />

<strong>und</strong> der Deutschen Bahn. Die gewählte<br />

Route inklusive aller genutzten Transportmittel<br />

wird am Ende über die App<br />

bezahlt.<br />

Pilotprojekt für automatisiertes<br />

Fahren<br />

Daimler investiert außerdem intensiv in<br />

autonomes Fahren <strong>und</strong> entsprechende<br />

Flottenprojekte. 2019 wird in Kooperation<br />

mit Bosch auf ausgewählten<br />

Strecken im kalifornischen San José<br />

ein Shuttle-Service mit automatisierten<br />

Fahrzeugen getestet. Mit der Technologie<br />

kann die Zeit im Fahrzeug bestmöglich<br />

genutzt werden <strong>und</strong> Menschen ohne<br />

Führerschein bekommen eine neue<br />

Möglichkeit mobil zu sein.<br />

Das Pilotprojekt soll zudem zeigen, dass<br />

Mobilitätsservices wie Carsharing, Taxidienste<br />

<strong>und</strong> multimodale Plattformen<br />

intelligent verb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> gesteuert werden<br />

können. Das Fahrzeug kommt zum<br />

Fahrer, nicht der Fahrer zum Fahrzeug.<br />

Innerhalb eines festgelegten Stadtgebiets<br />

werden sich Nutzer per Smartphone<br />

bequem ein Carsharing-Auto oder einen<br />

Wagen ordern können.<br />

Selbstlernende IT-Infrastruktur<br />

Einen Schritt weiter geht Daimlers Vision<br />

„Urbanetic“. Dabei handelt es sich um<br />

ein Mobilitätskonzept, das konsequent<br />

auf die tatsächlichen Bedarfe sowie Effizienz<br />

<strong>und</strong> Nachhaltigkeit ausgelegt ist.<br />

Herzstück ist ein autonom fahrendes,<br />

elektrisch betriebenes Chassis, das je<br />

nach Einsatz unterschiedlich ausgerüstet<br />

werden kann. Frühmorgens <strong>und</strong><br />

am späteren Nachmittag im Berufsverkehr<br />

kann die Flotte verstärkt mit dem<br />

People-Mover-Modul bestückt werden.<br />

In anderen Zeiten wird das System mit<br />

Cargo-Modul mehrheitlich für den Warentransport<br />

genutzt.<br />

Das Fahrzeug ist darüber hinaus in eine<br />

intelligente, selbstlernende IT-Infrastruktur<br />

integriert. Sie analysiert in Echtzeit,<br />

welche Art von Transportsystem gerade<br />

benötigt wird <strong>und</strong> passt die Routen permanent<br />

an.<br />

Die Herausforderungen<br />

Eine smarte Stadt besteht allerdings<br />

nicht allein aus flexiblen Verkehrslösungen.<br />

Es umfasst ebenso intelligente<br />

Wohn- <strong>und</strong> Energiekonzepte, das Verwaltungswesen<br />

<strong>und</strong> noch viele weitere<br />

Bereiche. Die Vernetzung aller Systeme<br />

erfordert unter anderem stabile Datennetze,<br />

Ladeinfrastrukturen oder alternative<br />

Energien. Darüber hinaus muss<br />

definiert werden, welche Daten zu erfassen,<br />

zu analysieren, zu schützen <strong>und</strong><br />

zu speichern sind oder wie Smart City<br />

Projekte insgesamt gemanagt werden<br />

sollen. Der Investitionsbedarf ist hoch,<br />

aber sinnvoll.<br />

Daimler ist von der Idee der „Smart Cities“<br />

überzeugt <strong>und</strong> gestaltet sie aktiv mit.<br />

Mit seinen Mobilitätsdiensten leistet<br />

der Konzern nicht nur einen wertvollen<br />

Beitrag zu einem durchdachten <strong>und</strong><br />

komfortablen Städtekonzept, sondern<br />

unterstützt gleichzeitig die Umsetzung<br />

der UN-Nachhaltigkeitsziele. Der Erfolg<br />

des Wandels hängt jedoch nicht nur von<br />

der Automobilindustrie ab. Gefragt sind<br />

alle Akteure – Politik, <strong>Wirtschaft</strong> <strong>und</strong><br />

Bürger.<br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

45


GOOD PRACTICE<br />

DAW: Ausgezeichneter<br />

Klimaschutz<br />

Die DAW SE legt traditionell großen Wert auf die Umweltfre<strong>und</strong>lichkeit <strong>und</strong> Langlebigkeit von<br />

Produkten. Dazu gehört auch eine konsistente Klimaschutzstrategie. Für ihre nachhaltige<br />

Geschäfts- <strong>und</strong> Produktphilosophie erhielt DAW zahlreiche Auszeichnungen <strong>und</strong> platzierte sich<br />

unter die Top 3 des Deutschen Nachhaltigkeitspreises <strong>2018</strong>.<br />

Von Bettina Klump-Bickert, Head of Sustainability,<br />

DAW<br />

Der Klimawandel stellt für Unternehmen<br />

weltweit eine der größten Herausforderungen<br />

dar. Das gilt insbesondere für die<br />

Bau- <strong>und</strong> Immobilienbranche, die für<br />

über ein Drittel der weltweiten Treibhausgasemissionen<br />

(ausgewiesen als<br />

CO 2<br />

-Equivalente) verantwortlich ist. Die<br />

Folgen, die der steigende CO 2<br />

-Ausstoß<br />

<strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>ene Erderwärmung<br />

haben, bekommen wir bereits<br />

heute zu spüren. Um die wachsenden<br />

Risiken für kommende Generationen zu<br />

begrenzen, hat sich die internationale<br />

Staatengemeinschaft bei der Klimakonferenz<br />

2015 in Paris auf das „Zwei-Grad-<br />

Ziel“ geeinigt. Auch die im selben Jahr beschlossene<br />

„Agenda 2030 für nachhaltige<br />

Entwicklung“ der Vereinten Nationen<br />

greift die Bekämpfung des Klimawandels<br />

<strong>und</strong> seiner Auswirkungen als eines<br />

von 17 Zielen (Sustainable Development<br />

Goals, SDGs) auf.<br />

Seitdem haben sich viele Unternehmen<br />

auf den Weg gemacht, diese Ziele in<br />

konkrete Maßnahmen zu übersetzen.<br />

Dazu zählt auch die DAW: Als Familienunternehmen<br />

in fünfter Generation<br />

fühlen wir uns einer nachhaltigen Entwicklung<br />

besonders verpflichtet. Als<br />

drittgrößter Produzent von Baufarben in<br />

Europa möchten wir dazu beitragen, den<br />

Klimaschutz beim Bauen <strong>und</strong> Wohnen<br />

voranzutreiben. Denn der Schutz des<br />

Klimas mit Verwirklichung des Zwei-<br />

Grad-Ziels sehen wir als eine der größten<br />

Herausforderungen unserer Zeit, die die<br />

DAW ambitioniert begleiten möchte.<br />

Leindotter in Blüte<br />

Hanfanbau für Wärmedämmung<br />

Produkte für den Klimaschutz<br />

Die Sicherheit <strong>und</strong> das Wohlergehen<br />

von Mensch <strong>und</strong> Natur sind für die DAW<br />

kein neues Thema. Das gilt auf Seiten der<br />

Produkte wie auch seitens der Produktion.<br />

So setzt die „Capa Geo“-Produktlinie<br />

bewusst auf erneuerbare, biogene Stoffe<br />

<strong>und</strong> spart beispielsweise im 12,5 Liter<br />

Gebinde IndekoGeo drei Liter fossile<br />

Rohstoffe ein. Mit Holzveredelungsprodukten<br />

auf Basis Leindotter trägt<br />

die DAW mit dazu bei, die biologische<br />

Vielfalt zu stärken. Positive Schlagzeilen<br />

macht seit Jahren auch die Hanfdämmung.<br />

Sie besteht aus dem natürlichen<br />

Rohstoffen Hanf, der bereits während<br />

des Wachstums CO 2<br />

bindet.<br />

Klimastrategie erfolgreich<br />

implementiert<br />

Neben den Produkten zahlt auch das<br />

interne Energiemanagement auf die<br />

Klimaschutzstrategie des Unternehmens<br />

ein. 2013 war die DAW das erste Unternehmen<br />

der Branche, das sich im Bereich<br />

Energiemanagement nach ISO 50001 zertifizieren<br />

ließ. Durch Maßnahmen wie<br />

die Einführung einer Gebäudeleittechnik,<br />

46 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


die Installation von Wärmerückgewinnungsanlagen<br />

sowie die konsequente<br />

Umstellung auf LED-Beleuchtung konnte<br />

die DAW innerhalb von vier Jahren 18<br />

Prozent Energie einsparen. Ziel ist es,<br />

den Energieverbrauch für die Produktionsstandorte<br />

in <strong>Deutschland</strong> bis 2025<br />

um weitere 15 Prozent im Vergleich zu<br />

2015 verringern.<br />

Ein weiterer Meilenstein in Sachen<br />

CO 2<br />

-Reduktion <strong>und</strong> Klimaschutz war<br />

in 2017 die Klimaneutralstellung der<br />

Produktion <strong>und</strong> Verwaltung an den<br />

deutschen Standorten. Dabei wurde die<br />

Stromversorgung auf Ökostrom umgestellt<br />

<strong>und</strong> nicht vermeidbare Emissionen<br />

wie für das Heizen, über den Kauf von<br />

Emissionszertifikaten nach dem „Gold<br />

Standard“ ausgeglichen.<br />

Für ihre nachhaltige Unternehmensausrichtung<br />

erhielt die DAW zahlreiche<br />

Auszeichnungen:<br />

Deutscher Nachhaltigkeitspreis <strong>2018</strong><br />

Hier erreichte die DAW die Top 3 Platzierung<br />

in der Kategorie „Mittelgroße<br />

Unternehmen“. Die Jury begründete die<br />

Platzierung wie folgt: „Die DAW zeigt als<br />

Innovationstreiber vorbildlich, wie Nachhaltigkeit<br />

als Ziel das unternehmerische<br />

Handeln bestimmt <strong>und</strong> mit einem breiten<br />

Angebot ökologischer Produkte auch<br />

seine K<strong>und</strong>en zum Umdenken bewegt.“<br />

Neben der Produktentwicklung würdigte<br />

der Preis auch die klimaneutrale Produktion<br />

an den deutschen Standorten, die<br />

stetige Reduzierung der Emissionen sowie<br />

das Engagement für Mitarbeiter <strong>und</strong><br />

Gesellschaft, mit denen die DAW einen<br />

Beitrag für ein nachhaltiges <strong>Wirtschaft</strong>en<br />

leistet. „Die Platzierung unter den Top 3<br />

des Deutschen Nachhaltigkeitspreises ist<br />

für uns als Familienunternehmen eine<br />

große Freude <strong>und</strong> gleichzeitig Ansporn,<br />

weiterhin positive Beiträge zur <strong>Wirtschaft</strong>lichkeit,<br />

zum Umweltschutz <strong>und</strong><br />

für das Wohlbefinden der Menschen zu<br />

leisten“, so Dr. Ralf Murjahn, geschäftsführender<br />

Direktor (CEO).<br />

Innovation als Wettbewerbsvorteil<br />

mit dem Rating „A“ ausgezeichnet. Unternehmen<br />

mit dieser Auszeichnung setzen<br />

Maßstäbe, sagte der wissenschaftliche<br />

Leiter der Studie, Prof. Dr. Nikolaus Franke<br />

von der <strong>Wirtschaft</strong>suniversität Wien.<br />

Besonders überzeugen konnte die DAW<br />

u.a. mit der Organisation ihrer Prozesse,<br />

dem Innovationsklima <strong>und</strong> den Innovationserfolgen.<br />

„Unsere Innovationskraft<br />

zählt jetzt erwiesenermaßen zum Besten,<br />

was der deutsche Mittelstand zu bieten<br />

hat. Das stärkt unsere Glaubwürdigkeit<br />

<strong>und</strong> schafft Vertrauen bei Mitarbeitern,<br />

Partnern <strong>und</strong> natürlich K<strong>und</strong>en“, so Dr.<br />

Christoph Hahner, geschäftsführender<br />

Direktor F&E / Innovation.<br />

DAW zählt zu den Top-Arbeitgebern<br />

in <strong>Deutschland</strong><br />

Als Voraussetzung für jegliche Form von<br />

Innovation sieht die DAW eine gelebte<br />

Innovationskultur, die das gesamte Unternehmen<br />

einschließt. Deshalb bietet<br />

das Unternehmen seinen Mitarbeitern<br />

vielfältige Möglichkeiten, sich mit ihren<br />

Ideen einzubringen <strong>und</strong> sich weiterzuentwickeln.<br />

Dieses Engagement für ihre<br />

Beschäftigten spiegelt sich auch in der<br />

Platzierung der DAW in einem aktuellen<br />

Ranking wider, das Focus-Business in<br />

Zusammenarbeit mit Xing <strong>und</strong> kununu.<br />

com durchgeführte. Demnach zählt die<br />

DAW zu den 1.000 beliebtesten Arbeitgebern<br />

des Landes.<br />

Responsible Care-Wettbewerb<br />

Hier wurde die DAW mit dem ersten<br />

Platz für das Projekt „Nachhaltigkeitsdatenblatt“<br />

(NDP) <strong>und</strong> für die Beteiligung<br />

an dem Projekt „PEF“ (Product-Environmental-Footprint)<br />

der europäischen<br />

Kommission ausgezeichnet. Das NDP<br />

wurde von der DAW im Jahr 2012 zur<br />

Fachmesse „Farbe – Ausbau & Fassade“<br />

präsentiert <strong>und</strong> ist inzwischen zum Branchenstandard<br />

geworden. Es erleichtert<br />

Planern <strong>und</strong> Fachhandwerkern die Suche<br />

nach produktspezifischen Informationen,<br />

die für die bekanntesten Gebäude-<br />

Zertifizierungssysteme DGNB, LEED <strong>und</strong><br />

BREEAM benötigt werden. Mit dem PEF<br />

hat die DAW gemeinsam mit weiteren<br />

Partnern einen neuen Standard für die<br />

Berechnung <strong>und</strong> verbraucherfre<strong>und</strong>liche<br />

Kommunikation von Umwelteinwirkungen<br />

von Farben <strong>und</strong> Lacken über den<br />

Lebenszyklus entwickelt.<br />

Neue DAW Firmenzentrale Ober-Ramstadt<br />

Im Rahmen des Wettbewerbs „TOP 100“<br />

wurde die DAW als eine der innovativsten<br />

Firmen des deutschen Mittelstands<br />

Von links: Dr. Christoph Hahner, Karin Laberenz, Bettina Klump-Bickert, Björn Schön<br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

47


GOOD PRACTICE<br />

Menschenrechtliche<br />

Sorgfaltspflicht bei der<br />

Deutschen Telekom<br />

Gesellschaftliche Unternehmensverantwortung kann nur gemeinsam mit den Mitarbeitern<br />

eines Unternehmens gelingen. Von besonderer Bedeutung ist dabei das Commitment der<br />

Unternehmensführung. Im Alltag muss CSR aber auch gelebt werden. Das erfordert neben<br />

Vorbildern auch das nötige Wissen.<br />

Von Melanie Kubin-Hardewig, Group Sustainability<br />

Management, Deutsche Telekom<br />

Mitarbeiter müssen zu den wichtigsten<br />

Themen geschult <strong>und</strong> sensibilisiert<br />

werden. Jedem Mitarbeiter sollte klar<br />

sein, welchen Beitrag er zur Reduzierung<br />

des Carbon Footprint leisten kann,<br />

<strong>und</strong> er sollte erkennen können, wenn<br />

gr<strong>und</strong>legende <strong>Menschenrechte</strong> in seiner<br />

unmittelbaren Umgebung oder in seinem<br />

Tätigkeitsbereich gefährdet sind. Für die<br />

Deutsche Telekom ist die Einbindung der<br />

Mitarbeiter essentieller Bestandteil des<br />

Nachhaltigkeitsengagements. „Wir sind<br />

auf den ersten Blick vielleicht kein ‚klassisch<br />

grünes‘ Unternehmen“, sagte Timotheus<br />

Höttges, Vorstandsvorsitzender der<br />

Deutschen Telekom, bei der Verleihung<br />

des Deutschen Nachhaltigkeitspreises<br />

2017. „Aber wir nehmen Nachhaltigkeit<br />

sehr ernst.“<br />

Im Rahmen ihrer Nachhaltigkeitsberichterstattung<br />

ermittelt die Deutsche<br />

Telekom mit einem eigenen KPI die<br />

Befürwortung der Mitarbeiter zum CR-<br />

Engagement. Die letzten veröffentlichten<br />

Zahlen aus dem Jahr 2015 zeigen mit<br />

78 Prozent hohe Zustimmungswerte,<br />

sowohl für die Bewertung als auch für<br />

die persönliche Identifikation mit dem<br />

CR-Engagement.<br />

Zudem wird im jährlich abgefragten<br />

<strong>und</strong> veröffentlichten Sozialbericht die<br />

Einhaltung des „Menschenrechtskodex<br />

& Soziale Gr<strong>und</strong>sätze“ überprüft. 121<br />

vollkonsolidierte Gesellschaften aus dem<br />

gesamten Konzern haben für den aktuellen<br />

Bericht über das Geschäftsjahr 2017<br />

die vollständige Einhaltung gemeldet.<br />

Basis für die Menschenrechtspolitik der<br />

Deutschen Telekom sind die UN-Leitprinzipien<br />

für <strong>Wirtschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Menschenrechte</strong><br />

aus dem Jahr 2011. Sie bilden die<br />

Gr<strong>und</strong>lage für die im „Menschenrechtskodex<br />

& Soziale Gr<strong>und</strong>sätze“ verankerte<br />

Sorgfaltspflicht sowie den für Lieferanten<br />

spezifischen Supplier Code of Conduct.<br />

Die CSR Richtlinie (CSR RUG) <strong>und</strong> der Nationale<br />

Aktionsplan <strong>Wirtschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Menschenrechte</strong><br />

(NAP) sind neue rechtliche<br />

Anforderungen, die eine Auseinandersetzung<br />

mit dem Thema <strong>Menschenrechte</strong><br />

erforderlich machen, hinzu kommen<br />

die Erwartungen unterschiedlicher Stakeholder.<br />

Um das Thema aber in die Unternehmenskultur<br />

zu integrieren, ist die Einbindung<br />

der Mitarbeiter unerlässlich. Zur<br />

Förderung von Sensibilität <strong>und</strong> Bewusstsein<br />

für menschenrechtliche Risiken <strong>und</strong><br />

Verstöße wurde deshalb ein spezielles<br />

Training für alle Mitarbeiter konzipiert.<br />

Damit schult die Deutsche Telekom weltweit<br />

alle 216.000 Mitarbeiter zum Themenbereich<br />

<strong>Menschenrechte</strong>. „Wir haben<br />

im Januar mit dem weltweiten Rollout<br />

begonnen“, sagt Yvonne Hommes, die<br />

im Konzern für die interne Einhaltung<br />

der <strong>Menschenrechte</strong> zuständig ist.<br />

Das als E-Learning angelegte Trainingsprogramm<br />

steht konzernweit zur Verfügung.<br />

Man habe sich bewusst für ein<br />

breites Bildungsangebot entschieden, an<br />

dem alle Mitarbeiter teilnehmen können,<br />

erläutert Hommes. Kulturelle Besonderheiten<br />

<strong>und</strong> nationale Gesetzgebungen<br />

werden dabei berücksichtigt. „Gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

gilt unser Menschenrechtskodex<br />

& Soziale Gr<strong>und</strong>sätze aber weltweit“, so<br />

Yvonne Hommes weiter.<br />

Seit einigen Jahren untersucht das Team<br />

neben den lang etablierten formalen<br />

Audits in der Lieferkette auch gezielt die<br />

Situation in den eigenen lokalen Einheiten<br />

der DTAG r<strong>und</strong> um den Globus. Mit<br />

den vorhandenen Prozessen <strong>und</strong> den<br />

Ergebnissen war man in Bonn weitestgehend<br />

zufrieden. Gemeinsam erarbeitete<br />

Maßnahmenpläne <strong>und</strong> deren Umsetzung<br />

sorgen für stetige Verbesserung. „Dabei<br />

fiel uns allerdings auch auf, dass der<br />

Begriff der „<strong>Menschenrechte</strong>“ als solches<br />

48 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


Beispiele aus dem E-Learning-Programm<br />

„<strong>Menschenrechte</strong>“: Mit einfachen Inhalten<br />

sollen die Mitarbeiter für menschenrechtliche<br />

Risiken sensibilisiert werden.<br />

Szenario 1 Information<br />

Hier geht es um die folgenden<br />

Menschenrechtsanliegen:<br />

• Arbeitsbedingungen<br />

• Recht auf Privatleben<br />

• Mögliche Diskriminierung aufgr<strong>und</strong><br />

des Geschlechts<br />

Unsere Konzernrichtlinie zu Employee<br />

Relations befasst sich mit den wichtigsten<br />

Elementen der Personalpolitik der Deutschen<br />

Telekom. Eines davon ist ein ges<strong>und</strong>es<br />

Gleichgewicht zwischen Beruf <strong>und</strong><br />

Privatleben.<br />

Andere Personenkreise, deren<br />

<strong>Menschenrechte</strong> möglicherweise betroffen<br />

sein könnten<br />

Die Aktivitäten eines Unternehmens können<br />

sich nicht nur auf die <strong>Menschenrechte</strong> seiner<br />

Mitarbeiter auswirken.<br />

K<strong>und</strong>en, Kommunen <strong>und</strong> Arbeiter in<br />

Lieferketten können ebenfalls betroffen sein.<br />

In den Kästen links finden Sie Beispiele für<br />

negative Auswirkungen auf die<br />

<strong>Menschenrechte</strong> anderer Personenkreise.<br />

Probleme ansprechen<br />

Wenn Sie Bedenken oder Fragen hinsichtlich<br />

Ihrer eigenen <strong>Menschenrechte</strong> oder der<br />

<strong>Menschenrechte</strong> anderer Personen im<br />

System der Deutschen Telekom haben,<br />

sollten Sie sich an Ihren direkten<br />

Vorgesetzten wenden <strong>und</strong>/oder eine E-Mail<br />

an die Kontaktstelle für <strong>Menschenrechte</strong><br />

senden: humanrights@telekom.de.<br />

Die Adresse finden Sie im Bereich<br />

<strong>Menschenrechte</strong> der DT-Website.<br />

Sie können auch mit dem Hinweisgeberportal<br />

„Tell me!“ Kontakt aufnehmen.<br />

von Mitarbeitern aber auch Führungskräften<br />

häufig nur mit Missständen in<br />

fernen Ländern in Asien oder Afrika in<br />

Verbindung gebracht wird“, erinnert sich<br />

Yvonne Hommes. „Ziel muss es sein, die<br />

Achtung der <strong>Menschenrechte</strong> in die Unternehmenskultur<br />

zu integrieren <strong>und</strong> nicht<br />

nur als Thema im Einkauf zu begreifen“,<br />

führt sie weiter aus. „Jeder Mitarbeiter<br />

sollte verstehen, welchen Einfluß <strong>und</strong><br />

welche Verantwortung die Deutsche<br />

Telekom insgesamt hat“, so Hommes,<br />

„aber auch was <strong>Menschenrechte</strong> für die<br />

unmittelbare Umgebung bedeuten, <strong>und</strong><br />

was zu tun ist, um diese einzuhalten.“<br />

Im Nachgang entstand daher die Idee,<br />

das Thema <strong>Menschenrechte</strong> für die gesamte<br />

Belegschaft aufzubereiten. Ziel ist<br />

die Sensibilisierung aller Mitarbeiter zu<br />

Menschenrechtsthemen, vor allem auch<br />

in ihrer unmittelbaren Umgebung <strong>und</strong><br />

ihrem Tätigkeitsbereich.<br />

Das E-Learning führt anhand von Szenarien<br />

um Diskriminierung, Arbeitszeitbelastung<br />

bis hin zur sexuellen Belästigung<br />

am Arbeitsplatz in das Thema ein.<br />

Regelmäßige flankierende interne Kommunikationskampagnen<br />

zum Thema<br />

<strong>Menschenrechte</strong> sorgen für eine rege<br />

Teilnahme. Hommes: „Den tatsächlichen<br />

Erfolg können wir Ende des Jahres auswerten<br />

<strong>und</strong> dann eventuell notwendige<br />

Anpassungen vornehmen.“<br />

Neben dem Erkennen von Risiken sollen<br />

die Mitarbeiter auch lernen, wie sie sich<br />

verhalten können, wenn ihnen Verstöße<br />

begegnen. „Dafür haben wir ein spezielles<br />

Postfach eingerichtet“, so Yvonne<br />

Hommes. Dort eingehende Anliegen<br />

werden zunächst einem Plausibilitätstest<br />

unterzogen <strong>und</strong> dann mit den geeigneten<br />

Ansprechpartnern <strong>und</strong> Fachabteilungen<br />

bearbeitet. Hommes: „Jeder Mitarbeiter<br />

kann sich sicher sein, dass wir sein<br />

Anliegen bis zu einer abschließenden<br />

Klärung bearbeiten werden.“<br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

49


GOOD PRACTICE<br />

Smart trifft Power:<br />

Das neue Energiesystem<br />

für die Stadt<br />

Gemeinsam Energie nutzen,<br />

die Umwelt schonen <strong>und</strong><br />

Kosten sparen. E.ON will mit<br />

seiner neuen Technologie<br />

ectogrid das urbane<br />

Wärme-, Kälte- <strong>und</strong> Stromnetz<br />

revolutionieren. Die<br />

Innovation ermöglicht den<br />

K<strong>und</strong>en, gegenseitig Wärme<strong>und</strong><br />

Kälteenergie ihrer<br />

Gebäude zu nutzen. Dadurch<br />

sinkt der Bedarf an benötigter<br />

Energie erheblich. ectogrid<br />

ist ein Beitrag, die Urbanisierung<br />

der Zukunft nachhaltig<br />

zu gestalten <strong>und</strong> den Klimawandel<br />

zu bekämpfen.<br />

Von Helen Carlström, Senior Innovation Manager<br />

bei ectogrid, E.ON<br />

Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung<br />

lebt heute in Städten. Tendenz steigend.<br />

Im urbanen Alltag wird viel Energie<br />

benötigt. Die stammt oft aus der Verbrennung<br />

fossiler Rohstoffe. Deshalb<br />

verursachen Städte heute 70 Prozent<br />

der globalen Treibhausgase <strong>und</strong> sind zu<br />

einem wichtigen Klimafaktor geworden.<br />

Neue Energielösungen müssen genau<br />

dieses Problem aufgreifen, um die urbane<br />

Umweltverschmutzung zu reduzieren<br />

<strong>und</strong> den Menschen ein ges<strong>und</strong>es Leben<br />

in der Stadt zu bieten. „Unsere Energiesysteme<br />

sind so konzipiert, dass sie jeweils<br />

nur eine Funktion zur selben Zeit erfüllen<br />

können. Durch einen integrierten Ansatz<br />

ist es aber möglich, ein viel effizienteres<br />

Energiesystem zu entwickeln“, sagt Dr.<br />

Per Rosén, der ectogrid erf<strong>und</strong>en hat.<br />

„Ein Gebäude, das Energie zum Heizen<br />

benötigt, produziert gleichzeitig einen<br />

kalten Energiestrom <strong>und</strong> umgekehrt.<br />

ectogrid verbindet diese thermischen<br />

Energieströme <strong>und</strong> hilft den Nutzern<br />

gegenseitig voneinander zu profitieren.“<br />

Das Ergebnis: Durch das gemeinsame<br />

Nutzen thermischer Energie reduzieren<br />

sich die Umweltauswirkungen beider<br />

Gebäude <strong>und</strong> ihre Energiekosten sinken.<br />

Eine intelligente Energielösung für<br />

die Stadt<br />

ectogrid ist für moderne Städte konzipiert<br />

<strong>und</strong> wurde von schwedischen<br />

Fernwärme-Spezialisten <strong>und</strong> Experten<br />

für Wärmepumpen entwickelt. Die<br />

Smart Grid Technologie sorgt für die<br />

Interaktion im Netz. Dabei nutzt das<br />

Energiesystem jene thermalen Energieströme,<br />

die in modernen Städten täglich<br />

durch unser Handeln entstehen.<br />

Mit Hilfe eines hocheffizienten kalten<br />

Nahwärmenetzes verbindet es verschiedene<br />

Häuser innerhalb einer Stadt oder<br />

eines Quartiers, sammelt überschüssige<br />

Wärmeenergie <strong>und</strong> gleicht diese selbständig<br />

zwischen den Gebäuden aus. Auch<br />

eine gesamte Stadt kann theoretisch in<br />

das Energiesystem integriert werden.<br />

Das smarte Cloudsystem nutzt darüber<br />

hinaus Algorithmen <strong>und</strong> Datenanalysen<br />

über Verbraucherverhalten, Jahreszeiten,<br />

Wetter oder Energiepreise, um die Energieverteilung<br />

<strong>und</strong> -speicherung optimal<br />

zu steuern.<br />

Die im Netz verb<strong>und</strong>enen Häuser verwenden<br />

Wärmepumpen <strong>und</strong> Kältemaschinen,<br />

die je nach Bedarf der Gebäude<br />

genutzt werden: Die Abwärme der Kälteanlagen<br />

dient zum Heizen <strong>und</strong> die<br />

Abkälte der Wärmepumpen zum Kühlen.<br />

In Verbindung mit Verteilnetzen <strong>und</strong><br />

Speichern im Erdreich entsteht eine Art<br />

thermische Batterie, die den Kälte- <strong>und</strong><br />

Wärmebedarf der angeschlossenen Gebäude<br />

intelligent ausbalanciert. Da das<br />

System mit derselben niedrigen Temperatur<br />

arbeitet wie seine Umgebung, geht<br />

kaum Energie bei der Verteilung nach<br />

außen verloren. Es benötigt nur dann<br />

externe Energie, wenn das Potenzial der<br />

thermischen Energieströme erschöpft<br />

ist. Entstehen Energieüberschüsse oder<br />

wird der Strom dringend für andere<br />

Zwecke benötigt – etwa zum Aufladen<br />

elektrischer Fahrzeuge – passt ectogrid<br />

50 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


selbständig die Systemtemperatur an<br />

den Bedarf an. ectogrid kann außerdem<br />

als hybride Lösung in bestehende<br />

Energiesysteme wie Erdgasnetze oder<br />

Fernwärme integriert werden: „Durch<br />

ectogrid ist es möglich, sowohl die<br />

Verschmutzung als auch den Energieverbrauch<br />

in Städten drastisch zu senken.<br />

Damit bekämpfen wir den Klimawandel<br />

<strong>und</strong> transformieren gleichzeitig den<br />

urbanen Energiemarkt“, erklärt Fredrik<br />

Rosenqvist, Head of Innovation, E.ON<br />

Sweden, <strong>und</strong> Miterfinder des neuen<br />

Energiesystems.<br />

Leuchtturmprojekt in Schweden<br />

Von diesem Anspruch waren auch die<br />

Betreiber des Medicon Village in L<strong>und</strong><br />

begeistert. Hier wird das erste ectogrid<br />

der Welt installiert. Über 1.600 Menschen<br />

in 120 Organisationen arbeiten in<br />

dem schwedischen Wissenschaftspark.<br />

Innovation <strong>und</strong> Forschung im Bereich<br />

Life Science ist ihr tägliches Geschäft.<br />

Jeder erwirtschaftete Überschuss wird<br />

in weitere Forschungs- <strong>und</strong> Innovationsvorhaben<br />

reinvestiert. Das gilt auch<br />

für das Geld, das die Betreiber durch<br />

die neue Lösung von E.ON einsparen.<br />

Bis 2020 dauern die unterschiedlichen<br />

Konstruktionsphasen im Medicon<br />

Village; insgesamt soll das Energiesystem<br />

zwölf Gebäude integrieren: „Für uns <strong>und</strong><br />

unsere Mieter ist es wichtig, dass der ökologische<br />

Fußabdruck unserer Tätigkeiten<br />

so niedrig wie möglich ist. ectogrid ist<br />

eine Innovation, die das widerspiegelt,<br />

was wir sein wollen – ein nachhaltiger<br />

<strong>und</strong> innovativer Forschungs- <strong>und</strong> Wissenschaftspark“,<br />

sagt Mats Leifland, CEO<br />

von Medicon Village.<br />

SDGs im Fokus<br />

Die Energiebranche nachhaltig umzugestalten,<br />

ist das erklärte Ziel von E.ON.<br />

Im Sommer 2017 hat E.ON sich in seinem<br />

aktuellen Commitment zur guten<br />

Unternehmensführung ausdrücklich zu<br />

den Nachhaltigen Entwicklungszielen<br />

der Vereinten Nationen bekannt. Dabei<br />

fokussiert sich das Unternehmen im<br />

Wesentlichen auf SDG 7 „Bezahlbare <strong>und</strong><br />

saubere Energie“, SDG 13 „Maßnahmen<br />

zum Klimaschutz“ <strong>und</strong> SDG 11 „Nachhaltige<br />

Städte <strong>und</strong> Gemeinden“. „Die<br />

UN-Ziele für Nachhaltigkeit sind mir <strong>und</strong><br />

meinen Kollegen im E.ON-Vorstand ein<br />

persönliches Anliegen. Verantwortung<br />

für unsere K<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Mitarbeiter, für<br />

Umwelt <strong>und</strong> Klima sowie die Gesellschaft<br />

steht immer schon im Mittelpunkt<br />

unserer Unternehmensführung“, sagt<br />

Leonhard Birnbaum, E.ON-Vorstand für<br />

Nachhaltigkeit. „Unser Geschäft soll das<br />

Leben der Menschen verbessern. Als<br />

Energieunternehmen können wir insbesondere<br />

zu einer Verbesserung von<br />

Umwelt- <strong>und</strong> Klimaschutz beitragen.“<br />

Energielösungen<br />

für Morgen<br />

ectogrid ist ein Beispiel dafür, wie<br />

E.ON die Energiewelt der Zukunft<br />

innovativ mitgestaltet. Dabei stehen<br />

die Ansprüche der K<strong>und</strong>en im<br />

Fokus der Unternehmensstrategie.<br />

Lohnt es sich, Energie selbst zu<br />

erzeugen? Wie kann man Strom<br />

einsparen oder speichern? „Unsere<br />

K<strong>und</strong>en denken heute schon an<br />

Morgen <strong>und</strong> Übermorgen. Um<br />

ihnen bestmögliche Lösungen<br />

anbieten zu können, setzen wir uns<br />

kontinuierlich mit Megatrends <strong>und</strong><br />

technologischen Entwicklungen<br />

auseinander“, sagt Dr. Johannes<br />

Teyssen, CEO von E.ON. „Schon<br />

lange geht es nicht mehr um<br />

einzelne Schlüsseltechnologien,<br />

sondern um die intelligente<br />

Kombination von Software, Strom,<br />

Wärme <strong>und</strong> Mobilität zu einem<br />

digitalen Ecosystem.“<br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

51


GOOD PRACTICE<br />

Evonik macht Lachse zu<br />

Vegetariern<br />

Die heutige Weltbevölkerung verzehrt Fisch in nie gekanntem Ausmaß. Als lebenswichtige<br />

Quelle von Nährstoffen spielt dieser eine sehr wichtige Rolle in der Ernährung besonders<br />

ärmerer Teile der Bevölkerung. Diese menschliche Abhängigkeit von Fisch belastet aber die<br />

Wildfischbestände erheblich. Betroffen sind nicht nur das Gleichgewicht des Lebens in den<br />

Ozeanen, sondern auch das soziale <strong>und</strong> wirtschaftliche Wohlergehen von Millionen Menschen,<br />

deren Lebensunterhalt vom Fisch abhängen.<br />

Von Hannelore Gantzer <strong>und</strong> Dr. Detlef Männig,<br />

Corporate Responsibility, Evonik<br />

Weltweit steigende Nachfrage nach<br />

Fischprodukten<br />

Die Menschen essen immer mehr Fisch<br />

<strong>und</strong> Krustentiere. Fischprodukte gelten<br />

als eiweißreich <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>: Wer statt<br />

rotem Fleisch öfter Fisch isst, verbessert<br />

seine Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> verringert die<br />

Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen<br />

sowie Krebs. R<strong>und</strong> 171 Millionen<br />

Tonnen Fisch wurden 2016 weltweit<br />

produziert, schätzt die Welternährungsorganisation<br />

FAO. Und der Bedarf steigt:<br />

Um eine wachsende Weltbevölkerung<br />

zu ernähren, werden bis 2030 weitere<br />

30 Millionen Tonnen benötigt.<br />

Die Überfischung der Meere <strong>und</strong> ein seit<br />

den 1980er Jahren stagnierender Wildfischfang<br />

erfordern es, den zusätzlichen<br />

Bedarf aus Aquakulturen zu decken, so<br />

die FAO. Bereits heute entfallen darauf<br />

fast 50 Prozent der globalen Fischproduktion,<br />

Tendenz steigend.<br />

Eine besondere Herausforderung in der<br />

Aquakultur bleibt die Fütterung: In der<br />

Fischzucht werden jährlich r<strong>und</strong> 16 Millionen<br />

Tonnen Fischmehl <strong>und</strong> Fischöl aus<br />

Wildfang eingesetzt. Das verschärft die<br />

Situation für die überfischten Bestände<br />

zusätzlich. Und genau da kommen die<br />

Wissenschaftler von Evonik ins Spiel. Sie<br />

ersetzen das aus Wildfang gewonnene<br />

Fischmehl <strong>und</strong> Fischöl durch ökologisch<br />

bessere Alternativen.<br />

Evonik für nachhaltige Aquakultur<br />

Als weltweit führender Anbieter von<br />

Aminosäuren <strong>und</strong> Aminosäurederivaten<br />

für die moderne Tierernährung ist<br />

Evonik stolz auf den Beitrag, den das<br />

Unternehmen zu verbesserter Umweltverträglichkeit<br />

<strong>und</strong> Erhaltung der Biodiversität<br />

leistet. Was sich so einfach<br />

anhört, ist in Wirklichkeit ziemlich<br />

kniffelig. Denn viele Fische <strong>und</strong> Krustentiere<br />

sind zunächst einmal Fleisch- oder<br />

Allesfresser. Essenzielle Aminosäuren,<br />

die sie für ihr Wachstum zwingend<br />

benötigen, beziehen sie größtenteils aus<br />

tierischen Proteinquellen. Eine Umstellung<br />

auf Soja oder andere pflanzliche<br />

Eiweiße allein wäre keine Lösung. Die<br />

Tiere könnten ihre Nahrung nicht optimal<br />

verwerten, müssten insgesamt<br />

mehr Eiweiß aufnehmen <strong>und</strong> würden<br />

entsprechend mehr Abbauprodukte<br />

ungenutzt ausscheiden. So würden Futterressourcen<br />

verschwendet <strong>und</strong> das<br />

Wasser zusätzlich belastet (Widerspruch<br />

zu Subziel 14.1).<br />

In Regionen, in denen Aquakultur nach<br />

dem neusten Stand der Technik betrieben<br />

wird, können Umweltbelastungen<br />

– wie der Einsatz von Antibiotika oder<br />

die Überdüngung des Wassers durch<br />

Futterreste <strong>und</strong> Kot – deutlich verringert<br />

werden. Dazu leisten gezielte Impfungen<br />

ebenso einen Beitrag wie verbessertes<br />

Futter oder effizientere Fütterungsmethoden.<br />

52 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


Aminosäuren <strong>und</strong> Aminosäurederivate,<br />

die Evonik speziell für die Fischzucht<br />

entwickelt hat, machen es möglich,<br />

künftig weitgehend auf den Einsatz<br />

von Fischmehl oder -öl zu verzichten.<br />

Mit MetAMINO® <strong>und</strong> DL-Methionine for<br />

Aquaculture TM bietet Evonik Proteinquellen<br />

insbesondere für Salmoniden (Lachse,<br />

Forellen) an. Durch die gezielte Zugabe<br />

werden vegetarische Futterquellen so<br />

verbessert, dass diese Tiere auch die<br />

pflanzlichen Eiweiße optimal nutzen<br />

können. Erfolgsbeispiel Lachs: 2008<br />

mussten dessen Futter noch r<strong>und</strong> 40<br />

Prozent Fischmehl beigemischt werden,<br />

was die Erreichung des Subziels 14.4 erschwert.<br />

Heute sind es durchschnittlich<br />

nur noch 10 bis 15 Prozent.<br />

Nachhaltige Ernährung von<br />

Garnelen<br />

Über die Zeit hat Evonik seine Forschungsarbeit<br />

von den Salmoniden auf<br />

die nachhaltige Zucht von Garnelen<br />

<strong>und</strong> Krustentieren ausgeweitet. Die<br />

Herausforderung dabei: Diese haben<br />

ein völlig anderes Fressverhalten <strong>und</strong><br />

Verdauungssystem als Fische. Während<br />

der Raubfisch Lachs sein Futter<br />

schnappt, sobald es in das Wasser eintritt,<br />

fressen Garnelen sehr langsam am<br />

Gewässergr<strong>und</strong>. Stark wasserlösliche<br />

Komponenten werden deshalb aus dem<br />

Futterpellet ausgewaschen, bevor sie<br />

von der Garnele aufgenommen werden<br />

können (Widerspruch zu Subziel 14.1).<br />

Außerdem muss das Methionin genau<br />

dann zur Verfügung stehen, wenn die<br />

in der Proteinverdauung freigesetzten<br />

Aminosäuren anfallen.<br />

Evonik ist es gelungen, diese Anforderung<br />

der richtigen Mengen zum richtigen<br />

Zeitpunkt zu knacken. Dazu kommt ein<br />

schwer wasserlösliches Dipeptid zum Einsatz,<br />

das aus zwei Methioninmolekülen<br />

besteht. Dieses muss im Organismus der<br />

Garnele zunächst aufgespalten werden,<br />

wodurch das Methionin zusammen mit<br />

anderen Verdauungsprodukten für die<br />

Proteinsynthese genutzt wird. Der Einsatz<br />

des Dipeptids AQUAVI® Met-Met hat<br />

neben dem niedrigeren Verbrauch an<br />

Fischmehl weitere Vorteile: Er senkt die<br />

Futterkosten <strong>und</strong> trägt zu verbesserter<br />

Wasserreinheit bei. Ergebnis sind gesündere<br />

Garnelen <strong>und</strong> geringere Umweltbelastungen.<br />

Die erste Produktionsanlage<br />

für AQUAVI® Met-Met ging im Jahr 2016<br />

am Evonik-Standort Antwerpen (Belgien)<br />

in Betrieb.<br />

Biotechnologische Herstellung von<br />

Fischfutter schont marine Rohstoffe<br />

Ein weiterer Schritt der Evonik-Forscher<br />

war es, den Einsatz von Fischöl im Futter<br />

vollständig zu ersetzen, mit Fokus auf die<br />

Omega-3-Fettsäuren EPA (Eicosapentaensäure)<br />

<strong>und</strong> DHA (Docosahexaensäure).<br />

Dazu brachten Evonik <strong>und</strong> die niederländische<br />

DSM ihre sich ergänzenden<br />

Kompetenzen in eine Entwicklungspartnerschaft<br />

ein. DSM hat große Erfahrung<br />

in der Kultivierung mariner Organismen<br />

<strong>und</strong> im Bereich der Biotechnologie, Evonik<br />

in der industriellen Produktion von<br />

Aminosäuren in großvolumigen Fermentationsprozessen.<br />

In dieser Partnerschaft werden Omega-<br />

3-Fettsäuren auf nachhaltige Weise biotechnologisch<br />

produziert – mit Hilfe<br />

von Meeresalgen (siehe Bild oben Mitte).<br />

Konkret: 1 kg des Algenöls ersetzt bis<br />

zu 60 kg Wildfang. Das ermöglicht es,<br />

die wachsenden Mengen in der Zucht<br />

einzulösen, ohne dadurch Fischbestände<br />

<strong>und</strong> Artenvielfalt der Meere zusätzlich<br />

zu gefährden (Subziel 14.4).<br />

Die Herstellung der algenbasierten Omega-3-Fettsäuren<br />

haben DSM <strong>und</strong> Evonik<br />

in dem neuen Unternehmen Veramaris<br />

V.O.F. gebündelt. An dem Joint Venture,<br />

das seinen Sitz auf dem DSM Biotech Campus<br />

in Delft (Niederlande) hat, sind beide<br />

Partner zu jeweils 50 Prozent beteiligt.<br />

Der Bau einer ersten Produktionsanlage<br />

am Standort Blair (Nebraska, USA) hat<br />

bereits begonnen <strong>und</strong> kommt planmäßig<br />

voran. Das Investment liegt bei r<strong>und</strong> 200<br />

Millionen US-$. Kommerzielle Mengen des<br />

Algenöls werden von 2019 an erhältlich<br />

sein. Die jährliche Produktionskapazität<br />

soll anfangs etwa 15 Prozent der aktuellen<br />

Jahresnachfrage nach EPA <strong>und</strong> DHA in<br />

der gesamten Lachszuchtindustrie decken.<br />

Auf diese Weise leistet Veramaris einen<br />

nachhaltigen Beitrag, die Lücke zwischen<br />

Angebot <strong>und</strong> Nachfrage nach Omega-<br />

3-Fettsäuren zu schließen.<br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

53


GOOD PRACTICE<br />

EY übernimmt wichtige Rolle<br />

im Austausch zwischen<br />

<strong>Wirtschaft</strong> <strong>und</strong> Politik<br />

Die Sustainable Development Goals (SDG) der Vereinten Nationen sollen politischen<br />

Akteuren <strong>und</strong> Unternehmen als Orientierungshilfe im Dickicht der Herausforderungen des<br />

21. Jahrh<strong>und</strong>erts dienen. Doch wie lassen sich die unterschiedlichen Welten von Regierungen<br />

<strong>und</strong> Privatwirtschaft zusammenbringen? Dafür braucht es glaubwürdige Mittler, die beide<br />

Sichtweisen kennen <strong>und</strong> als Moderatoren der Transformation agieren. Nur so lassen sich<br />

tragfähige Lösungen mit dem Ziel einer nachhaltigen Entwicklung erarbeiten. EY begleitet<br />

den Austausch zwischen Staat <strong>und</strong> <strong>Wirtschaft</strong> an vielen Stellen.<br />

Von Nadine Braun <strong>und</strong> Enno Wiesner, Climate Change and Sustainability Services, EY<br />

Nachhaltige Entwicklung ist in aller<br />

M<strong>und</strong>e. Die im Jahr 2015 von den Vereinten<br />

Nationen verabschiedeten SDG<br />

geben mit ihren 17 Zielen <strong>und</strong> 107 Zielvorgaben<br />

klare Leitlinien. Darin sind<br />

globale Herausforderungen wie der Klimawandel<br />

<strong>und</strong> die Verweigerung von<br />

<strong>Menschenrechte</strong>n dargelegt <strong>und</strong> mit<br />

Handlungsbestimmungen hinterlegt.<br />

Die Vereinten Nationen verweisen in den<br />

Umsetzungs-Maßnahmen der SDG ausdrücklich<br />

auf die Verantwortung sowohl<br />

der internationalen Regierungen als auch<br />

der Unternehmen <strong>und</strong> zivilgesellschaftlichen<br />

Gruppen. Alle diese Akteure sollen<br />

im Rahmen der <strong>Global</strong>en Partnerschaft<br />

ihre Ressourcen mobilisieren.<br />

Der kollaborative Ansatz zwischen Staaten<br />

<strong>und</strong> Unternehmen ist vielversprechend<br />

<strong>und</strong> mittlerweile Element vieler<br />

bedeutender Transformationsprozesse.<br />

So verweist der Klimaschutzplan 2050<br />

der B<strong>und</strong>esregierung, der die Beschlüsse<br />

der Pariser UN-Klimakonferenz umsetzt,<br />

auf die Bedeutung eines breiten gesellschaftlichen<br />

Diskurses. Im Bereich der<br />

<strong>Menschenrechte</strong> begleiten verschiedene<br />

Stakeholder des nationalen Forums für<br />

Corporate Social Responsibility (CSR) die<br />

Umsetzung der UN Guiding Principles<br />

for Business and Human Rights im Nationalen<br />

Aktionsplan <strong>Wirtschaft</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Menschenrechte</strong> (NAP). Unterschiedliche<br />

Dialogformen dienen dazu, die politischen<br />

Zielvorstellungen von Regierungen<br />

mit der Realität <strong>und</strong> den Herausforderungen<br />

von Unternehmen in Einklang<br />

zu bringen.<br />

An der Schnittstelle zwischen<br />

öffentlichem <strong>und</strong> privatem Sektor<br />

Das globale Beratungs- <strong>und</strong> <strong>Wirtschaft</strong>sprüfungsunternehmen<br />

EY begreift sich<br />

als aktiver Gestalter von nachhaltiger<br />

Entwicklung. Mit seinem Service-Bereich<br />

Public Sector unterstützt es überall auf<br />

der Welt Regierungen <strong>und</strong> staatliche Institutionen<br />

dabei, Herausforderungen wie<br />

die Digitalisierung, das Public Management<br />

oder die Evaluierung von gesetzlichen<br />

Maßnahmen zu bewältigen. Die<br />

Teams aus dem Bereich Climate Change<br />

and Sustainability Services (CCaSS) bringen<br />

ihre Expertise <strong>und</strong> Projekterfahrung<br />

ein in die Felder CSR-Strategie, Klimaschutz<br />

<strong>und</strong> Lieferkettenstandards.<br />

Auf der Basis seiner gebündelten Kompetenzen<br />

übernimmt EY die Rolle eines<br />

Vermittlers <strong>und</strong> Ideengebers, der den<br />

Austausch zwischen Staat <strong>und</strong> <strong>Wirtschaft</strong><br />

begleitet. Die zahlreichen Netzwerke helfen<br />

dabei, die SDG im Spannungsfeld der<br />

unterschiedlichen Interessen konkret zu<br />

gestalten. Dies zeigen nicht zuletzt zwei<br />

Projektbeispiele von EY <strong>Deutschland</strong>.<br />

Lösungen für Klimaschutz <strong>und</strong><br />

<strong>Menschenrechte</strong><br />

<strong>Deutschland</strong> kann seine Klimaziele nur<br />

erreichen, wenn Unternehmen innovative<br />

Lösungen zur Reduzierung der<br />

Treibhausgas-Emission entwickeln. Vom<br />

B<strong>und</strong>esumweltministerium bekam EY<br />

gemeinsam mit den Konsortialpartnern<br />

Wuppertal Institut <strong>und</strong> Ecologic Institut<br />

den Auftrag, für die deutsche <strong>Wirtschaft</strong><br />

ein Forum zum Klimaschutz zu konzipieren<br />

<strong>und</strong> einzurichten. Dieses sollte<br />

54 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


Nicole Richter, Partnerin bei EY <strong>und</strong> zuständig für Climate Change and<br />

Sustainability Services in <strong>Deutschland</strong>, Österreich <strong>und</strong> der Schweiz …<br />

… zu Ansätzen eines wirksamen Klimaschutzes<br />

„Klimaschutz bedeutet heutzutage nicht mehr nur die Einhaltung von Gesetzen,<br />

sondern steht für Innovation, Leistungsfähigkeit <strong>und</strong> Zukunftsorientierung. Daher<br />

sollten sich Unternehmen über die mittel- bis langfristigen Auswirkungen von<br />

Klimarisiken <strong>und</strong> -chancen auf ihre Geschäftsentwicklung im Klaren sein <strong>und</strong><br />

basierend darauf unternehmensindividuelle Strategien mit bestimmbaren Zielen<br />

formulieren.“<br />

… zu Herausforderungen von Unternehmen im Bereich der <strong>Menschenrechte</strong><br />

„Wir sehen, dass sich der Druck von K<strong>und</strong>en, Investoren <strong>und</strong> Gesetzgebern gegenüber Unternehmen verstärkt,<br />

menschenrechtliche Sorgfaltspflichten in ihren Geschäftsprozessen zu verankern. Gleichzeitig ist die Berücksichtigung<br />

von <strong>Menschenrechte</strong>n gerade in der Lieferkette vielfach eine wesentliche Gr<strong>und</strong>lage der erfolgreichen Platzierung<br />

von Unternehmen <strong>und</strong> ihren Produkten am Markt. Wichtig ist, dass Unternehmen menschenrechtliche Sorgfalt in ihre<br />

bestehenden Prozesse <strong>und</strong> Systeme integrieren.“<br />

den Anforderungen des Ministeriums<br />

genügen <strong>und</strong> gleichzeitig attraktiv für<br />

Unternehmen sein.<br />

Entstanden ist das Dialogforum „<strong>Wirtschaft</strong><br />

macht Klimaschutz“, das im März<br />

<strong>2018</strong> die Arbeit in themenspezifischen<br />

Arbeitsgruppen aufnahm. Derzeit zählt<br />

das Forum mehr als 200 angemeldete<br />

Unternehmensvertreter*innen aus über<br />

100 verschiedenen Unternehmen. Seine<br />

Arbeitsgruppen treffen sich alle drei bis<br />

vier Monate <strong>und</strong> entwickeln sukzessive<br />

Projekte <strong>und</strong> Maßnahmen zu Themen wie<br />

„Unternehmensbezogene Klimaschutzziele“<br />

oder „Klimafre<strong>und</strong>liche Lieferkette“.<br />

So entstehen praxisnahe Konzepte für<br />

eine klimaschonende <strong>Wirtschaft</strong>. Politik<br />

<strong>und</strong> Unternehmen werden damit betriebswirtschaftliche<br />

<strong>und</strong> technologische Pfade<br />

zur Erreichung der Klimaziele aufgezeigt.<br />

Auch die Verantwortung von Unternehmen<br />

bei der Einhaltung menschenrechtlicher<br />

Sorgfaltspflichten wird seit<br />

Längerem diskutiert. EY erhielt gemeinsam<br />

mit systain, focusright <strong>und</strong> adelphi<br />

den Auftrag, die Umsetzung der im<br />

NAP beschriebenen fünf Kernelemente<br />

menschenrechtlicher Sorgfaltspflicht<br />

im Rahmen eines wissenschaftlichen<br />

Monitorings zu überprüfen. Das Ziel<br />

der B<strong>und</strong>esregierung: Mindestens 50<br />

Prozent der Unternehmen mit mehr<br />

als 500 Mitarbeiter*innen sollen diese<br />

Kernelemente umsetzen.<br />

Ein weiterer Bestandteil des Projekts<br />

ist die Organisation von Multi-Stakeholder-Foren,<br />

in denen die Ergebnisse<br />

des Monitorings diskutiert werden.<br />

Wichtiger Stakeholder ist die Arbeitsgruppe<br />

<strong>Wirtschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Menschenrechte</strong><br />

Weitere Informationen:<br />

www.wirtschaft-macht-klimaschutz.de<br />

www.auswaertiges-amt.de<br />

(Suche nach NAP)<br />

des Nationalen CSR-Forums. Ihr gehören<br />

Vertreter*innen gesellschaftlicher<br />

Gruppen von Unternehmen über Gewerkschaften<br />

bis zu Nichtregierungsorganisationen<br />

an.<br />

Mit seiner Kenntnis internationaler<br />

Menschenrechtsstandards <strong>und</strong> unternehmerischer<br />

Herausforderungen kann<br />

das Projektteam zwischen den mitunter<br />

konträren Positionen der vielen Stakeholder<br />

vermitteln <strong>und</strong> auf diese Weise<br />

den politischen Austausch konstruktiv<br />

begleiten. Die Ergebnisse des Monitorings<br />

unterstützen die politischen Diskussionen<br />

ebenso wie die Vorbereitungen<br />

von Entscheidungen über mögliche<br />

regulatorische Maßnahmen. Vor dem<br />

Hintergr<strong>und</strong> der kontroversen Positionen<br />

kommt es vor allem darauf an, dass<br />

Unabhängigkeit <strong>und</strong> Glaubwürdigkeit<br />

des Projektteams gewährleistet sind.<br />

Sowohl der Klimaschutz als auch die<br />

Verbesserung der Menschenrechtslage<br />

sind wichtige Punkte auf der Liste der<br />

UN-Ziele zur nachhaltigen Entwicklung.<br />

Auf die politischen Absichtserklärungen<br />

müssen nun Taten aller gesellschaftlichen<br />

Akteure folgen. Konstruktive<br />

Dialoge zwischen Staat <strong>und</strong> <strong>Wirtschaft</strong><br />

zeichnen sich dadurch aus, dass sie innovative<br />

Ansätze aufzeigen <strong>und</strong> notwendige<br />

Maßnahmen nicht aufschieben.<br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

55


GOOD PRACTICE<br />

Vom Buzzword zum Bizword:<br />

Sustainability als Chance.<br />

Es ist Zeit, unternehmerische Nachhaltigkeit nicht als Worthülse oder notwendiges Übel zu<br />

begreifen. Sondern echte Chancen darin zu erkennen. Für Unternehmen, für die Gesellschaft<br />

<strong>und</strong> für die Umwelt.<br />

Von Sven Grönwoldt <strong>und</strong> Robert Mattheis,<br />

Grönwoldt & Partner<br />

Vor einem halben Jahrh<strong>und</strong>ert kamen<br />

die ersten Supermärkte in den USA <strong>und</strong><br />

Europa in Mode – <strong>und</strong> mit Ihnen die<br />

praktische Plastiktüte. Heute treiben<br />

fünf gigantische Plastikstaaten auf den<br />

Weltmeeren: riesige Strudel aus Plastiktüten<br />

<strong>und</strong> Kunststoff, Fischernetzen <strong>und</strong><br />

Benzinkanistern – jeder einzelne mindestens<br />

doppelt so groß wie die B<strong>und</strong>esrepublik<br />

<strong>Deutschland</strong>. Eine unvorstellbar<br />

große Fläche.<br />

In r<strong>und</strong> einem Jahrzehnt, genauer: bis<br />

zum Jahr 2030, sollen nach Vorstellung<br />

der UN die Ziele für nachhaltige Entwicklung,<br />

darunter auch die Bewahrung <strong>und</strong><br />

nachhaltige Nutzung der Ozeane, Meere<br />

<strong>und</strong> Meeresressourcen, umgesetzt werden.<br />

Die Verfügbarkeit <strong>und</strong> nachhaltige<br />

Bewirtschaftung von Wasser sowie die<br />

Gewährleistung von Sanitäranlagen für<br />

alle Menschen stehen ebenfalls auf der<br />

Agenda. Angesicht der unberechenbaren<br />

Chemie-Cocktails, die sich mittlerweile<br />

in unseren Kläranlagen zusammenbrauen,<br />

eine weitere sportliche Herausforderung.<br />

Mit Fug <strong>und</strong> Recht darf man sagen:<br />

Es besteht Handlungsbedarf.<br />

Es besteht immenser<br />

Handlungsbedarf!<br />

Zu den Highlights im Leben eines CR-<br />

Beraters gehören K<strong>und</strong>en wie Gebr. Heinemann.<br />

Für das hanseatische Duty-Free-<br />

Unternehmen ist Handlungsbedarf nicht<br />

etwas, worüber man bloß spricht; es ist<br />

etwas, dem man entspricht. Deshalb<br />

unternahmen die Verantwortlichen<br />

bei Gebr. Heinemann mehr, als nur ein<br />

GrönwoldtPartner<br />

SUSTAINABLE BUSINESS CONSULTING<br />

Bewusstsein für nachhaltige Entwicklungsziele<br />

zu wecken. Sie starteten ihre<br />

Aktivität direkt aus dem Kerngeschäft<br />

heraus <strong>und</strong> gaben den K<strong>und</strong>en Aufklärungsmaterial<br />

an die Hand, indem sie<br />

ihnen etwas eben gerade nicht in die<br />

Hand gaben: nämlich eine Plastiktüte.<br />

Durch diesen Verzicht wurde jede Tragetasche<br />

aus Kunststoff automatisch zu<br />

einem Kommunikationsmedium mit<br />

einer klaren Botschaft: „Plastiktüte? Nein<br />

danke!“ Hinter jede einzelne Plastiktüte<br />

war damit ein gefettetes, beinahe schepperndes<br />

Ausrufezeichen gesetzt. Eine<br />

Aktion von ebenso hohem Symbol- wie<br />

Praxiswert.<br />

Über ein regional begrenztes Pilotprojekt<br />

wurde die Praxistauglichkeit des<br />

Ansatzes ausgetestet. An den deutschen<br />

<strong>und</strong> österreichischen Standorten von<br />

Gebr. Heinemann geben die Mitarbeiter<br />

Einwegtüten mittlerweile nur noch<br />

kostenpflichtig ab. Überdies können die<br />

K<strong>und</strong>en gegen einen Aufpreis <strong>und</strong> als<br />

ökologisch verträglichere Alternative<br />

eine hochwertige Mehrwegtüte erstehen.<br />

Die K<strong>und</strong>en in den Shops nahmen die<br />

Initiative mit ebenso viel Engagement<br />

an, wie die Verantwortlichen bei Gebr.<br />

Heinemann sie ins Leben gerufen haben.<br />

Bereits im ersten Jahr konnten die Mehrwegtüten<br />

einen deutlichen Mehrabsatz<br />

verzeichnen, während die Plastiktütenausgabe<br />

um 70 Prozent von r<strong>und</strong> 8,8<br />

Millionen in 2016 auf 2,5 Millionen Stück<br />

in 2017 zurückging. Doch der Umwelt<br />

hilft das Projekt nicht nur in Form von<br />

eingesparten Einwegtüten. Es macht uns<br />

stolz, dass Gebr. Heinemann auf unseren<br />

Vorschlag einging, eine Kooperation mit<br />

OceanCare einzugehen. Damit kommt<br />

ein Großteil der Erlöse den Projekten<br />

der Meeresschutzorganisation zu Gute.<br />

Für uns ist dieser Case ein Paradebeispiel<br />

dafür, wie CR sinnvoll, aber eben auch<br />

ganz konkret betrieben werden kann. Ein<br />

schön geschriebener, sinnlich gestalteter<br />

Report ist eine tolle Sache. Für uns ist<br />

seine Erstellung das Sahnehäubchen<br />

auf einem gut erledigten Job. Aber: Er<br />

bleibt am Ende bloße Papierverschwendung,<br />

wenn das Thema CR nicht sauber<br />

im Management implementiert <strong>und</strong><br />

vom K<strong>und</strong>en ganzheitlich gelebt wird!<br />

Was sich in unserer Praxis ganz oft gezeigt<br />

hat: CR ist Chefsache. Bei Gebr.<br />

Heinemann sind die Inhaber der alten<br />

hanseatischen Kaufmannstradition von<br />

Bürgersinn <strong>und</strong> Gemeinwohl verb<strong>und</strong>en.<br />

Sie haben die Vorstellungen mitgetragen,<br />

welche die hausinternen Kommunikations-<br />

<strong>und</strong> CR-Profis in Abstimmung mit<br />

uns erarbeitet haben.<br />

CR ist Chefsache.<br />

Auch die Chefs anderer Unternehmen<br />

greifen unsere Impulse immer öfter mit<br />

großem Verständnis <strong>und</strong> echter Begeisterung<br />

auf. Unser Vorschlag beispielsweise,<br />

im Rahmen einer internen Stakeholder-<br />

Befragung ein Cluster zu den SDGs einzu-<br />

56 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


auen, gefiel der Geschäftsleitung beim<br />

kommunalen Wasserversorger ZVME in<br />

Thüringen sofort, denn indem wir bei<br />

der Befragung der Führungskräfte <strong>und</strong><br />

Abteilungsleiter speziell Bezug auf die<br />

SDGs #6, #9 <strong>und</strong> #11 nahmen, konnten<br />

wir einen direkten Zusammenhang<br />

zum Geschäftsmodell herstellen: Was<br />

wissen die Führungskräfte bereits über<br />

die SDGs? Wie werden die SDGs angenommen?<br />

Was ist die jeweilige Haltung<br />

zu den SDGs? Zweifelsohne haben diese<br />

Fragen bei einigen Führungskräften<br />

eine gewisse Irritation ausgelöst; ebenso<br />

sicher haben wir bei ihnen aber auch<br />

eine Sensibilisierung für die besagten<br />

Ziele <strong>und</strong> die potenziellen Maßnahmen<br />

des kommunalen Wasserversorgers betrieben.<br />

Das sind natürlich kleine Schritte. Jedoch:<br />

Auch mit kleinen Schritten erreicht<br />

man wichtige Etappen, wenn man zielstrebig<br />

<strong>und</strong> beharrlich ist. Unser Credo<br />

in dieser Sache ist sehr pragmatisch,<br />

dabei aber auch sehr idealistisch. Es<br />

lässt sich so zusammenfassen: „Ehrlich<br />

nach innen, nach außen glaubwürdig!“<br />

Knapper können wir unseren CR-Ansatz<br />

bei Grönwoldt & Partner nicht auf den<br />

Punkt bringen.<br />

Ehrlich nach innen, nach außen<br />

glaubwürdig.<br />

Wenn wir unsere K<strong>und</strong>en beim Auf- <strong>und</strong><br />

Ausbau ihrer CR-Managementstrukturen<br />

beraten, müssen wir als erstes natürlich<br />

die jeweiligen Voraussetzungen in den<br />

Blick nehmen: Wie sieht das Geschäftsmodell<br />

des K<strong>und</strong>en aus, mit welchen<br />

Markterfordernissen haben wir es zu<br />

tun <strong>und</strong>, last but not least: Wie ist der<br />

interne CR-Entwicklungsstand? Dem<br />

schließt sich die Ermittlung von Stärken,<br />

Schwächen, Chancen <strong>und</strong> Risiken innerhalb<br />

des Unternehmens an sowie eine<br />

Analyse der sozialen <strong>und</strong> ökologischen<br />

Auswirkungen des Kerngeschäfts <strong>und</strong><br />

der vor- <strong>und</strong> nachgelagerten Prozesse<br />

in der Wertschöpfung.<br />

Im nächsten Schritt gehen wir dazu über,<br />

die geeigneten Tools für ein maximal<br />

effizientes CR-Datenmanagement <strong>und</strong><br />

-Controlling zu implementieren. Wir<br />

leisten Unterstützung beim Auf- <strong>und</strong><br />

Ausbau von Managementsystemen, wie<br />

Umwelt-, Lieferketten-, Compliance- <strong>und</strong><br />

Ges<strong>und</strong>heitsmanagement. Auch was<br />

den Auf bau resp. den Ausbau der CR-<br />

Kommunikationsstrategie anbelangt,<br />

unterstützen wir den K<strong>und</strong>en mit Rat<br />

<strong>und</strong> Tat. Dieses ist eine sensible Phase.<br />

Wenn das F<strong>und</strong>ament für die zukünftige<br />

Arbeit liegt, muss man sorgfältig<br />

<strong>und</strong> mit großer Umsicht vorangehen.<br />

Lieber im Vorfeld konzentriert <strong>und</strong> nach<br />

innen ehrlich agieren, als auf dysfunktionale<br />

Strukturen zu setzen. Das bringt<br />

dem CR-Management <strong>und</strong> der externen<br />

Kommunikation mittel- <strong>und</strong> langfristig<br />

mehr Nutzen.<br />

Ein weiteres zentrales Element für eine erfolgreiche<br />

CR-Strategie, die auch nach außen<br />

positive Resultate bringt, ist schließlich<br />

der Dialog mit den Stakeholdern.<br />

Ohne offene Kommunikation mit den<br />

relevanten Anspruchsgruppen gleicht die<br />

CR-Arbeit einem Blindflug. Wer hingegen<br />

auf wiederkehrenden Austausch setzt,<br />

versteht nachhaltiges <strong>Wirtschaft</strong>en als<br />

Chance für den eigenen Business-Case,<br />

die Gesellschaft <strong>und</strong> die Umwelt.<br />

www.groenwoldt-partner.de<br />

CR-Management.<br />

Entwicklung von Nachhaltigkeitsstrategien<br />

passend zum<br />

Geschäftsmodell; organisatorischer<br />

Auf- <strong>und</strong> Ausbau des CR-/<br />

Nachhaltigkeitsmanagements.<br />

• Wesentlichkeits- /<br />

Materialitätsanlayse<br />

• Stakeholder-Management<br />

• Lieferkettenmanagement<br />

• Umweltmanagement<br />

• Reporting-Software / effizientes<br />

Datenmanagement (internes<br />

Reporting)<br />

• Sustainability Balanced Scorecards<br />

CR-Kommunikation.<br />

Entwicklung <strong>und</strong> Umsetzung von<br />

Konzepten, die nachhaltige<br />

Unternehmensleistungen sichtbar<br />

machen. Kommunikation wird dabei<br />

als strategische Säule <strong>und</strong> integraler<br />

Bestandteil des CR-Managements<br />

verstanden.<br />

• Inhaltliche <strong>und</strong> gestalterische<br />

Konzeption<br />

• Projektmanagement<br />

• Textredaktion / Storytelling / Grafik /<br />

Produktion<br />

• Berichtsstandards (GRI, DNK, ISO<br />

26000 etc.)<br />

Sven Grönwoldt<br />

gründete 2014 die Beratungsgesellschaft<br />

Grönwoldt & Partner<br />

(ehemals 5fN). Das Team berät<br />

Unternehmen beim Auf- <strong>und</strong> Ausbau<br />

ihres Nachhaltigkeitsmanagements<br />

<strong>und</strong> bei ihrer CR-/CSR-/Nachhaltigkeitskommunikation.<br />

Am Standort Hamburg bieten<br />

Grönwoldt & Partner darüber<br />

hinaus regelmäßig Seminare <strong>und</strong><br />

Workshops zu den wichtigsten<br />

Berichtsstandards (GRI, DNK etc.)<br />

sowie zu aktuellen Trends im<br />

Nachhaltigkeitsmanagement.<br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

57


GOOD PRACTICE<br />

NacHHaltig die Mobilität<br />

in der Smart City Hamburg<br />

gestalten<br />

Hamburg zählt nicht ohne Gr<strong>und</strong> zu den lebenswertesten Städten der Welt. Unsere Aufgabe ist<br />

es, dass dies auch so bleibt <strong>und</strong> die Lebensqualität steigt. 25 Prozent des CO 2<br />

-Fußabdrucks in<br />

Hamburg lassen sich allerdings bereits heute auf das Mobilitätsverhalten zurückführen. Und<br />

Hamburg wächst: Bis 2035 werden voraussichtlich 2 Millionen Menschen in Hamburg leben.<br />

Mit unserer Unternehmensmission <strong>und</strong> dem Beitritt zum UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> unterstreicht die<br />

HOCHBAHN die Bedeutung des Themas Nachhaltigkeit als strategischen Orientierungsrahmen<br />

sowie ihr Selbstverständnis, für ihre K<strong>und</strong>en, Mitarbeiter <strong>und</strong> die Stadt Hamburg Mehrwerte zu<br />

schaffen. Unser Motto: Die Mobilität von morgen schon heute zukunftsfähig <strong>und</strong> im Einklang mit<br />

Mensch <strong>und</strong> Umwelt gestalten.<br />

Von Dr. Christian Priemer, Referatsleiter Nachhaltigkeitsmanagement, <strong>und</strong> Janina Heel, Referentin Nachhaltigkeitsmanagement, HOCHBAHN<br />

Mit r<strong>und</strong> 5.000 Mitarbeiterinnen<br />

<strong>und</strong> Mitarbeitern bewegen wir für<br />

unsere täglich 1,2 Millionen K<strong>und</strong>en<br />

viel <strong>und</strong> bilden das Rückgrat der<br />

Mobilität in Hamburg. R<strong>und</strong> 2<br />

Milliarden Kilometer legen unsere<br />

K<strong>und</strong>en im Jahr mit unseren<br />

U-Bahnen <strong>und</strong> Bussen zurück.<br />

Unsere Mission: Wir organisieren<br />

die nachhaltige Mobilität in der<br />

Smart City Hamburg.<br />

58 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


NacHHaltig, Digital, Vernetzt.<br />

Hamburg ist unterwegs. Die Hansestadt<br />

boomt <strong>und</strong> zieht immer mehr Menschen<br />

an. Menschen, die auch mehr denn je<br />

bewegt werden wollen. Angetrieben<br />

durch die Digitalisierung <strong>und</strong> den Druck,<br />

Schadstoffe in unserer Luft zu vermeiden,<br />

erlebt die Mobilität den stärksten Wandel<br />

seit Erfindung des Automobils. Es gilt,<br />

heute intelligente <strong>und</strong> effiziente Wege<br />

für morgen zu finden. Die HOCHBAHN<br />

will die neuen Chancen der Digitalisierung<br />

für die nachhaltige Mobilität nutzen<br />

<strong>und</strong> Hamburg voranbringen.<br />

Mit dem renommierten Weltkongress<br />

für intelligente Verkehrssysteme (ITS)<br />

wird Hamburg in 2021 das Schaufenster<br />

für intelligente <strong>und</strong> nachhaltige<br />

Mobilitätlösungen sein. An der Seite<br />

der Stadt Hamburg ist die HOCHBAHN<br />

Innovationstreiber für zukünftige Mobilitätsvielfalt<br />

<strong>und</strong> verantwortet das zentrale<br />

Projekt-Management-Office aller<br />

ITS-Projekte.<br />

The HEAT is on<br />

Längst haben wir uns auf den Weg gemacht:<br />

Mit dem Projekt HEAT erforschen<br />

wir den Einsatz von autonomen<br />

Kleinbussen im ÖPNV. Wir werden ab<br />

Februar 2019 bis Ende 2021 unter realen<br />

Bedingungen auf den Straßen der Hafen-<br />

City testen, ob autonome Fahrzeuge in<br />

<strong>Deutschland</strong> mit bis zu 50 km/h unterwegs<br />

sein können– als ganz normaler<br />

Verkehrsteilnehmer: ein in <strong>Deutschland</strong><br />

bislang einmaliges Forschungsprojekt.<br />

Auch, wenn sich heute noch nicht sagen<br />

lässt, wann es einmal üblich sein wird,<br />

ein autonomes Fahrzeug im ÖPNV zu<br />

nutzen: Beim Auf bruch Richtung Zukunft<br />

sind wir seit über 100 Jahren als<br />

Pioniere für Hamburg am Start. Um<br />

Chancen zu erkennen, Fragen zu beantworten<br />

<strong>und</strong> am Puls der Zeit zu sein.<br />

Smart verb<strong>und</strong>en<br />

Flexibel, planbar, verfügbar <strong>und</strong> vielfältig<br />

– das sind die Wünsche unserer K<strong>und</strong>en.<br />

Mit smarten Sharingkonzepten schaffen<br />

wir Anreize, auf ein eigenes Auto zu<br />

verzichten: Switchh vereint künftig in<br />

einer App Auskunft, Ticketing <strong>und</strong> den<br />

direkten Zugriff auf vielfältige Mobilitätsangebote<br />

in Hamburg wie Carsharing,<br />

Bikesharing <strong>und</strong> bald Ridesharing.<br />

Neben der virtuellen Plattform haben wir<br />

bereits an 15 zentralen U- <strong>und</strong> S-Bahn-<br />

Haltestellen switchh Mobilitätspunkte<br />

realisiert, an denen der klassische ÖPNV<br />

<strong>und</strong> die neuen Mobilitätsangebote punktuell<br />

zur Sharing Mobility gebündelt<br />

werden.<br />

In einer nächsten Stufe geht es nun von<br />

den großen Schnellbahn-Haltestellen<br />

in die Quartiere. Die ersten Stellplätze<br />

direkt in den Quartieren gibt es bereits<br />

<strong>und</strong> bis zu 100 weitere sollen stadtweit<br />

folgen.<br />

Nächster Halt: Wohlfühloase<br />

Zudem planen wir Hamburgs erste automatisiert<br />

fahrende U-Bahn-Linie, die<br />

U5. Für die neue U-Bahn-Linie gilt: „Der<br />

Zukunft entgegen – Nachhaltigkeit als<br />

visuelles Leitmotiv“. Biodynamisches<br />

Licht, angepasst an unseren Tages-<br />

rhythmus oder die Decke als Blätterdach<br />

sind neben Naturelementen nur<br />

zwei der vielen Gestaltungselemente,<br />

um unseren K<strong>und</strong>en Nachhaltigkeit<br />

zu vermitteln. Denn: Die Verwendung<br />

neuester Technologien wird in allen<br />

Bereichen der neuen Haltestellen Vorbild<br />

in Sachen Nutzerfre<strong>und</strong>lichkeit,<br />

Raumklima, Umweltfre<strong>und</strong>lichkeit <strong>und</strong><br />

<strong>Wirtschaft</strong>lichkeit sein.<br />

Bus ohne Bass <strong>und</strong> unsere neue<br />

Powerbank<br />

Der Umstieg von Diesel- auf Elektrobusse<br />

beginnt jetzt. Es ist die große Revolution<br />

für Hamburgs Nahverkehr <strong>und</strong> wird die<br />

Stadt nachhaltig verändern.<br />

Ab Anfang der 2030er Jahre werden auf<br />

unseren Straßen ausschließlich emissionsfreie<br />

<strong>und</strong> geräuscharme Busse unterwegs<br />

sein. Schon Ende <strong>2018</strong> werden<br />

die ersten Busse zu uns kommen. Im<br />

Rahmen von zukünftigen E-Bus-Beschaffungen<br />

werden die Themen <strong>Menschenrechte</strong><br />

<strong>und</strong> Umweltschutz noch stärker<br />

in den Fokus rücken.<br />

Null Emission braucht 100 Prozent Ladekraft<br />

– deshalb stellen wir die komplette<br />

Infrastruktur auf Ladetechnik<br />

<strong>und</strong> ausreichende Stromversorgung –<br />

selbstverständlich 100% Ökostrom –<br />

um. Ein Grüngürtel außen, begrünte<br />

Schallschutzwände davor <strong>und</strong> grasgrün<br />

bepflanzte Carportdächer oben drauf –<br />

so wird Hamburgs erster rein elektrischer<br />

Busbetriebshof in Alsterdorf aussehen.<br />

R<strong>und</strong> 600 Busfahrerinnen <strong>und</strong> Busfahrer<br />

gehen künftig mit unseren „Klimaschützern“<br />

von hier aus auf Tour.<br />

Übrigens, bereits seit 2017 bietet die<br />

HOCHBAHN zusammen mit der Dekra<br />

Geflüchteten neue Perspektiven <strong>und</strong><br />

bildet sie als Busfahrer aus.<br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

59


GOOD PRACTICE<br />

Wie die Blockchain<br />

Menschenrechtsverstößen<br />

auf die Spur kommt<br />

Elektronische Produkte bestehen aus Tausenden Komponenten. Deren Herkunft lässt sich<br />

oftmals nur schwer zurückverfolgen. Problematisch wird dies, wenn gesetzliche Vorschriften<br />

eingehalten werden müssen, wie etwa bei Konfliktmineralien. Das Softwarehaus<br />

iPoint-systems hat dafür jetzt ein Blockchain-Projekt gestartet, das von der Mine bis zum<br />

Endprodukt die gesamte Lieferkette digital nachverfolgbar macht.<br />

Von Dr. Katie Böhme, Head of Corporate<br />

Communications, iPoint-systems<br />

Gesetzliche Bestimmungen wie die EU-<br />

Richtlinie zur CSR-Berichterstattung,<br />

der UK Modern Slavery Act oder die<br />

Konfliktmineralien-Regelungen der USA<br />

<strong>und</strong> EU rücken Menschenrechtsbelange<br />

in den Mittelpunkt. Für Unternehmen<br />

<strong>und</strong> ihre Lieferketten steht viel auf dem<br />

Spiel. Die finanziellen Risiken sind erheblich,<br />

<strong>und</strong> es kann schnell zu einem<br />

Imageschaden kommen.<br />

Solche potenziellen Menschenrechtsverletzungen<br />

zu vermeiden, ist das Ziel<br />

eines Blockchain-basierten Systems zur<br />

Rückverfolgung bestimmter Rohstoffe<br />

aus Konflikt- <strong>und</strong> Hochrisikogebieten.<br />

Mit Mitteln der Europäischen Partnerschaft<br />

für Verantwortliche Mineralien<br />

(EPRM) untersucht iPoint zusammen mit<br />

Upstream-Partnern, ob Konfliktmineralien<br />

über die gesamte Lieferkette, also<br />

von der Mine bis zum fertigen Produkt,<br />

rückverfolgbar gemacht werden können.<br />

Dazu werden Transaktionen in der<br />

Produktions- <strong>und</strong> Lieferkette verifiziert<br />

<strong>und</strong> kryptographisch verschlüsselt.<br />

Wer sind die Initiatoren?<br />

„iPoint war schon immer von der Frage getrieben,<br />

wie wir modernste Technologien<br />

nutzen können, um globale Lieferketten<br />

nachhaltig zu verbessern. Dieses Projekt<br />

wird unsere langjährige Erfahrung in der<br />

nachgelagerten Lieferkette mit der lokalen<br />

Expertise unserer Upstream-Partner<br />

verbinden“, sagt Jörg Walden, CEO <strong>und</strong><br />

Gründer von iPoint-systems.<br />

Die EPRM ist eine Multi-Stakeholder-<br />

Initiative, die gegründet wurde, um<br />

bessere soziale <strong>und</strong> wirtschaftliche Bedingungen<br />

für Minenarbeiter <strong>und</strong> lokale<br />

Bergbau-Gemeinschaften zu schaffen.<br />

Im Fokus stehen hierbei vor allem verantwortungsvolle<br />

Bergbaupraktiken in<br />

Konflikt- <strong>und</strong> Hochrisikogebieten. Zu den<br />

EPRM-Mitgliedern zählen unter anderem<br />

Technologiefirmen wie Apple, Fairphone,<br />

HP <strong>und</strong> Intel.<br />

Worum geht es in dem Projekt?<br />

Ziel des unter dem Titel „SustainBlock“<br />

laufenden Projekts ist die Überprüfung<br />

<strong>und</strong> Bewertung der Rohstoffliefer-<br />

kette von sogenannten Konfliktrohstoffen,<br />

zu denen Zinn, Tantal, Wolfram, deren<br />

Erze <strong>und</strong> Gold (auch 3TG abgekürzt) <strong>und</strong><br />

neuerdings auch Kobalt gezählt werden.<br />

Im konkreten Projekt geht es zunächst<br />

um ein solches Mineral aus Minen der<br />

Großen-Seen-Region in Afrika. Die jeweilige<br />

Auditierung <strong>und</strong> Überprüfung<br />

erfolgt dabei schon ganz am Anfang der<br />

Lieferkette, nämlich beim Schürfen. Ein<br />

Partner <strong>und</strong> Auditor vor Ort setzt hierfür<br />

ein auf Markierungen <strong>und</strong> Scans basierendes<br />

Rückverfolgungssystem ein, das den<br />

späteren Datenabgleich zulässt. Ziel ist<br />

es, „schwarzen Schafen“ <strong>und</strong> unethischen<br />

Quellen den Marktzugang zu erschweren.<br />

„Indem unsere Lösung die komplette<br />

Rückverfolgbarkeit der Rohstoffe von<br />

Anfang bis Ende erfasst“, erläutert der<br />

Projektleiter Sebastian Galindo, „kann sie<br />

auch einen Betrag dazu leisten, ethisch<br />

unbedenkliche, nachhaltige Praktiken<br />

<strong>und</strong> Verhaltensweisen entlang der Wertschöpfungsketten<br />

zu unterstützen.“ Das<br />

Projekt läuft noch bis Mai 2019.<br />

Warum ist die Blockchain wichtig?<br />

Da die Blockchain-Technologie sicherstellt,<br />

dass einmal verifizierte Daten<br />

nicht mehr geändert oder manipuliert<br />

werden können, werden die Systeme<br />

künftig nicht mehr die Daten kontrollieren,<br />

sondern nur noch nutzen. Die<br />

60 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


Kontrolle liegt dann viel mehr in der DNA<br />

des jeweiligen Produkts, erklärt iPoint-<br />

Geschäftsführer Jörg Walden. Das hat<br />

Folgen für die Abläufe in Unternehmen:<br />

Derzeit gibt es viele Fachabteilungen<br />

mit ihren Experten. Im Rahmen von<br />

Compliance <strong>und</strong> Due Diligence fällt<br />

ihnen die Aufgabe zu, die jeweiligen<br />

Lieferantenangaben zu validieren <strong>und</strong><br />

gegebenenfalls extern verifizieren zu<br />

lassen. Diese Aufgabe könnte in Zukunft<br />

in wesentlichen Teilen entfallen. Wenn<br />

nämlich, wie beim SustainBlock-Projekt,<br />

gleich zu Beginn der Nachweis des Minerals<br />

erfolgt, dann wird diese Information<br />

im gesamten Folgeprozess mittels der<br />

Blockchain „mitgenommen“.<br />

„Es bietet für Transaktionen, Prozesse <strong>und</strong><br />

Partner in der Lieferkette eine gemeinsam<br />

genutzte, abgesicherte, für beide Seiten<br />

vertrauenswürdige, unveränderbare<br />

Aufzeichnung von Informationsflüssen“,<br />

erklärt Walden. Das ist in kritischen<br />

Situationen, etwa bei Rückrufen, ein<br />

entscheidendes Plus. Und es ist auch<br />

wichtig für die Frage: Wem gehören die<br />

Daten <strong>und</strong> wer haftet bei Klagen?<br />

Warum nützt die Blockchain gerade<br />

bei Individuallösungen?<br />

Und ein weiterer Punkt kommt hinzu:<br />

Wir leben in einer Zeit, in der die Individualisierung<br />

von Produkten <strong>und</strong><br />

Produkteigenschaften immer weiter zunehmen,<br />

in der K<strong>und</strong>en immer stärker<br />

maßgeschneiderte Lösungen fordern.<br />

Hierzu Walden: „Wir reden hier von<br />

der Massenproduktion für die Mengeneinheit<br />

‚Eins‘. Dafür bedarf es extrem<br />

flexibler Lieferketten.“ Unternehmen<br />

wären jedoch komplett überfordert, die<br />

Herkunft der einzelnen Bestandteile<br />

jedes Produkts entlang der Lieferkette<br />

händisch zurückzuverfolgen <strong>und</strong> nachzuweisen.<br />

An dieser Stelle bekommt die<br />

Blockchain hochperfomante Alltagstauglichkeit.<br />

Die entsprechenden Daten<br />

liegen nämlich von jedem Bestandteil vor,<br />

<strong>und</strong> so lassen sich über entsprechende<br />

Programme relativ schnell Attribute<br />

wie REACH- oder RoHS-Konformität,<br />

Menschenrechtsaspekte oder auch der<br />

jeweilige CO 2<br />

-Fußabdruck ermitteln.<br />

Legt Blockchain ungewollt<br />

Betriebsgeheimnisse offen?<br />

In der Praxis gibt es aber neben den technischen<br />

Hürden auch noch eine Vielzahl<br />

an offenen Fragen zu Vertraulichkeit,<br />

Urheberrechtsfragen <strong>und</strong> Betriebsgeheimnissen.<br />

So ist vielen Produzenten<br />

<strong>und</strong> Zulieferern nicht daran gelegen,<br />

alle ihre Geschäftsverbindungen, ihre<br />

Lieferantenstruktur <strong>und</strong> alle Produktbestandteile<br />

komplett offenzulegen. Tatsächlich<br />

ist die Gefahr von Nachahmern<br />

nicht zu unterschätzen. Auch könnten<br />

Abnehmer <strong>und</strong> große Konzerne diese<br />

Informationen nutzen, um ihre Lieferanten<br />

preislich weiter unter Druck zu<br />

setzen. Walden erläutert diesen kritischen<br />

Punkt: „Nachverfolgbarkeit in der<br />

gesamten Lieferkette kann nur durch<br />

ein Umfeld von Vertrauen geschaffen<br />

werden. Das SustainBlock-System nimmt<br />

diesen Aspekt sehr ernst <strong>und</strong> unterbindet<br />

die Sichtbarkeit der Lieferkette bei gleichzeitiger<br />

kryptographisch abgesicherter<br />

Nachverfolgbarkeit.“<br />

Zukunft nachhaltiger Lieferketten?<br />

Das SustainBlock-System demonstriert<br />

damit die komplette Nachverfolgbarkeit<br />

von Rohstoffen von der Mine bis zum<br />

finalen Produzenten <strong>und</strong> ermöglicht<br />

den Unternehmen, ihren K<strong>und</strong>en diese<br />

Informationen zur Verfügung zu stellen.<br />

Das SustainBlock-Projekt prüft die<br />

Aufnahme von weiteren Lieferketten,<br />

z.B. Gold aus Südamerika <strong>und</strong> weiteren<br />

Teilen Afrikas. „SustainBlock ist offen<br />

für weitere Akteure <strong>und</strong> Rohstoffe. Die<br />

Möglichkeiten dieser neuen Technologie<br />

soll dazu beitragen globale Wertschöpfungsketten<br />

fairer <strong>und</strong> nachhaltiger zu<br />

gestalten“, erklärt Jörg Walden. „Wir<br />

haben kürzlich ein Blockchain-Startup<br />

namens ‚CircularTree‘ mit Büros in Berlin<br />

<strong>und</strong> Melbourne mitbegründet, denn<br />

wir sind der Ansicht, dass Blockchain<br />

sich als wichtige Technologie in diesem<br />

Bereich durchsetzen wird“, so Walden.<br />

Erfahren Sie mehr unter: www.sustainblock.org<br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

61


GOOD PRACTICE<br />

„Verantwortung muss<br />

man lernen“<br />

Wie begeistern wir Kinder <strong>und</strong> Jugendliche für die Themen Klimaschutz, Energieeffizienz <strong>und</strong><br />

Nachhaltigkeit? Diese Frage stellte sich auch der Immobiliendienstleister ista <strong>und</strong> rief 2017 das<br />

Projekt „ista macht Schule“ ins Leben. Die Idee dahinter: Transparenz über Energieverbräuche<br />

in den Schulen schaffen <strong>und</strong> die Themen Umwelt- <strong>und</strong> Klimaschutz auf den St<strong>und</strong>enplan<br />

bringen. ista verzeichnet mit der Initiative messbare Erfolge – zunächst in Essen <strong>und</strong> jetzt<br />

auch b<strong>und</strong>esweit.<br />

Von Katharina Kemler, Junior Specialist Corporate Communications, ista<br />

Essen, Stockholm, Hamburg <strong>und</strong> Bristol<br />

– diese Städte ernannte die Europäische<br />

Kommission in den letzten Jahren zur<br />

„Grünen Hauptstadt Europas“. Mit diesem<br />

Titel zeichnet sie Städte aus, die nachweislich<br />

hohe Umweltstandards erreicht<br />

haben <strong>und</strong> die weitere Verbesserung des<br />

Umweltschutzes sowie eine nachhaltige<br />

Entwicklung verfolgen. 2017 freute sich<br />

die Ruhrgebietsmetropole Essen über<br />

diesen Titel.<br />

Als damaliger Hauptsponsor rief der<br />

Immobiliendienstleister ista das Projekt<br />

„ista macht Schule“ ins Leben: „Schulen<br />

sind oftmals eine ‚Black Box’ für<br />

Energieverbräuche. Durch viele junge<br />

Nutzer <strong>und</strong> viel Bewegung innerhalb<br />

der Gebäude ist ein Bewusstsein für<br />

energieeffizientes Handeln besonders<br />

wichtig“, wissen die Verantwortlichen<br />

von ista.<br />

Thomas Zinnöcker, CEO von ista, betont:<br />

„Ziel des Projektes ist es, nicht nur die<br />

technischen Voraussetzungen für ein<br />

transparentes Energiemanagement in<br />

den Schulen zu schaffen, sondern durch<br />

begleitende Unterrichtseinheiten die<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler für das Thema<br />

zu begeistern.“<br />

Deshalb erhielten fünf weiterführende<br />

Essener Schulen moderne Technologie<br />

zum Messen von Energieverbräuchen.<br />

Mithilfe eines Infoscreens konnten<br />

Schüler die tagesaktuellen Verbräuche<br />

einsehen. Dabei stellte ista nicht nur<br />

die Ausrüstung zur Verfügung, sondern<br />

vermittelte zusätzlich das nötige Knowhow<br />

an die Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen.<br />

Ende September <strong>2018</strong> präsentierten die<br />

Oberstufenschüler des Gymnasiums<br />

Essen-Überruhr die Ergebnisse ihrer<br />

Projektarbeit: „Die Auswertungen der<br />

Messergebnisse zeigen, dass mit einfachen<br />

Maßnahmen in Zukunft bis zu<br />

20 Prozent Kosten <strong>und</strong> CO 2<br />

eingespart<br />

werden können“, erklärte ista Mitarbeiter<br />

Werner Monschau, der die Schüler<br />

während des Schuljahres begleitete.<br />

„Dazu gehören beispielsweise Temperaturabsenkungen<br />

am Wochenende <strong>und</strong><br />

in den Ferien sowie die Möglichkeit der<br />

Heizungsregulierung durch Thermostatventile.“<br />

Mit Begeisterung <strong>und</strong> Engagement<br />

zum Erfolg<br />

Das freiwillige Engagement der Mitarbeiter<br />

(Corporate Volunteering) ist eine<br />

wichtige Säule des Projekts. 2017 waren<br />

bereits mehrere ista Mitarbeiter in Essener<br />

Schulen im Einsatz. Sie unterstützten<br />

nicht nur die Oberstufenschüler bei<br />

der Projektarbeit, sondern weckten mit<br />

spielerischen Workshops auch das Interesse<br />

der jüngeren Schüler. Ein Highlight<br />

war der Besuch im Mädchengymnasium<br />

Borbeck. Das Ziel: Als „Energiedetektive“<br />

sollten die Mädchen lernen, wie sie im<br />

Alltag Energieverschwender aufspüren<br />

<strong>und</strong> Energie sparen können.<br />

So sahen die Schülerinnen zum Beispiel<br />

anhand einer Wärmebildkamera, wie viel<br />

Energie ein Wasserkocher an die Umgebung<br />

abgibt oder sie konnten mit einem<br />

Verbrauchsmessgerät verfolgen, wie viel<br />

Energie ein Fernseher im Standby-Modus<br />

benötigt. Dabei räumte ista auch mit<br />

dem Vorurteil auf, junge Mädchen seien<br />

schwer für die sogenannten MINT-Fächer,<br />

wie Technik oder Naturwissenschaft,<br />

zu begeistern. „Schon nach ein paar<br />

Einstiegsfragen merke ich: Die Schülerinnen<br />

sind auf Zack <strong>und</strong> ich bin wirklich<br />

tief beeindruckt, wie viel sie über den<br />

Klimawandel wissen <strong>und</strong> wie groß das<br />

Interesse für Umwelt- <strong>und</strong> Klimaschutz<br />

ist“, erzählt Heike Bordin-Knappmann,<br />

Senior Managerin Learning & Development<br />

bei ista, die sich an diesem Tag<br />

freiwillig im Mädchengymnasium engagierte<br />

<strong>und</strong> ihren Schreibtisch gegen<br />

ein Klassenzimmer eintauschte. „Damit<br />

sich zukünftig tatsächlich etwas ändert,<br />

zeigen wir den Energiedetektiven, wie<br />

die neu installierte Messtechnik beim<br />

Energiesparen helfen kann <strong>und</strong> wie sie<br />

62 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


die Heizkörper über die Thermostatventile<br />

optimal regulieren können.“<br />

Jugendliche konzipieren KlimaKiste<br />

Ein wichtiger Meilenstein im Projekt „ista<br />

macht Schule“ ist die Entwicklung der<br />

„KlimaKiste“. Darin enthalten sind Messgeräte,<br />

die energetische Schwachstellen<br />

im Schulgebäude aufdecken helfen,<br />

<strong>und</strong> Lernmaterialien, um eigene Klimaschutzkonzepte<br />

für ihre Schule umzusetzen.<br />

Das Besondere: Die Inhalte der<br />

KlimaKiste wurden im November 2017<br />

von Schülern der Gesamtschule Holsterhausen<br />

in einem Kreativworkshop<br />

zusammengestellt. Damit entspricht sie<br />

den Bedürnissen junger Menschen. Ein<br />

Highlight der Kiste, das für die Schüler<br />

unbedingt in die Kiste gehörte, ist die<br />

Solarlampe „Little Sun“: Diese wird bereits<br />

weltweit von Menschen genutzt,<br />

die in Regionen ohne funktionierendes<br />

Stromnetz leben.<br />

Die KlimaKiste ist Teil einer b<strong>und</strong>esweiten<br />

Bildungsinitiative, die ista<br />

<strong>2018</strong> mit dem gemeinnützigen Verein<br />

BildungsCent e.V. ins Leben rief. Schulen<br />

in ganz <strong>Deutschland</strong> konnten sich<br />

seit Juni für eine der 100 Kisten bewerben,<br />

die im vergangenen Mai von<br />

zwei Schülerinnen der Gesamtschule<br />

Holsterhausen im Rahmen der Berliner<br />

Energietage erstmalig präsentiert wurde.<br />

„Wir freuen uns, dass die jungen Essener<br />

ihre KlimaKiste auf den Berliner Energietagen<br />

einer breiten Öffentlichkeit<br />

präsentieren“, betonte Silke Ramelow,<br />

Vorstandsvorsitzende des BildungsCent<br />

e.V. damals. „Wir hoffen, dass die Initiative<br />

dadurch weiter an Schwung gewinnt<br />

<strong>und</strong> sich noch mehr Schulen in ganz<br />

<strong>Deutschland</strong> dem Projekt anschließen.“<br />

Am Rande der Veranstaltung wurde auch<br />

B<strong>und</strong>esumweltministerin Svenja Schulze<br />

auf die KlimaKiste aufmerksam <strong>und</strong><br />

zeigte sich begeistert vom Engagement<br />

der Schüler. Die b<strong>und</strong>esweite Resonanz<br />

auf die Kiste war sehr positiv: Innerhalb<br />

kürzester Zeit waren alle 100 Exemplare<br />

für Schulen reserviert.<br />

Seit Oktober <strong>2018</strong> befindet sich „ista<br />

macht Schule“ in einer neuen Projektphase.<br />

Unter dem Titel „KlimaHelden“<br />

startete ista mit dem Crowdf<strong>und</strong>ing-<br />

Anbieter startnext einen Wettbewerb<br />

für mehr Klimaschutz in der Schule.<br />

Bei diesem „KlimaContest“ entwickeln<br />

Schüler Ideen für nachhaltige Projekte<br />

an ihrer Schule <strong>und</strong> präsentieren diese<br />

auf der Plattform. So sollen Unterstützer<br />

zur Finanzierung der jeweiligen Projekte<br />

gef<strong>und</strong>en werden.<br />

Beitrag zu den UN<br />

Nachhaltigkeitszielen<br />

Mit den Sustainable Development Goals<br />

der Vereinten Nationen (SDGs) wurden<br />

konkrete Entwicklungsziele formuliert,<br />

zu deren Erreichung Unternehmen beisteuern<br />

sollen.<br />

Auch ista verpflichtet sich dazu: „Wir<br />

wollen unseren Beitrag leisten, damit<br />

die nachfolgenden Generationen mindestens<br />

die gleichen Chancen <strong>und</strong> Zukunftsperspektiven<br />

haben, die uns heute<br />

zur Verfügung stehen“, heißt es dazu<br />

im aktuellen Nachhaltigkeitsbericht<br />

des Konzerns. „Es ist Teil unserer nachhaltigen<br />

Unternehmensausrichtung,<br />

die Umsetzung der SDGs der Vereinten<br />

Nationen zu unterstützen.“ Mit seinem<br />

Projekt „ista macht Schule“ sensibilisiert<br />

das Unternehmen junge Menschen für<br />

einen bewussten Umgang mit Energie<br />

<strong>und</strong> fördert damit die Bildung für<br />

nachhaltige Entwicklung. So unterstützt<br />

man besonders die Ziele 4 (Hochwertige<br />

Bildung), 7 (Bezahlbare <strong>und</strong> saubere<br />

Energie) <strong>und</strong> 13 (Maßnahmen zum Klimaschutz).<br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

63


GOOD PRACTICE<br />

Unternehmen <strong>und</strong> <strong>Menschenrechte</strong><br />

– Wieviel Sklavenarbeit<br />

steckt in der Tomate?<br />

Jeder Deutsche konsumiert durchschnittlich 1,25 kg Obst pro Woche. Mehr als 35 Prozent davon<br />

kamen im Jahr 2016 aus Spanien <strong>und</strong> Italien. <strong>Deutschland</strong> ist damit der zweitgrößte Absatzmarkt<br />

für diese beiden Länder. Spanisches <strong>und</strong> italienisches Obst <strong>und</strong> Gemüse findet sich in fast<br />

allen großen deutschen Supermärkten.<br />

Von Markus Löning, Managing Director, <strong>und</strong> Laura Much, New Business Development, Löning<br />

In den letzten zwölf Monaten häufen<br />

sich ernstzunehmende Berichte, dass in<br />

der spanischen <strong>und</strong> italienischen Landwirtschaft<br />

Menschen teilweise unter<br />

schlimmsten Bedingungen arbeiten. Viele<br />

von ihnen sind als Migrant*innen mit<br />

unsicherem Aufenthaltsstatus extremer<br />

Not ausgesetzt. Sie sind deshalb häufig<br />

bereit, Arbeitsbedingungen zu akzeptieren,<br />

die weit hinter den gesetzlichen<br />

Standards zurückbleiben.<br />

Bis die Tomate im Supermarkt liegt, sind<br />

zudem außer dem Anbaubetrieb Unternehmen<br />

verschiedenster Branchen<br />

involviert: von Zuliefererbetrieben,<br />

Transport- <strong>und</strong> Bauunternehmen bis<br />

zu Verarbeitung <strong>und</strong> Handel. Durch<br />

die Vielzahl der beteiligten Firmen ist<br />

oft schwer nachzuvollziehen, wie gut<br />

Gesetze <strong>und</strong> damit auch die <strong>Menschenrechte</strong><br />

geachtet werden.<br />

<strong>Wirtschaft</strong>liche Tätigkeit ist in der globalisierten<br />

Welt branchenübergreifend,<br />

eng verflochten <strong>und</strong> hat direkte sowie indirekte<br />

Auswirkungen auf die Lebensbedingungen<br />

<strong>und</strong> die Rechte von Menschen<br />

weltweit. Daher nehmen die Vereinten<br />

Nationen in ihrer Agenda 2030, den<br />

Sustainable Development Goals (SDGs),<br />

auch die Unternehmen mit in die Pflicht.<br />

Denn praktisch alle diese globalen Ziele<br />

haben einen Menschenrechtsbezug<br />

<strong>und</strong> sehr viele werden von Firmen mit<br />

beeinflusst.<br />

Löning – Human Rights and Responsible<br />

Business berät Unternehmen dabei,<br />

die <strong>Menschenrechte</strong> im Kontext der<br />

SDGs <strong>und</strong> anderer internationaler <strong>und</strong><br />

nationaler Rahmenwerke zu achten.<br />

Wir bewerten bestehende strategische<br />

Prozesse, führen Risikoanalysen durch<br />

<strong>und</strong> identifizieren Lücken. Auf bauend<br />

auf dieser Analyse versteht sich unser<br />

Team als Lotse beim Auf bau von Menschenrechts-Due<br />

Diligence Prozessen.<br />

Was ist eine Menschenrechts-Due<br />

Diligence? Gibt es einen branchenübergreifenden<br />

Ansatz, <strong>und</strong> wie können Unternehmen<br />

nationale <strong>und</strong> internationale<br />

rechtliche <strong>und</strong> andere Anforderungen<br />

erfüllen?<br />

Menschenrechts-Due Diligence<br />

Seit der Verabschiedung der UN Leitprinzipien<br />

für <strong>Wirtschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Menschenrechte</strong><br />

(UNGP) in 2011 sind Unternehmen<br />

dazu aufgefordert, in allen Geschäftsprozessen<br />

ihrer menschenrechtlichen<br />

64 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


Sorgfaltspflicht nachzukommen. Sie<br />

sind dafür verantwortlich, die <strong>Menschenrechte</strong><br />

entlang ihrer Geschäftstätigkeiten<br />

zu achten, auch dort, wo der Staat dies<br />

nicht tut. Hierfür müssen Unternehmen<br />

die negativen Auswirkungen, die durch<br />

ihre Geschäftstätigkeiten, Produkte <strong>und</strong><br />

Dienstleistungen entstehen (könnten),<br />

kontinuierlich analysieren <strong>und</strong> bei<br />

Verletzungen geeignete Abhilfemaßnahmen<br />

schaffen. Dies gilt auch für<br />

indirekte Menschenrechtsverletzungen,<br />

die beispielsweise tiefer in der Lieferkette,<br />

etwa durch Geschäftspartner, verursacht<br />

werden. Dieser Prozess wird als Menschenrechts-Due<br />

Diligence bezeichnet.<br />

5 Phasen zur Menschenrechts-<br />

Due Diligence – 5 Schritte zum<br />

nachhaltigen Erfolg<br />

Die Betrachtung menschenrechtlicher<br />

Auswirkungen ist eine kontinuierliche<br />

<strong>und</strong> strategische Aufgabe. Menschenrechtliche<br />

Sorgfaltsprozesse bringen,<br />

wie andere Nachhaltigkeitsprozesse<br />

auch, spezielle Herausforderungen mit<br />

sich. Gleichzeitig variieren gesetzlichen<br />

Vorgaben <strong>und</strong> Berichtsanforderungen<br />

zwischen verschiedenen Märkten.<br />

Markus Löning<br />

Um dem gerecht zu werden, haben wir<br />

für den Auf bau einer strategischen<br />

Menschenrechts-Due Diligence ein Fünf-<br />

Phasen-Modell entwickelt: Wir analysieren,<br />

wo Unternehmen in Bezug auf<br />

<strong>Menschenrechte</strong> stehen. Gemeinsam mit<br />

unseren K<strong>und</strong>en entwickeln wir Strategien,<br />

Ziele <strong>und</strong> Maßnahmen <strong>und</strong> begleiten<br />

die Umsetzung. In einem weiteren Schritt<br />

wird das Innovationspotenzial eines Unternehmens<br />

aus den Erkenntnissen dieses<br />

Prozesses nutzbar gemacht<br />

um Abläufe <strong>und</strong> Produkte<br />

zu verbessern. Unser<br />

Fünf-Phasen-Modell<br />

führt zum Auf bau<br />

von internen Kompetenzen,<br />

um den<br />

Menschenrechts-<br />

Due Diligence<br />

Prozess kontinuierlich<br />

anzupassen<br />

<strong>und</strong><br />

zu verbessern.<br />

Dadurch können<br />

Unternehmen<br />

die positiven<br />

Auswirkungen ihrer<br />

Geschäftstätigkeiten<br />

auf die <strong>Menschenrechte</strong><br />

erhöhen. Gleichzeitig<br />

erfüllen sie die Berichtsanforderungen<br />

von Gesetzgebern,<br />

K<strong>und</strong>en oder Finanzinstitutionen.<br />

1. Analyse – Was muss Ihr<br />

Unternehmen in Bezug auf die<br />

<strong>Menschenrechte</strong> erfüllen?<br />

Wir schauen uns den regulatorischen<br />

Kontext genauso an, wie das Wettbewerbsumfeld<br />

<strong>und</strong> relevante gesellschaftliche<br />

Erwartungen. Gleichzeitig analysieren<br />

wir inwieweit bestehende Prozesse<br />

diese Anforderung bereits erfüllen.<br />

2. Strategie- & Maßnahmenentwicklung<br />

– Was wollen Sie<br />

erreichen?<br />

Auf Basis der Analyse wird eine Strategie<br />

zur Reduzierung der menschenrechtlichen<br />

Risiken entwickelt. Wir helfen Ihnen,<br />

Handlungsfeldern so zu priorisieren<br />

<strong>und</strong> so zu bearbeiten, dass die Risiken<br />

Schritt für Schritt reduziert werden.<br />

3. Umsetzung – Implementierung<br />

von Prozessen<br />

Wir wissen, dass es schwer sein kann, in<br />

einer Organisation neue Themen <strong>und</strong><br />

Prozesse einzuführen. Wir haben anhand<br />

unserer Erfahrung spezielle Tools<br />

entwickelt, um diese Hürden leichter zu<br />

bewältigen <strong>und</strong> die verschiedenen Maßnahmen<br />

<strong>und</strong> Prozesse einer Menschenrechts-Due<br />

Diligence zu implementieren.<br />

4. Innovation – Menschenrechts-<br />

Performance <strong>und</strong> wirtschaftlicher<br />

Erfolg<br />

Bei Entwicklung <strong>und</strong> Umsetzung einer<br />

Menschenrechts-Due Diligence entsteht<br />

neues Wissen über Geschäftsmodelle<br />

<strong>und</strong> -prozesse. Mithilfe von Design-<br />

Thinking-Prozessen helfen wir Ihnen,<br />

das Innovationspotenzial dieses Wissens<br />

zu nutzen.<br />

5. Monitoring – Zukunft<br />

gestalten, Erfolgskontrolle <strong>und</strong><br />

kontinuierliche Verbesserung<br />

Eine effektive <strong>und</strong> effiziente Menschenrechts-Due<br />

Diligence braucht ein systematisches<br />

Monitoring. Zur Beurteilung<br />

<strong>und</strong> Verbesserung von Prozessen helfen<br />

wir, eine Datenerhebung <strong>und</strong> -bewertung<br />

zu etablieren.<br />

Gelebte Verantwortung ist die<br />

strategische Basis des Erfolgs<br />

Genau wie die Einhaltung von Umweltstandards<br />

ist mittlerweile die Achtung<br />

der <strong>Menschenrechte</strong> aus einer zukunftsweisenden<br />

Unternehmensstrategie nicht<br />

mehr wegzudenken. Löning – Human<br />

Rights & Responsible Business hilft Unternehmen,<br />

ihre Werte auch in diesem<br />

schwierigen Bereich zu leben.<br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

65


GOOD PRACTICE<br />

Die Umwelt fest im Blick<br />

Verantwortungsvoll <strong>und</strong> nachhaltig wirtschaften – dieser Anspruch ist für die Lufthansa Group<br />

Basis der Geschäftstätigkeit <strong>und</strong> tagtägliche Maßgabe. Ein besonderes Anliegen ist es, dem<br />

wachsenden Mobilitätsbedarf mit umweltverträglichen Produkten zu begegnen <strong>und</strong> die<br />

ökologischen Auswirkungen des Fliegens zu begrenzen.<br />

Von Lufthansa Group Communications<br />

Der Luftverkehr ist im globalen Maßstab<br />

ein Wachstumssektor <strong>und</strong> wird noch<br />

auf unbestimmte Zeit fossile Treibstoffe<br />

benötigen. Zu den wesentlichen Auswirkungen<br />

der Flugbetriebe der Lufthansa<br />

Group zählen daher vor allem Klimaeffekte<br />

infolge der CO 2<br />

-Emissionen, denn<br />

durch die Verbrennung einer Tonne<br />

Flugkerosin entstehen 3,15 Tonnen CO 2<br />

.<br />

Derzeit machen die CO 2<br />

-Emissionen des<br />

globalen Luftverkehrs gemäß der Internationalen<br />

Energieagentur (IEA) etwa 2,7<br />

Prozent aller von Menschen verursachten<br />

CO 2<br />

-Emissionen aus (Quelle: IEA 2017,<br />

Daten für 2015). Aufgr<strong>und</strong> des absehbar<br />

weiter steigenden Bedarfs an Mobilität<br />

werden der Luftverkehr <strong>und</strong> damit einhergehend<br />

die Emissionen auch künftig<br />

zunehmen.<br />

Die Luftfahrtbranche hat hierauf reagiert<br />

<strong>und</strong> sich 2009 weltweit auf die folgenden<br />

Ziele verständigt, an denen die Lufthansa<br />

Group maßgeblich mitgewirkt hat;<br />

1. Die Treibstoffeffizienz soll bis 2020<br />

pro Jahr um 1,5 Prozent gesteigert<br />

werden.<br />

2. Ab 2020 soll das Wachstum des Luftverkehrs<br />

CO 2<br />

-neutral erfolgen.<br />

3. Bis 2050 sollen die Netto-CO 2<br />

-Emissionen<br />

der Luftfahrt gegenüber dem Jahr<br />

2005 um 50 Prozent sinken.<br />

Vier Säulen für den Klimaschutz<br />

Um die ökologischen Auswirkungen<br />

des Fliegens zu begrenzen, verfolgt die<br />

Luftfahrtbranche eine Vier-Säulen-Strategie,<br />

die verschiedene umweltrelevante<br />

Maßnahmen bündelt. Diese reichen<br />

vom technischen Fortschritt über eine<br />

verbesserte Infrastruktur <strong>und</strong> operative<br />

Maßnahmen bis hin zu ökonomischen<br />

Instrumenten. Die Vier-Säulen-Strategie<br />

ist auch Gr<strong>und</strong>lage für die Treibstoffeffizienz-Aktivitäten<br />

der Lufthansa Group.<br />

Zudem orientiert sich der Konzern im<br />

Bereich der Klima- <strong>und</strong> Umweltverantwortung<br />

an den Umweltprinzipien des<br />

UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> <strong>und</strong> den Sustainable<br />

Development Goals der Vereinten<br />

Nationen.<br />

66 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


Den größten Beitrag zur umweltverträglichen<br />

Gestaltung heutiger <strong>und</strong> künftiger<br />

Mobilität leisten die kontinuierlichen<br />

Investitionen in eine effiziente Konzernflotte.<br />

Diese umfasst aktuell mehr als<br />

750 Flugzeuge – eine moderne, <strong>und</strong><br />

wettbewerbsfähige Flotte, die viele verschiedene<br />

Marktsegmente abdeckt.<br />

Flottenmanagement: Umweltaspekte<br />

spielen wichtige Rolle<br />

Die Lufthansa Group ist ein Vorreiter<br />

bei der Einführung neuer, umweltfre<strong>und</strong>licher<br />

Technologien, wie zuletzt<br />

mit dem Airbus A350-900, der weltweit<br />

zu den modernsten <strong>und</strong> effizientesten<br />

Langstreckenflugzeugen zählt. Flottenentscheidungen<br />

folgen zunächst primär<br />

wirtschaftlichen Kriterien. Denn nur eine<br />

nachhaltig wirtschaftlich zu betreibende<br />

Flotte ist aus unternehmerischer Sicht<br />

vertretbar. Darüber hinaus muss das<br />

Flugzeug sicher <strong>und</strong> sehr zuverlässig fliegen,<br />

die hohen K<strong>und</strong>enerwartungen an<br />

das Bordprodukt erfüllen <strong>und</strong> zu den anderen<br />

Flugzeugen der Konzernflotte passen.<br />

Auch Umwelt- <strong>und</strong> Nachhaltigkeitsaspekte<br />

spielen eine wichtige Rolle –<br />

nur besonders umweltfre<strong>und</strong>liche Flugzeuge<br />

betrachtet die Lufthansa Group als<br />

nachhaltige Investition. Daher stehen<br />

die Flottenexperten kontinuierlich im<br />

Austausch mit den Flugzeug- <strong>und</strong> Triebwerksherstellern<br />

bezüglich aktueller<br />

Technologie- <strong>und</strong> Produktentwicklungen.<br />

So können die Anforderungen an die<br />

Nachhaltigkeit neuer Flugzeugprogramme<br />

frühzeitig eingebracht werden. Die<br />

Lufthansa Group hat aktuell 205 Flugzeuge<br />

zu einem Listenwert von r<strong>und</strong> 30<br />

Milliarden Euro mit Auslieferungsdaten<br />

bis 2025 fest bestellt (Stand: 01.10.<strong>2018</strong>).<br />

Optimierung der Bestandsflotte<br />

Neben der kontinuierlichen Investition<br />

in moderne Flugzeuge setzt die Lufthansa<br />

Group auch auf die Optimierung ihrer<br />

Bestandsflotte. Hierzu gehören zum Beispiel<br />

Optimierungen an den Triebwerken<br />

zur Verringerung des Treibstoffverbrauchs,<br />

lärmmindernde Maßnahmen,<br />

wie Wirbelgeneratoren am Airbus A320<br />

oder auch spezielle Verkleidungen an<br />

den Triebwerkseinlässen.<br />

Auch die vielfältigen operativen Maßnahmen<br />

zur Verbesserung der Treibstoffeffizienz<br />

als Teil der Vier-Säulen-<br />

Strategie sind ein wichtiger Baustein<br />

im Bestreben, die Umweltauswirkungen<br />

des Flugbetriebs zu begrenzen. Der Fokus<br />

der Effizienzprogramme liegt dabei<br />

auf Maßnahmen zur Flugstreckenoptimierung<br />

<strong>und</strong> -verkürzung. Denn jede<br />

eingesparte Flugmeile bedeutet weniger<br />

Treibstoffverbrauch, weniger Emissionen<br />

<strong>und</strong> zudem eine kürzere Flugzeit.<br />

Wenn die Lufthansa Group ein Flugzeug<br />

aus ihrer Flotte ausmustert, wird es entweder<br />

verkauft <strong>und</strong> bei einer anderen<br />

Airline weiter betrieben – oder recycelt.<br />

Von einem Jumbo-Jet können zum Beispiel<br />

mehr als 90 Prozent der Bauteile<br />

aufbereitet <strong>und</strong> wiederverwertet werden.<br />

Die Komponenten werden sorgfältig<br />

geprüft, repariert sowie zertifiziert <strong>und</strong><br />

dann dem Komponenten-Pool zugeführt.<br />

Nach Abschluss der Arbeiten ist in der<br />

Regel nur noch die Flugzeughülle übrig,<br />

die dann als Altmetall recycelt wird.<br />

CO 2<br />

-neutral fliegen<br />

Fluggäste der Lufthansa Group Airlines<br />

fliegen dank moderner Flugzeuge <strong>und</strong><br />

Fuel-Efficiency-Programme bereits besonders<br />

treibstoffeffizient: 2017 benötigten<br />

die Flugzeuge der Passagierflotten<br />

durchschnittlich nur 3,68 Liter Kerosin,<br />

um einen Fluggast 100 Kilometer weit<br />

zu transportieren (2016: 3,85 l / 100 pkm).<br />

Dies entspricht einer Verbesserung um<br />

4,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.<br />

Darüber hinaus bietet der Konzern<br />

seinen K<strong>und</strong>en in weiten Teilen die<br />

Möglichkeit, die durch die Flugreise<br />

unvermeidbar entstehenden CO 2<br />

-<br />

Emissionen mit einer Spende auszugleichen<br />

<strong>und</strong> so einen persönlichen Beitrag<br />

zum Klimaschutz leisten. Die Spenden<br />

fließen in zertifizierte Projekte von Partner-Klimaschutzorganisationen,<br />

die bei<br />

der Auswahl <strong>und</strong> Umsetzung höchste<br />

Standards anlegen <strong>und</strong> sicherstellen,<br />

dass neben der CO 2<br />

-Reduktion auch ein<br />

positiver Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung<br />

geleistet wird.<br />

Vier Säulen für den Klimaschutz<br />

1. Technischer Fortschritt<br />

2. Verbesserte Infrastruktur<br />

3. Operative Maßnahmen<br />

4. Ökonomische Instrumente<br />

Neuerungen bei Flugzeug<strong>und</strong><br />

Triebwerkstechnologien<br />

Alternative Kraftstoffe<br />

Bessere Nutzung der Lufträume<br />

Dem Bedarf angepasste<br />

Flughafenstrukturen<br />

Effiziente Flugzeuggrößen<br />

Optimale Flugrouten<br />

<strong>und</strong> -geschwindigkeiten<br />

Optimierte Prozesse<br />

am Boden<br />

Ein globales, sinnvoll ausgestattetes,<br />

marktbasiertes<br />

System zur Emissionsminderung<br />

als Ergänzung zu den drei<br />

anderen Säulen<br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

67


GOOD PRACTICE<br />

Auszeichnung für<br />

umweltfre<strong>und</strong>lichen<br />

Bürobedarf<br />

Lyreco ist DER Ansprechpartner für Büro- <strong>und</strong> Arbeitsplatzlösungen für Geschäftsk<strong>und</strong>en.<br />

Die Hauptverwaltung sowie das Logistikzentrum befinden sich in Barsinghausen bei Hannover.<br />

Von Olaf Dubbert, Quality, Security & Sustainability Manager, Lyreco<br />

Mit einem Umsatz von r<strong>und</strong> zwei<br />

Milliarden Euro <strong>und</strong> mehr als 9.000<br />

Mitarbeitern in 42 Ländern gehört der<br />

europäische Marktführer Lyreco auch<br />

international zu den führenden Anbietern<br />

für Bürobedarf im B2B-Bereich. In<br />

<strong>Deutschland</strong> zählt das Familienunternehmen<br />

zudem zu den am schnellsten<br />

wachsenden in seiner Branche.<br />

Das unternehmerische Handeln Lyrecos<br />

basiert auf den vier Werten Leidenschaft,<br />

Respekt, Perfektion <strong>und</strong> Agilität. Zu den<br />

Besonderheiten des 1926 von der Familie<br />

Gaspard gegründeten Unternehmens<br />

zählt das Augenmerk, das auf nachhaltige<br />

Entwicklung gelegt wird. So erhielt<br />

Lyreco bereits 2003 als erster großer<br />

Bürobedarfshändler die Zertifizierung ISO<br />

14001 (Umwelt) sowie ISO 9001 (Qualität).<br />

Durch die Unterzeichnung des „<strong>Global</strong><br />

<strong>Compact</strong>“, einer Initiative der Vereinten<br />

Nationen, im Jahr 2004 trägt Lyreco dazu<br />

bei, die Vision einer nachhaltigeren <strong>und</strong><br />

gerechten Weltwirtschaft zu verwirklichen.<br />

Kernpunkte des „<strong>Global</strong> <strong>Compact</strong>“<br />

sind die Stärkung von <strong>Menschenrechte</strong>n,<br />

die Einhaltung von Arbeitsstandards, die<br />

Korruptionsbekämpfung sowie der Umweltschutz.<br />

Im jährlich erscheinenden<br />

Nachhaltigkeitsbericht <strong>und</strong> auf der Internetseite<br />

www.eco.lyreco.de werden sämtliche<br />

Aktionen <strong>und</strong> weltweit umgesetzte<br />

Maßnahmen dokumentiert.<br />

Wettbewerb „Nachhaltigster K<strong>und</strong>e“<br />

Im Jahr 2012 lobte Lyreco <strong>Deutschland</strong><br />

erstmalig einen Umwelt-Pokal aus, um<br />

seine umweltfre<strong>und</strong>lichsten K<strong>und</strong>en zu<br />

würdigen. Damals nahmen 21 K<strong>und</strong>en<br />

teil <strong>und</strong> seitdem ist die Anzahl stetig<br />

gestiegen, so dass in den Kategorien<br />

heute mehr als 50 Teilnehmer zu verzeichnen<br />

sind.<br />

Damit dieser Wettbewerb so fair wie<br />

möglich abläuft, werden eine Vielzahl<br />

von Kriterien durch eine Scorecard berücksichtigt.<br />

Dies umfasst den Anteil an<br />

den vom K<strong>und</strong>en gekauften grünen Produkten,<br />

den Anteil erhaltener papierloser<br />

Dokumente (Webshop <strong>und</strong> EDI) sowie das<br />

Liefer- <strong>und</strong> Bestellverhalten. Die Scorecard<br />

dient dem K<strong>und</strong>en zur Einschätzung,<br />

ob er mit seinem Einkaufsverhalten<br />

gute Ergebnisse (hohe Punktzahlen) oder<br />

schlechte Ergebnisse (niedrige Punktzahlen)<br />

erzielt. Dies wird durch eine<br />

Bewertung angezeigt, so dass der K<strong>und</strong>e<br />

auf einen Blick seine Positionierung in<br />

Bezug auf seine teilnehmenden Mitbewerber<br />

(anonymisiert) sehen kann. Wir<br />

zeichnen in 2 Kategorien jeweils die<br />

3 Gewinner aus. In manchen Jahren<br />

sind wir in der glücklichen Lage, den<br />

zusätzlichen Sonderpreis „Green Tree“<br />

für besondere Leuchtturm-Leistungen<br />

in bestimmten Bewertungskategorien<br />

zu verleihen.<br />

Alle Gewinner des Nachhaltigkeitspreises<br />

werden ausgezeichnet. Die Gewinner<br />

erhalten einen Umwelt-Pokal aus dem<br />

Naturmaterial Holz in Form einer Kugel.<br />

Die Preisträger in den Kategorien „Green<br />

Tree“ erhalten einen hölzernen Umwelt-<br />

Pokal in Form eines Baumes.<br />

68 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


Nach welchen Kriterien wird<br />

gewertet?<br />

Die Bewertung des Wettbewerbs wird<br />

in einzelne Kategorien aufgeteilt. In<br />

diesen Kategorien wird bewertet, wie<br />

„grün“ das Einkaufsmanagement des jeweiligen<br />

K<strong>und</strong>en ist. Zuerst wird geprüft,<br />

wie viele grüne Produkte der K<strong>und</strong>e in<br />

seinem Sortiment hat. Anschließend<br />

wird ausgewertet, wie viele von diesen<br />

Produkten auch gekauft werden.<br />

Mit diesen beiden Kategorien kann der<br />

K<strong>und</strong>e schon einige Punkte sammeln,<br />

die bei der finalen Auswertung von<br />

Vorteil sind! Im nächsten Schritt wird<br />

die Entwicklung des Einkaufmanagements<br />

analysiert. Als Gr<strong>und</strong>lage dient<br />

hier die Entwicklung vom ersten bis<br />

zum vierten Quartal. Nach der Auswertung<br />

des Sortiments wird geprüft,<br />

wie nachhaltig Bestellprozess <strong>und</strong><br />

Rechnungsversand sind. Hier wird bewertet,<br />

ob der K<strong>und</strong>e den papierlosen<br />

Rechnungsversand nutzt <strong>und</strong> ob er die<br />

Bestellungen per EDI oder Webshop<br />

einspielt. Zuletzt wird das Liefer- <strong>und</strong><br />

Bestellverhalten des K<strong>und</strong>en analysiert.<br />

Die Kriterien in dieser Kategorie sind<br />

z. B. der Durchschnittsauftragswert, die<br />

durchschnittlichen Positionen pro Auftrag<br />

<strong>und</strong> die Lieferhäufigkeit pro Woche.<br />

Was sind die<br />

Teilnahmebedingungen?<br />

Firmen können sich über ihren Lyreco<br />

Außendienstmitarbeiter anmelden. Der<br />

Anmeldeschluss ist der 31. Dezember<br />

des Jahres. Bewertet wird der Zeitraum<br />

vom 1. Januar bis zum 31. Dezember<br />

des laufenden Jahres.<br />

Entscheiden Sie sich<br />

für besonders umweltfre<strong>und</strong>liche<br />

Produkte, die nachvollziehbar<br />

bewertet wurden <strong>und</strong> als solche<br />

klar erkennbar sind.<br />

Kaufen Sie Ihre Produkte<br />

bei einem Lieferanten, der Ihnen<br />

eine hohe Warenverfügbarkeit <strong>und</strong><br />

einen hohen Lieferservice<br />

garantiert. So vermeiden Sie<br />

häufige Nachlieferungen.<br />

Bestellen<br />

Sie online statt per<br />

Telefon oder Fax.<br />

GRÜNER<br />

EINKAUFEN –<br />

WIE GEHT DAS<br />

EIGENTLICH?<br />

Ordern Sie bei<br />

einem Lieferanten,<br />

der Ihnen ein umfangreiches<br />

Produktsortiment bietet. So<br />

reduzieren Sie die Anzahl der<br />

Lieferungen, den Verpackungsaufwand<br />

<strong>und</strong> die Anzahl Ihrer Eingangsrechnungen.<br />

+<br />

Kombinieren<br />

Sie Ihre Bestellungen, um die<br />

Anzahl der Lieferungen <strong>und</strong><br />

Verpackungsmaterial zu<br />

reduzieren.<br />

Ganze Verpackungseinheiten<br />

statt kleinerer Mengen<br />

zu bestellen spart<br />

Verpackungsmaterial.<br />

Die Gewinner werden in 2 Ligen ermittelt,<br />

abhängig vom Umsatz. Darüber<br />

hinaus kann ein Sonderpreis vergeben<br />

werden. Ein zusätzlicher Nutzen kann<br />

aus der detaillierten Benchmark-Auswertung<br />

gezogen werden. Die Gewinner<br />

werden von Lyreco bekannt gegeben<br />

<strong>und</strong> bei einer Lyreco-Veranstaltung feierlich<br />

prämiert.<br />

Produkte mit Umweltkennzeichen<br />

Unser breitgefächertes Sortiment an<br />

umweltfre<strong>und</strong>lichen Produkten ist die<br />

beste Wahl, wenn bei der Bestellung<br />

von Büromaterial lieber auf grüne Alternativen<br />

gesetzt werden soll. Dank<br />

des Umweltkennzeichens können diese<br />

Produkte schnell erkannt werden. Die<br />

Vergabe der Kennzeichnung basiert auf<br />

ISO 14021 / ISO 14024. Unsere maßgeschneiderte<br />

<strong>und</strong> einzigartige Methode<br />

ist von der Zertifizierungsgesellschaft<br />

SGS geprüft.<br />

Lyreco bei der Verleihung der Umwelt-Pokale.<br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

69


1 <strong>Global</strong> Goals Yearbook <strong>2018</strong><br />

3 <strong>Global</strong> Goals 2 Yearbook <strong>2018</strong><br />

<strong>Global</strong> Goals Yearbook <strong>2018</strong><br />

GOOD PRACTICE<br />

<strong>Global</strong> Goals Forum 2019<br />

Wir brauchen dringend das Engagement des Privatsektors, um die Agenda 2030 für nachhaltige<br />

Entwicklung zu erreichen. Dafür müssen Partnerschaften neu gedacht <strong>und</strong> vor allem<br />

Bedürfnisse <strong>und</strong> Abläufe von Unternehmen stärker berücksichtigt werden. So entstehen<br />

gemeinsame Verantwortung, nachhaltige Geschäftsmöglichkeiten <strong>und</strong> funktionierende Gesellschaften.<br />

Wie dieser Kurs angelegt sein muss, darüber diskutieren Entscheider aus Politik,<br />

<strong>Wirtschaft</strong> <strong>und</strong> Zivilgesellschaft auf dem 1. <strong>Global</strong> Goals Forum am 10. Oktober 2019 in Berlin.<br />

Von Dr. Elmer Lenzen, macondo publishing<br />

Unternehmer müssen heutzutage schnell<br />

<strong>und</strong> flexibel sein. Agilität ist gefragt –<br />

sowohl mental als auch geschäftlich.<br />

Sätze wie „Wir haben das immer so<br />

gemacht!“ oder „Das ist doch nur eine<br />

Modeerscheinung!“ haben keinen Platz<br />

in Vorstandsetagen.<br />

Doch woran können Unternehmen sich<br />

angesichts eines weltwirtschaftlich, ökologisch<br />

<strong>und</strong> vor allem politisch instabilen<br />

Umfelds orientieren? Genau diesen<br />

Fragen geht das <strong>Global</strong> Goals Forum<br />

nach. Die international ausgerichtete<br />

Konferenz bietet eine Plattform zur<br />

Stärkung des Dialogs zwischen dem öffentlichen<br />

<strong>und</strong> privaten Sektor mit Blick<br />

auf die Agenda 2030 für nachhaltige<br />

Entwicklung.<br />

Vor dem Hintergr<strong>und</strong> eines disruptiven,<br />

globalen Umfelds mangelt es oftmals<br />

nicht an Tools, Instrumenten <strong>und</strong> Optionen.<br />

Es mangelt eher an Verständnis<br />

<strong>und</strong> Verständigung über den Kurs. Und<br />

es wird oft nicht in einer Sprache gesprochen:<br />

Politik <strong>und</strong> <strong>Wirtschaft</strong> verwenden<br />

andere Codes, Partnerschaften sind deshalb<br />

oft aufgesetzt <strong>und</strong> wenig nachhaltig.<br />

Besser statt mehr<br />

Das <strong>Global</strong> Goals Forum bietet hier Orientierung,<br />

Übersetzung <strong>und</strong> Klarheit.<br />

Hochkarätige Diskussionsplattformen<br />

helfen, eine nachhaltige Zukunft besser<br />

einzuordnen, über den Rand zu schauen<br />

<strong>und</strong> Querdenker zu Wort kommen zu<br />

lassen. Das <strong>Global</strong> Goals Forum liefert<br />

so Inspiration, Diskussionsstoff <strong>und</strong> Argumente.<br />

Das Ergebnis: klarere Perspektiven<br />

<strong>und</strong> bessere Einblicke.<br />

Einen zentralen Stellenwert nimmt<br />

das Thema Partnerschaften ein. Nur<br />

gemeinsam mit der <strong>Wirtschaft</strong> wird es<br />

gelingen, die UN-Entwicklungsziele bis<br />

2030 umzusetzen. Dafür müssen viele<br />

neue Partnerschaften entstehen, bestehende<br />

Formen deutlich verbessert <strong>und</strong><br />

der Dialog <strong>und</strong> Austausch angestoßen<br />

werden.<br />

• Backgro<strong>und</strong> information<br />

• Solutions and<br />

recommendations<br />

• Argumentation<br />

aid<br />

Expert<br />

Papers<br />

Expert Paper<br />

Expert Paper<br />

Expert Paper<br />

THE<br />

GLOBAL GOALS<br />

FORUM<br />

• Conference<br />

• Workshops<br />

• Bilaterals<br />

• Networking<br />

Public<br />

sector<br />

Private<br />

sector<br />

• Knowledge<br />

exchange<br />

• Networking<br />

• Out-of-the-box thinking<br />

• Nudging initiatives<br />

Thematic<br />

Ro<strong>und</strong>tables<br />

Civil<br />

society<br />

GLOBAL GOALS<br />

YEARBOOK<br />

• Agenda-setting<br />

• Multistakeholder dialogue<br />

• Worldwide<br />

reception<br />

• Good practice<br />

collection<br />

70 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


OCTOBER 10, 2019, BERLIN<br />

Neben dem großen Podium <strong>und</strong> Auditorium<br />

bietet eine Messe- <strong>und</strong> Ausstellungsfläche<br />

von rd. 1.000 Quadratmetern Platz<br />

dafür, Ideen <strong>und</strong> nachhaltige Produkte<br />

zu präsentieren sowie zum Netzwerken<br />

<strong>und</strong> Partnerschaften knüpfen. Eine eigene<br />

VIP-Lounge lädt zu Hintergr<strong>und</strong>gesprächen<br />

<strong>und</strong> sogenannten „Bilaterals“<br />

in angenehmer Atmosphäre ein.<br />

Zielgruppe<br />

Das <strong>Global</strong> Goals Forum richtet sich<br />

an Entscheiderinnen <strong>und</strong> Entscheider,<br />

Vordenker <strong>und</strong> Persönlichkeiten.<br />

Eingeladen sind insbesondere Unternehmensvertreter<br />

– aus den Nachhaltigkeitsabteilungen,<br />

ihre Vorstände <strong>und</strong><br />

Aufsichtsräte. Aus der Politik sind vor<br />

allem gewählte Abgeordnete, Vertreter<br />

der Organisationen der Vereinten<br />

Nationen sowie Mitarbeiter aus Stabsstellen<br />

von Ministerien, Behörden <strong>und</strong><br />

Verwaltungen angesprochen. Von Seiten<br />

der Zivilgesellschaft wendet sich das<br />

<strong>Global</strong> Goals Forum an die Vertreter von<br />

Nichtregierungsorganisationen sowie<br />

Bilder oben: Veranstaltungsort ist die<br />

Hauptstadtrepräsentanz der Deutschen<br />

Telekom in Berlin.<br />

Grafik unten links: Bei der Umsetzung<br />

der <strong>Global</strong> Goals setzen wir auf einen<br />

ganzheitlichen Ansatz – dem <strong>Global</strong><br />

Goals Forum <strong>und</strong> <strong>Global</strong> Goals Yearbook<br />

kommen dabei als jeweilige Flaggschiffe<br />

eine besondere Bedeutung zu. Begleitet<br />

<strong>und</strong> vor allem vorbereitet wird dies durch<br />

themenbezogene Gesprächsr<strong>und</strong>en im<br />

Vorfeld <strong>und</strong> daraus abgeleitete Expert Papers.<br />

Diese fließen sowohl in den Konferenz- als<br />

auch politischen Diskurs ein.<br />

an Lehrende der Hochschulen. Aber<br />

auch die interessierte Öffentlichkeit ist<br />

eingeb<strong>und</strong>en – deshalb werden große<br />

Teile des Forums über Streaming im<br />

Internet verbreitet.<br />

Partner<br />

Initiator <strong>und</strong> Schirmherr des <strong>Global</strong><br />

Goals Forums ist die macondo fo<strong>und</strong>ation.<br />

Die gemeinnützige Gesellschaft<br />

setzt sich für Nachhaltigkeitsbelange <strong>und</strong><br />

insbesondere die UN-Entwicklungsziele<br />

ein. Bei der inhaltlichen Ausarbeitung<br />

der Konferenz <strong>und</strong> des dazugehörigen<br />

<strong>Global</strong> Goals Yearbooks wird die Fo<strong>und</strong>ation<br />

von einem Beirat unterstützt. Dieser<br />

besteht aus hochrangigen Vertretern<br />

der UN-Organisationen UNEP, UNICEF,<br />

UNOPS, UNSSC sowie des WBCSD, CDP<br />

<strong>und</strong> Club of Rome.<br />

Unsere Methodik<br />

Die Agenda 2030 gilt in allen Ländern der<br />

Welt – ob nun in Entwicklungsländern,<br />

Schwellenländern oder entwickelten Ländern:<br />

Jeder von uns muss einen Beitrag<br />

leisten, damit nachhaltige Entwicklung<br />

gelingt. Im Mittelpunkt der Agenda steht<br />

ein ehrgeiziger Katalog von 17 Zielen für<br />

nachhaltige Entwicklung (SDGs).<br />

Unsere Methodik geht gezielt darauf ein.<br />

Die UN benutzen als weitere Kategorisierung<br />

hier den Begriff der „5 Ps“: Diese<br />

stehen in ihrer englischen Bezeichnung<br />

für die Dimensionen Mensch, Planet,<br />

Wohlstand, Frieden <strong>und</strong> Partnerschaft<br />

(siehe UN-Dokument „A/RES/70/1 –<br />

Transformation unserer Welt: die Agenda<br />

für nachhaltige Entwicklung von 2030“.)<br />

Die 17 SDGs berücksichtigen erstmals<br />

alle drei bekannten Dimensionen der<br />

Nachhaltigkeit – sozial, ökologisch<br />

<strong>und</strong> wirtschaftlich – gleichermaßen.<br />

Zugleich gehen sie mit den Kategorien<br />

Frieden <strong>und</strong> Partnerschaft darüber<br />

hinaus <strong>und</strong> zeigen Formen <strong>und</strong> Zweck<br />

nachhaltigen Handelns auf.<br />

Der Blick auf Nachhaltigkeitsthemen<br />

durch die Linse der 5 Ps eröffnet neue,<br />

spannende Sichtweisen auf Lösung <strong>und</strong><br />

Szenarien: Etwa eine nachhaltige Veränderung<br />

der Rahmenbedingungen, ein<br />

neues Verständnis der <strong>Wirtschaft</strong> <strong>und</strong><br />

der Wertschöpfung. Er spiegelt aber auch<br />

ein neues Verständnis von sozialer Verantwortung<br />

<strong>und</strong> Teilhabe wider. Ein auf<br />

den 5 Ps basierender Geschäftsansatz<br />

erfordert beispielsweise ein Überdenken<br />

der Beziehungen zwischen Staat, <strong>Wirtschaft</strong>ssystem<br />

<strong>und</strong> Zivilgesellschaft. Die<br />

5 Ps können uns auch helfen, eine weitere<br />

Lücke zu schließen: Partizipation,<br />

Transparenz <strong>und</strong> Inklusivität sind von<br />

gr<strong>und</strong>legender Bedeutung für eine nachhaltige<br />

Entwicklung. Wenn diese Prinzipien<br />

nämlich konsequent angewandt<br />

werden, sind sie eine sinnvolle Alternative<br />

zu herkömmlichen Top-down-Modellen,<br />

bei denen Experten von oben herab<br />

Nachhaltigkeit durchkonjugieren. Das<br />

scheitert in der Praxis dann oft am Widerstand<br />

der Zwischenebenen. Gefordert<br />

sind deshalb horizontale <strong>und</strong> vertikale<br />

Integration von Managementmodellen<br />

<strong>und</strong> Kompetenz im Management von<br />

Multistakeholder-Dialogen.<br />

Menschen, Planet, Wohlstand, Frieden<br />

<strong>und</strong> Partnerschaft sind deshalb ein ausgezeichneter<br />

Rahmen für die unternehmerische<br />

Auseinandersetzung mit den<br />

<strong>Global</strong> Goals, für die Präsentation des<br />

Erreichten (z.B. im <strong>Global</strong> Goals Yearbook)<br />

<strong>und</strong> als thematischer Kompass<br />

auf dem internationalen <strong>Global</strong> Goals<br />

Forum.<br />

Mehr Informationen unter: globalgoals-forum.org<br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

71


GOOD PRACTICE<br />

MAN hilft helfen<br />

Wer sich ehrenamtlich engagieren will, hat oft die Qual der Wahl. Die Anzahl der<br />

Organisationen <strong>und</strong> Projekte, die Unterstützung brauchen, ist hoch. Mit der Plattform<br />

„Helfen macht Freude“ unterstützt MAN das freiwillige Mitarbeiterengagement <strong>und</strong> schafft<br />

zugleich Orientierung.<br />

Von Peter Attin, Senior Vice President Coporate Responsibility, MAN<br />

Für die MAN-Gruppe gehört Engagement<br />

für Menschen <strong>und</strong> Umwelt zum<br />

Selbstverständnis. Schon seit vielen Jahren<br />

engagiert sich das Unternehmen in<br />

unterschiedlichen Projekten auf nationaler<br />

<strong>und</strong> internationaler Ebene. Dem<br />

freiwilligen Engagement der Mitarbeiter<br />

kommt dabei eine besondere Rolle zu:<br />

Damit bekommt die Übernahme gesellschaftlicher<br />

Verantwortung nicht nur ein,<br />

sondern gleich viele Gesichter.<br />

Plattform „Helfen macht Freude“<br />

Für die meisten ist es aber mitunter nicht<br />

so einfach, das richtige Ehrenamt für<br />

sich zu finden. Die Auswahl an möglichen<br />

Projekten <strong>und</strong> Organisationen ist<br />

groß, die Orientierung fällt oft schwer.<br />

Deswegen hat MAN das Programm<br />

„Helfen macht Freude“ ins Leben gerufen,<br />

das im Kulturveränderungsprogramm<br />

„MAN Change“ entstanden ist. Das Ziel<br />

ist es, den Mitarbeitern eine Plattform<br />

zu bieten, über die sie sich sozial <strong>und</strong><br />

ehrenamtlich engagieren können. Im<br />

Intranet des Münchener Unternehmens<br />

können sich die Angestellten über verschiedene<br />

Projekte informieren <strong>und</strong> sich<br />

dort auch direkt darauf bewerben.<br />

Gemeinsam mit verschiedenen Trägerorganisationen,<br />

wie beispielsweise dem<br />

Kinderschutzb<strong>und</strong>, setzt MAN die ehren-<br />

Peter Attin erläutert die die Plattform<br />

„Helfen macht Freude“.<br />

72 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


amtlichen Projekte auf <strong>und</strong> entwickelt<br />

außerdem ständig neue Maßnahmen.<br />

Der Fokus liegt dabei auf den Bereichen<br />

Bildung <strong>und</strong> Unterstützung sozial<br />

Benachteiligter. Das ist dem Unternehmen<br />

besonders wichtig: MAN betrachtet<br />

Bildung als Gr<strong>und</strong>lage der Armutsbekämpfung<br />

<strong>und</strong> damit auch für jede Art<br />

sozialer Partizipation.<br />

„Helfen macht Freude“ informiert aber<br />

nicht nur über aktuelle <strong>und</strong> geplante<br />

Projekte, Interessierte finden dort auch<br />

Erfahrungsberichte von bereits abgeschlossenen<br />

Aktionen. Die positiven<br />

Stimmen der freiwilligen Helfer von<br />

MAN motivieren zusätzlich. Bei den<br />

Mitarbeitern kommt das gut an: „Viele<br />

sind dankbar dafür, dass wir sie so bei<br />

ehrenamtlichen Tätigkeiten unterstützen<br />

<strong>und</strong> ihnen damit gleichzeitig eine<br />

Orientierung im Bereich des sozialen<br />

Engagements bieten“, weiß Susanne<br />

Gunreben, eine der Mitgründerinnen<br />

des Programms.<br />

Viele St<strong>und</strong>en freiwilliges Engagement<br />

Ein Herzensprojekt der Münchener ist<br />

die Kooperation mit dem SOS-Kinderdorf<br />

e.V. Schon seit zehn Jahren ist MAN<br />

sowohl national als auch international<br />

engagiert. Neben der Unterstützung von<br />

Bildungsprojekten <strong>und</strong> Spenden für Nothilfemaßnahmen<br />

ist das Engagement der<br />

Mitarbeiter ein wichtiger Eckpfeiler der<br />

Zusammenarbeit. Mehrere h<strong>und</strong>ert St<strong>und</strong>en<br />

ehrenamtlicher Arbeit leisten die<br />

Freiwilligen pro Jahr für SOS-Kinderdorf.<br />

Allein 2017 kamen etwa 420 Freiwilligenst<strong>und</strong>en<br />

zusammen. Die Tätigkeiten<br />

sind dabei ganz unterschiedlich: So übernehmen<br />

die MAN-Mitarbeiter beispielsweise<br />

Bildungspatenschaften für von SOS-<br />

Kinderdorf betreute Kinder <strong>und</strong> Jugendliche<br />

in <strong>Deutschland</strong>. Einmal in der Woche<br />

treffen sie sich mit sozial benachteiligten<br />

Schülern, um ihnen beim Lernen zu<br />

helfen. Auch der Nachwuchs von MAN<br />

bringt sich ehrenamtlich ein. Jedes Jahr<br />

helfen die Azubis in Salzgitter beim Auf<strong>und</strong><br />

Abbau des Weihnachtsdorfs im SOS-<br />

Mütterzentrum. In festlicher Umgebung<br />

können die Kinder dort dann mit ihren<br />

Müttern basteln, werkeln <strong>und</strong> backen.<br />

Unterstützung Benachteiligter<br />

Eine besondere Aktion fand 2017 in der<br />

SOS-Jugendwohngruppe in Landsberg<br />

statt. Hier leben einige unbegleitete,<br />

jugendliche Flüchtlinge. Gemeinsam<br />

mit den Mitarbeitern von MAN mauerten<br />

die Jugendlichen einen Ziegel-Grill.<br />

Bei gemütlichem Beisammensein <strong>und</strong><br />

leckerem Essen wurde dieser auch gleich<br />

eingeweiht. An der Aktion hatten alle<br />

ihren Spaß: „Für uns war es toll zu erleben,<br />

wie schön es ist zu helfen <strong>und</strong><br />

wie gut es tut, dafür ein Lächeln oder<br />

auch eine Umarmung geschenkt zu bekommen“,<br />

heißt es in dem zugehörigen<br />

Erfahrungsbericht auf der MAN-internen<br />

Plattform „Helfen macht Freude“. Auch<br />

nach dem gemeinsamen Bau des Grills<br />

brach der Kontakt nicht ab. So besuchten<br />

die Jugendlichen das Unternehmen<br />

in München <strong>und</strong> bekamen dort eine<br />

Werksführung. Außerdem sind noch<br />

weitere Projekte in Planung.<br />

Wer Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen lieber<br />

anderweitig helfen will, kann sich für das<br />

Mentoring-Programm von MAN melden.<br />

Gemeinsam mit dem Dominik-Brunner-<br />

Haus der Johanniter in Ramersdorf ist das<br />

Projekt im September <strong>2018</strong> mit sieben<br />

Jugendlichen aus schwierigen sozialen<br />

Verhältnissen gestartet. Diese besuchen<br />

unterschiedliche Schulformen <strong>und</strong> haben<br />

individuelle Bereiche, in denen sie<br />

sich Unterstützung wünschen. So helfen<br />

die MAN-Mitarbeiter in regelmäßigen<br />

Treffen beispielsweise bei der Suche<br />

nach einem geeigneten Ausbildungsoder<br />

Studienplatz. Bevor das Programm<br />

startete, wurde zudem ein Matching<br />

vorgenommen, sodass sich passende<br />

Mentee-Mentor-Paare zusammenfinden<br />

konnten.<br />

Das Hauptengagement der Münchener<br />

liegt zwar im Bereich der Bildung. Daneben<br />

gibt es auch zahlreiche ökologische<br />

Projekte, in denen sich die Mitarbeiter<br />

engagieren können. So zum Beispiel<br />

die Wiedervernässung im Hoch- <strong>und</strong><br />

Niedermoor Unterhaching oder die Renaturierung<br />

im Perlacher Forst.<br />

Grenzen überwinden<br />

Die Plattform „Helfen macht Freude“<br />

sensibilisiert die Mitarbeiter von MAN für<br />

gesellschaftliche, soziale <strong>und</strong> ökologische<br />

Themen. Freiwilliges gesellschaftliches<br />

Engagement hat aber auch weitere Vorteile<br />

für das Unternehmen. Denn ein<br />

Ehrenamt überwindet Grenzen: Nicht<br />

nur Angestellte, sondern auch Vorgesetzte<br />

<strong>und</strong> Vorstandsmitglieder sind aktiv<br />

mit dabei. Hand in Hand engagieren sie<br />

sich gemeinsam. Zum Teil melden sich<br />

sogar komplette Abteilungen für solch<br />

eine ehrenamtliche Tätigkeit. So sind<br />

über das gesellschaftliche Engagement<br />

die Projekte auch ausgesprochen gute<br />

Team-Building-Maßnahmen – innerhalb<br />

von Bereichen <strong>und</strong> Abteilungen aber<br />

auch über Fachbereiche <strong>und</strong> Hierarchien<br />

hinweg.<br />

Die Übernahme von sozialer <strong>und</strong> gesellschaftlicher<br />

Verantwortung der Münchener<br />

bleibt auch in der Öffentlichkeit<br />

nicht unbemerkt. Im Dezember <strong>2018</strong><br />

wurde die MAN-Gruppe von der Stadt<br />

München als ausgezeichnetes Unternehmen<br />

im Bereich Corporate Social<br />

Responsibility geehrt. Und das insbesondere<br />

für das freiwillige Mitarbeiterengagement,<br />

die Integration von Flüchtlingen<br />

<strong>und</strong> für die langjährige Kooperation mit<br />

SOS-Kinderdorf.<br />

Ökologisches Projekt im Perlacher Forst<br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

73


GOOD PRACTICE<br />

SDGs: Schöne neue<br />

(Unternehmens)Welt?<br />

Im Jahr 2015 wurden von den Vereinten Nationen die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung<br />

(SDGs, Sustainable Development Goals) verabschiedet. Damit wurde vielen Regierungen,<br />

Regulierungsbehörden <strong>und</strong> Unternehmen die dringende Notwendigkeit klar, mehr für den Schutz<br />

zukünftiger Generationen zu tun. Seitdem sind einige Jahre vergangen. Wo stehen wir jetzt <strong>und</strong><br />

wie reagieren die Unternehmen auf diese „schöne neue Welt“?<br />

Von Kai Michael Beckmann, Director Governance, Risk & Compliance, Mazars<br />

Seit der Einführung der SDGs lässt sich<br />

feststellen, dass sich auch Unternehmen<br />

intensiver mit den Auswirkungen ihrer<br />

Geschäftstätigkeit auf gesellschaftliche Belange<br />

beschäftigt haben. Betrachtet man<br />

die globalen Zahlen des <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong><br />

der Vereinten Nationen, so berichten<br />

heute insgesamt 8.996 Unternehmen<br />

über eigene Aktivitäten zur Förderung<br />

menschenwürdiger Arbeit (SDG 8). Damit<br />

ist die Achtung der <strong>Menschenrechte</strong><br />

unter den 17 Zielen dasjenige, zu denen<br />

die meisten Unternehmen Stellung beziehen.<br />

Weniger als die Hälfte informieren<br />

dagegen über Aktivitäten, die Nachhaltigkeit<br />

in Städten <strong>und</strong> Gemeinden fördern<br />

(N=4.344, SDG 11).<br />

Was hält die Unternehmen zurück?<br />

Sind es die fehlenden globalen oder<br />

nationalen Rahmenbedingungen?<br />

Selbstverständlich ist es die Rolle von<br />

Regierungen, Vorschriften zu erlassen,<br />

um eine nachhaltigere Gesellschaft zu<br />

fördern. Unternehmen werden jedoch<br />

zunehmend ihre Verantwortung für<br />

ein verantwortungsbewusstes Handeln<br />

eigenständig wahrnehmen müssen, weil<br />

eine kritischer werdende Abnehmerseite<br />

transparente Lieferketten <strong>und</strong> die Einhaltung<br />

von <strong>Menschenrechte</strong>n fordern<br />

werden. Gleichzeitig müssen Unternehmen<br />

als ökonomisch handelnde Subjekte<br />

notwendigerweise Preis <strong>und</strong> Qualität in<br />

Übereinstimmung bringen.<br />

Die Kernfrage ist deshalb vielmehr, wie<br />

können Unternehmer Gewinnorientierung<br />

auf der einen <strong>und</strong> gesellschaftliche<br />

Verantwortung auf der anderen Seite in<br />

eine gute Balance bringen? Vielen Unternehmen<br />

scheint der direkte Bezug von<br />

Umwelt, Sozial- <strong>und</strong> Governance-Aspekten<br />

zur wirtschaftlichen Situation ihres<br />

Unternehmens noch nicht klar genug zu<br />

sein. Das gilt insbesondere im Hinblick<br />

auf damit einhergehende Risiken, die<br />

langfristig wirkende, finanzielle Schäden<br />

verursachen können. Nachhaltig<br />

agierende Unternehmen, die CSR in ihre<br />

Unternehmenssteuerung integriert haben<br />

<strong>und</strong> diese Aspekte gezielt managen,<br />

können sich im Durchschnitt erfolgreicher<br />

entwickeln als ihre Wettbewerber.<br />

Mazars hat zusammen mit Shift, der führenden<br />

gemeinnützigen Organisation der<br />

UN Guiding Principles on Business and<br />

Human Rights („die UNGPs“), den UNGP<br />

Reporting Framework entwickelt. Diese<br />

Initiative wurde als Multi-Stakeholder-<br />

Projekt durchgeführt, mit über 200 verschiedenen<br />

beteiligten Organisationen,<br />

darunter Regierungen, Regulierungsbehörden,<br />

multinationale Unternehmen,<br />

zivilgesellschaftliche Akteure <strong>und</strong> Berater.<br />

Aus diesen Gesprächen ging ein einheitliches<br />

Thema hervor: verantwortungsbewusstes<br />

Handeln sowie der Respekt vor<br />

Mensch <strong>und</strong> Umwelt muss in die gesamte<br />

Organisation bzw. in das gesamte Geschäftsmodell<br />

integriert werden.<br />

Für Unternehmen stellt sich zunächst<br />

die Frage, wie <strong>und</strong> in welchen Bereichen<br />

sie den Prozess beginnen <strong>und</strong> wie sie<br />

diesen umsetzen sollen. Im UNGP Reporting<br />

Framework ist hierzu festgelegt,<br />

dass Unternehmen im ersten Schritt<br />

die Risiken in den Fokus rücken sollen,<br />

die durch die eigene Geschäftstätigkeit<br />

schwerwiegende negative Auswirkungen<br />

auf Mensch <strong>und</strong> Umwelt haben sowie<br />

deren Kontrolle. Ist eine Organisation<br />

beispielsweise in der Fertigungsindustrie<br />

74 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


tätig, dann ist der Mangel an einem existenzsichernden<br />

Lohn ein Schlüsselrisiko,<br />

das mit SDG 1 – „Keine Armut“ nicht<br />

in Einklang steht. Ein Unternehmen im<br />

produzierenden Gewerbe hingegen sieht<br />

sich dem Risiko von verschmutztem<br />

Wasser oder Wasserknappheit gegenüber,<br />

das mit der SDG 6 – „Sauberes Wasser<br />

<strong>und</strong> Hygiene“ – nicht übereinstimmt.<br />

Wenn sich Unternehmen mit den SDGs<br />

auseinandersetzen <strong>und</strong> diese umsetzen<br />

möchten, sollten sie tatsächliche Veränderungen<br />

erwirken <strong>und</strong> nicht nur ihr<br />

bisheriges Vorgehen neu beschreiben<br />

sowie ihr Reporting anpassen. Eine solche<br />

Praxis verfehlt die Ziele der SDGs.<br />

Die Auswirkungen der Regulierung<br />

Auch die staatliche Regulierung könnte<br />

künftig noch eine größere Rolle spielen.<br />

Der Gesetzgeber könnte beispielweise<br />

Unternehmen dazu verpflichten, nicht<br />

nur die Ergebnisse nachhaltigen Handelns<br />

darzulegen, sondern auch den Weg<br />

<strong>und</strong> die einzelnen Schritte dahin. Durchschnittlich<br />

80 Prozent des Marktwerts<br />

von Aktiengesellschaften bestehen aus<br />

immateriellen Vermögenswerten. Deshalb<br />

könnte es ein Weg sein, auch diese<br />

nichtfinanziellen Informationen analog<br />

zum Finanzbericht unabhängig <strong>und</strong><br />

pflichtgemäß prüfen zu lassen. Was die<br />

Wirksamkeit der Regulierung anbetrifft,<br />

so lässt sich erfahrungsbasiert feststellen,<br />

dass sich immer mehr Unternehmen mit<br />

ihren Schwachstellen auseinandersetzen<br />

<strong>und</strong> von Unternehmen wie Mazars bei<br />

der Entwicklung <strong>und</strong> Umsetzung ihrer<br />

CSR-Strategien unterstützen lassen.<br />

Dazu gehören Themen wie die Identifikation<br />

von tatsächlichen <strong>und</strong> potenziellen<br />

wesentlichen Auswirkungen auf Mensch<br />

<strong>und</strong> Umwelt; die Art <strong>und</strong> Weise, wie Risikobereiche<br />

identifiziert wurden <strong>und</strong> ob<br />

diese analysiert, bewertet <strong>und</strong> beobachtet<br />

werden. Unsere Beobachtung ist, dass<br />

sich CSR von einer reinen „Compliance-<br />

Übung“ hin zu einer Erwartung entwickelt,<br />

mit diesem Thema auch positive<br />

Effekte in Bezug auf das eigene Rating zu<br />

erzielen (z.B. Performance-Indikatoren<br />

<strong>und</strong> -Indizes). Dies ermöglicht es Unternehmen,<br />

die Effektivität ihrer Prozesse<br />

besser zu verstehen, diese zu steuern <strong>und</strong><br />

Kai Michael Beckmann ist Director bei<br />

der <strong>Wirtschaft</strong>sprüfungs- <strong>und</strong><br />

Steuerberatungsgesellschaft Mazars in<br />

Hamburg <strong>und</strong> leitet dort den Bereich CSR.<br />

ihre Leistung zu verfolgen, was ihnen<br />

das Vertrauen gibt, CSR in ihre breitere<br />

Geschäftsstrategie zu integrieren.<br />

SDGs zur Wertschöpfung nutzen<br />

Abschließend ist zu sagen, dass es mit<br />

zunehmender Regulierung <strong>und</strong> Sensibilisierung<br />

der Verbraucher, einer Fülle<br />

von freiwilligen Hinweisen <strong>und</strong> den<br />

SDGs es nur eine Richtung auch für die<br />

Unternehmen gibt. Je früher sie beginnen,<br />

Nachhaltigkeit ernster zu nehmen<br />

<strong>und</strong> sie in die eigene Kultur sowie das<br />

Geschäftsmodell zu integrieren, desto<br />

größer sind die Chancen auf eine längerfristige<br />

Rentabilität.<br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

75


GOOD PRACTICE<br />

Bei Merck<br />

stimmt die<br />

(grüne) Chemie<br />

Die UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) sind noch längst nicht<br />

erreicht, <strong>und</strong> bei ihrer Umsetzung stehen auch Unternehmen in<br />

der Verantwortung. Die Möglichkeiten sind vielfältig. Das<br />

Wissenschafts- <strong>und</strong> Technologieunternehmen Merck setzt mit<br />

dem Programm für „Grüne Chemie“ beim Umwelt- <strong>und</strong> Klimaschutz<br />

an <strong>und</strong> hilft damit gleichzeitig seinen K<strong>und</strong>en, ihren<br />

Beitrag zu den SDGs zu leisten.<br />

Von Jeffrey Whitford, Head of Corporate Responsibility and Branding for Life Science, Merck<br />

Merck hat sich zum Ziel gesetzt, nachhaltigere<br />

Produkte zu entwickeln, deren<br />

ökologischer Fußabdruck möglichst gering<br />

ist. Die Umwelt soll weniger belastet,<br />

Ressourcen geschont werden. Ein<br />

Eckpfeiler für die Realisierung dieser<br />

Nachhaltigkeitsstrategie ist unter anderem<br />

die Entwicklung <strong>und</strong> Produktion<br />

„grünerer“ Alternativen zu herkömmlichen<br />

Chemikalien im Unternehmensbereich<br />

Life Science.<br />

Veränderte K<strong>und</strong>enansprüche<br />

Damit arbeitet Merck intensiv an SDG<br />

12 (Nachhaltiger Konsum/nachhaltige<br />

Produktion) <strong>und</strong> kommt zugleich<br />

veränderten K<strong>und</strong>enansprüchen nach.<br />

Für die K<strong>und</strong>en wird es nämlich immer<br />

wichtiger, Produkte nutzen zu können,<br />

die nachhaltiger, weniger giftig <strong>und</strong><br />

ungefährlicher für Mensch <strong>und</strong> Umwelt<br />

sind. Gleichzeitig sollen die Produkte<br />

genauso wirksam sein <strong>und</strong> idealerweise<br />

gleichviel kosten. Durch diese neuen<br />

Ansprüche entwickelt sich nicht nur<br />

das Verständnis für chemische Zusammenhänge<br />

stetig weiter. Es entsteht auch<br />

Raum für Innovationen. Im Rahmen der<br />

„Grünen Chemie“ setzt Merck diese Strategie<br />

in der Produktentwicklung <strong>und</strong> der<br />

Produktion um <strong>und</strong> hat dabei auch die<br />

konkrete Nutzung der Produkte im Blick.<br />

Vernetzte Produktentwicklung<br />

Die Experten des Darmstädter Unternehmens<br />

stehen hierbei schon während<br />

der Entwicklungsphase von neuen Produkten<br />

in ständigem Kontakt mit den<br />

K<strong>und</strong>en. Da diese aus den unterschiedlichsten<br />

Bereichen, wie der pharmazeutischen<br />

oder chemischen Forschung<br />

stammen, haben sie auch individuelle<br />

Ziele <strong>und</strong> Bedürfnisse. Dank des globalen<br />

Netzwerks von Wissenschaftlern<br />

mit langjähriger Erfahrung im Bereich<br />

der Grünen Chemie kann Merck diese<br />

Ansprüche erfüllen.<br />

Ein aktuelles Beispiel ist die Arbeit an<br />

einer Innovation für die Textilindustrie.<br />

Das neue Produkt soll dazu beitragen,<br />

die Nutzung einer problematischen Chemikalie,<br />

die bisher zur Behandlung von<br />

Stoffen <strong>und</strong> Textilien verwendet wird,<br />

künftig zu vermeiden. Außerdem reduziert<br />

sich dadurch das entstehende<br />

Abwasser <strong>und</strong> der Anwendungsprozess<br />

wird sicherer. Die umweltfre<strong>und</strong>lichere<br />

Alternative ist dabei genauso leistungsstark<br />

wie das vorherige Produkt. Bei der<br />

Entwicklung von diesen Alternativen<br />

wenden die Wissenschaftler von Merck<br />

die Prinzipen der Grünen Chemie von<br />

Paul T. Anastas <strong>und</strong> John C. Warner an.<br />

Nachhaltige Produktion dank Re-<br />

Engineering<br />

Mit seinem Re-Engineering-Programm<br />

überprüft das Unternehmen außerdem,<br />

wie nachhaltig der Herstellungsprozess<br />

76 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


von Chemikalien ist. Die Mitarbeiter<br />

untersuchen die Funktionsweisen von<br />

chemischen Reaktionen <strong>und</strong> versuchen<br />

das gleiche Ergebnis auf effizientere<br />

Weise zu erreichen. So zum Beispiel<br />

bei der Herstellung von Beta-Amylase.<br />

Merck gewinnt dieses Enzym aus Süßkartoffeln.<br />

Bei dem ursprünglichen Herstellungsprozess<br />

wurden große Mengen<br />

an Rohmaterialien, Lösungsmitteln <strong>und</strong><br />

Energie benötigt.<br />

Zwei findige Wissenschaftler suchten<br />

daher nach einer anderen Herangehensweise.<br />

Daraus entstand schließlich<br />

ein neuer <strong>und</strong> nachhaltigerer Ansatz<br />

zur Produktion von Beta-Amylase: Lösungsmittel<br />

werden gar nicht mehr<br />

benötigt, der ganze Prozess findet nun<br />

auf Wasserbasis statt. Das Produkt ist<br />

zudem um 15 Prozent reiner als die<br />

vorherige Version.<br />

Wie kann man Grüne Chemie<br />

bewerten?<br />

Um zu prüfen, wie nachhaltig die grüneren<br />

Produkte wirklich sind, entwickelte<br />

Merck das Analyse-Tool DOZN: „Bei<br />

der Bewertung der allgemeinen Nachhaltigkeit<br />

biobasierter Produkte ist es<br />

wichtig, konkurrierende Ressourcen <strong>und</strong><br />

die Effizienz des Herstellungsprozesses<br />

zu berücksichtigen“, sagt Dr. Jane Murray,<br />

Head of Green Chemistry for Life Science<br />

bei Merck. Anhand der zwölf Prinzipien<br />

der Grünen Chemie bewertet das<br />

Online-Tool, wie Produkte in den Hauptkategorien<br />

„verbesserte Ressourcennutzung“,<br />

„effizienter Energieeinsatz“ <strong>und</strong><br />

„minimierte Gefahren für Mensch <strong>und</strong><br />

Umwelt“ abschneiden. Für jedes einzelne<br />

der zwölf Prinzipien der Grünen Chemie<br />

berechnet DOZN einen Ergebniswert.<br />

Zusammengenommen ergeben diese<br />

einzelnen Werte dann einen konsolidierten<br />

„grünen“ Gesamtwert. In die<br />

Evaluation fließt eine Vielzahl an Daten<br />

ein, unter anderem aus dem global harmonisierten<br />

System zur Einstufung <strong>und</strong><br />

Kennzeichnung von Chemikalien (GHS).<br />

So lassen sich die Produkte einfacher<br />

vergleichen. 2017 wurde das von einem<br />

unabhängigen Beratungsunternehmen<br />

validierte Tool veröffentlicht. Außerdem<br />

ist DOZN 2.0 in Arbeit, das den K<strong>und</strong>en<br />

ermöglichen wird, auch ihre eigenen<br />

Prozesse zu bewerten <strong>und</strong> ihnen helfen<br />

soll, den ökologischen Einfluss ihrer<br />

Entwicklungen besser zu verstehen.<br />

Grüne Lösung Cyrene<br />

Merck hat in seinem Life-Science-Geschäft<br />

ein Produktportfolio von über<br />

300.000 Produkten. Weil die K<strong>und</strong>en sich<br />

zunehmend nachhaltigere Alternativen<br />

für die bereits vorhandenen Stoffe wünschen,<br />

arbeitet das Unternehmen stetig<br />

an der Entwicklung neuer Substanzen.<br />

Mittlerweile gibt es über 750 solcher<br />

grüner Alternativen, wie beispielsweise<br />

das Lösungsmittel „Cyrene“. 2017<br />

erhielt es die Auszeichnung „European<br />

Bio-Based Chemical Innovation oft the<br />

Year“. Cyrene basiert auf Abfallzellulose<br />

<strong>und</strong> wird in nur zwei Schritten hergestellt.<br />

Der Herstellungsprozess ist nahezu<br />

energieneutral <strong>und</strong> spart Wasser. Dieses<br />

umweltverträgliche Lösungsmittel ist<br />

damit eine nachhaltigere Alternative<br />

zu Substanzen wie Dimethylformamid<br />

(DMF), das als reproduktionstoxisch eingestuft<br />

ist. Dr. Murray erklärt: „Produkte<br />

wie Cyrene basieren auf natürlichen<br />

Ressourcen. Sie sind umweltverträglicher,<br />

leichter biologisch abbaubar <strong>und</strong><br />

einfacher zu recyceln.“<br />

Grüne Chemie für den<br />

wissenschaftlichen Nachwuchs<br />

Will man solche umweltfre<strong>und</strong>lichen<br />

Alternativen weiter voranbringen, muss<br />

man bereits im wissenschaftlichen Diskurs<br />

ansetzen. Im Sinne einer ganzheitlichen<br />

nachhaltigen Entwicklung<br />

engagiert sich Merck dafür, dass die<br />

Prinzipien der Grünen Chemie stärker<br />

in die Lehrpläne von Studierenden integriert<br />

werden. Gemeinsam mit den<br />

Non-Profit-Organisationen „Beyond<br />

Benign“ <strong>und</strong> „My Green Lab“ hat das<br />

Unternehmen einen Leitfaden für Experimente<br />

in organischen Chemielaboren<br />

entwickelt. Dieser beschreibt, welche<br />

Alternativen man in zehn klassischen<br />

Versuchen der organischen Chemie nutzen<br />

kann. Das Ziel: Gefährliche Stoffe<br />

<strong>und</strong> auch Abfall sollen in Laborkursen<br />

reduziert werden.<br />

Der <strong>2018</strong> herausgekommene Leitfaden<br />

enthält außerdem didaktische Materialien,<br />

die die Lehrkräfte individuell auf<br />

ihre Bedürfnisse anpassen können. In<br />

den ersten sechs Monaten seit Veröffentlichung<br />

wurde er schon über 400 Mal<br />

über eine Website abgerufen.<br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

77


GOOD PRACTICE<br />

Kleine Ideen, große Effekte<br />

Symrise <strong>und</strong> die nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen<br />

Von Christina Witter, Press and Media Relations,<br />

<strong>und</strong> Friedrich-Wilhelm Micus, Sustainability Communications, Symrise<br />

Als weltweit tätiges Unternehmen sieht<br />

sich Symrise in der Verantwortung, aktiv<br />

zu den nachhaltigen Entwicklungszielen,<br />

den Sustainable Development Goals<br />

(SDGs), der Vereinten Nationen beizutragen.<br />

Um für sich die potenziellen<br />

Handlungsfelder innerhalb der SDGs<br />

zu definieren <strong>und</strong> die Einflussmöglichkeiten<br />

zu bewerten,<br />

führte das Unternehmen<br />

zahlreiche<br />

Wesentlichkeitsanalysen durch. Danach<br />

wurden die Themen gewichtet <strong>und</strong> den<br />

jeweiligen SDGs zugeordnet. Die folgende<br />

Grafik visualisiert, zu welchen Zielen<br />

Symrise mit verantwortungsvoller Geschäftspraxis<br />

schwerpunktmäßig einen<br />

Beitrag leisten kann.<br />

Klimaziele vorzeitig erreicht<br />

Symrise nimmt seine Verantwortung<br />

ernst <strong>und</strong> erfüllt mit seinem nachhaltigen<br />

<strong>und</strong> zugleich wirtschaftlichen<br />

Handeln die Erwartungen von K<strong>und</strong>en<br />

<strong>und</strong> Verbrauchern. Zahlreiche Auszeichnungen,<br />

Audits <strong>und</strong> Zertifikate belegen<br />

das ebenso wie die integrierte Nachhaltigkeitsstrategie<br />

des Konzerns. Sie baut<br />

auf vier Säulen <strong>und</strong> diese tragen maßgeblich<br />

zur Zielerreichung der SDGs bei.<br />

So will Symrise seinen CO 2<br />

-Fußabdruck<br />

nachhaltig reduzieren, seine Innovationskraft<br />

steigern, die nachhaltige<br />

Rohstoff beschaffung<br />

sicherstellen <strong>und</strong> der Verantwortung<br />

gegenüber allen<br />

Stakeholdern entlang<br />

der Wertschöpfungskette<br />

gerecht werden.<br />

Das Engagement<br />

von Symrise lässt<br />

sich an vielen weiteren<br />

Stellen belegen.<br />

So wurde die<br />

Klimastrategie als<br />

erstes Unternehmen<br />

der Branche<br />

(<strong>und</strong> als weltweit<br />

61. Unternehmen)<br />

von der „Science<br />

Based Targets Initiative“<br />

genehmigt. Ziel<br />

der Vereinigung ist es,<br />

den Klimaschutz voranzutreiben<br />

<strong>und</strong> gleichzeitig<br />

besser bewertbar zu<br />

machen. Die ehrgeizigen<br />

Klimaziele für das Jahr 2020<br />

hat Symrise bereits 2016 erreicht.<br />

Das Carbon Disclosure Project (CDP)<br />

bescheinigte, dass das Unternehmen<br />

in den Kategorien Klima, Wasser <strong>und</strong><br />

Wald auf weltweit führendem Niveau<br />

78 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


agiert. Das Unternehmen zählt zu den<br />

Top 25 in der Welt, wenn es darum geht,<br />

Treibhausgas-Emissionen zu reduzieren,<br />

verantwortungsvoll mit der Ressource<br />

Wasser umzugehen <strong>und</strong> den Schutz des<br />

Waldes in den eigenen Produktionsstätten<br />

<strong>und</strong> entlang der Lieferketten voranzutreiben.<br />

Zudem bewertete der britische<br />

Nachhaltigkeitsindex FTSE4Good Symrise<br />

erneut gut <strong>und</strong> die DQS CFS GmbH, die<br />

Deutsche Gesellschaft für Nachhaltigkeit,<br />

zertifizierte den Konzern wiederholt als<br />

„grünes Unternehmen“.<br />

Hinter diesen Siegeln <strong>und</strong> Zertifikaten<br />

stecken viele große <strong>und</strong> kleine Initiativen<br />

r<strong>und</strong> um den Globus. Im Folgenden zeigen<br />

drei Beispiele aus der Symrise Welt,<br />

wie diese zum großen Ganzen beitragen.<br />

Nachhaltige Menthol-Frische<br />

Synthetisch produziertes Menthol zählt<br />

zu den Hauptprodukten von Symrise.<br />

R<strong>und</strong> 500 K<strong>und</strong>en beziehen den Rohstoff<br />

<strong>und</strong> setzen das biologisch abbaubare<br />

Material in Zahnpasta <strong>und</strong> M<strong>und</strong>wasser,<br />

in Pharmaprodukten oder in sprühgetrockneter<br />

Form in Süßigkeiten oder<br />

Kaugummis ein. Gewonnen wird es in<br />

einem komplexen Prozess. Der naturidentische<br />

Aromastoff bietet, verglichen mit<br />

natürlichem Menthol, viele Vorteile: Er<br />

ist reiner, Angebot <strong>und</strong> Preise schwanken<br />

weniger, die Produktion ist unabhängiger<br />

von Ernten oder Klimaeinflüssen. Und<br />

er ist nachhaltiger: Um den Weltbedarf<br />

mit Menthol aus Minzpflanzen zu decken,<br />

wäre der Flächenbedarf immens.<br />

Außerdem müssten riesige Mengen an<br />

Dünger, Wasser <strong>und</strong> Energie eingesetzt<br />

werden, um die Pflanzen aufzuziehen<br />

<strong>und</strong> zu verarbeiten.<br />

Um das synthetische Menthol noch nachhaltiger<br />

produzieren zu können, hat<br />

Symrise in den vergangenen Jahren die<br />

Produktion in Holzminden modernisiert<br />

<strong>und</strong> ausgebaut. Ein Erweiterungs- <strong>und</strong><br />

Modernisierungsprojekt läuft auch in<br />

den USA. Es bringt die Verfahrensschritte<br />

auf den neuesten Stand <strong>und</strong> macht die<br />

Prozesse deutlich effizienter. Gleichzeitig<br />

spart Symrise mit der neuen Anlage dank<br />

geschlossener Mentholkreisläufe Energie.<br />

Und umweltfre<strong>und</strong>licher ist die neue<br />

Technologie auch in anderer Hinsicht:<br />

Die Herstellung erfolgt abwasserfrei <strong>und</strong><br />

eine Wärmerückgewinnungstechnik wird<br />

eingesetzt, um bei minimalem Energiebedarf<br />

Kälte für die Produktion zu erzeugen.<br />

Strom aus eigener Kraft<br />

Mit einer Millioneninvestition wird Symrise<br />

den CO 2<br />

-Ausstoß im Stammwerk<br />

Holzminden um r<strong>und</strong> 31.000 Tonnen<br />

jährlich reduzieren. Der erste Schritt mit<br />

dem Bau des hocheffizienten Kraftwerks<br />

auf Basis der Kraftwärmekopplung wurde<br />

mit der Inbetriebnahme im November<br />

2016 vollzogen, wo schweres Heizöl<br />

durch den emissionsärmeren Brennstoff<br />

Erdgas ersetzt wurde. Im Jahr 2019 installiert<br />

Symrise einen weiteren Kessel, der<br />

Energie aus Reststoffen erzeugt, die bei<br />

der Produktion anfallen. Heizöl soll in<br />

Zukunft nur noch verbrannt werden, um<br />

Spitzen abzufedern. Außerdem erweitert<br />

das Unternehmen die bestehende Abfallkonditionierungsanlage<br />

um zusätzliche<br />

Lagerkapazität, wo die Abfälle gesammelt<br />

werden. Der Gr<strong>und</strong>: Im Sommer<br />

laufen die Kessel deutlich weniger, weil<br />

weniger Energie für Dampferzeugung<br />

benötigt wird. Ein Nebeneffekt: Mit dem<br />

Sammeln der Reststoffe fallen auch weniger<br />

Transporte <strong>und</strong> damit weniger<br />

CO 2<br />

-Emissionen an.<br />

Damit das System perfekt <strong>und</strong> möglichst<br />

nachhaltig läuft, kümmert sich ein Team<br />

Tag <strong>und</strong> Nacht um die Anlage, die r<strong>und</strong><br />

um die Uhr für Energie sorgt. Das Kraftwerk<br />

produziert pro Jahr etwa 40 Mio.<br />

Kilowattst<strong>und</strong>en Strom, aus der Abwärme<br />

entstehen 80.000 Tonnen Dampf. Dafür<br />

müssen Druckluft, Stickstoff <strong>und</strong> Kälte<br />

zur Verfügung stehen <strong>und</strong> die Ab- <strong>und</strong><br />

Zuluft geregelt werden.<br />

Wasser-Stopp<br />

Aromen werden oft sprühgetrocknet,<br />

damit K<strong>und</strong>en sie möglichst einfach verarbeiten<br />

können. Die Produkte behalten<br />

auf diese Weise gleichzeitig länger ihren<br />

Geschmack oder geben diesen erst nach<br />

einiger Zeit frei. Dazu werden in mehr<br />

als zehn Symrise Standorten die flüssigen<br />

Aromenkompositionen zusammen<br />

mit Trägerstoffen in Wasser emulgiert<br />

<strong>und</strong> unter hohem Druck durch Düsen in<br />

die Sprühtrocknungskammer gebracht,<br />

wo sie unter großer Hitze in kurzer<br />

Zeit zu kleinsten Kügelchen verkapselt<br />

werden.<br />

Die Technologie wendet das Unternehmen<br />

seit Jahrzehnten an. In Singapur<br />

testet Symrise derzeit geringere Wassermengen<br />

für das Verfahren. Das Prinzip<br />

ist ganz einfach: Je weniger Wasser bei<br />

der Trocknung im Produkt vorhanden<br />

ist, umso weniger Wärme muss bei der<br />

Verarbeitung eingesetzt werden, um das<br />

Wasser zu verdampfen.<br />

Die verfahrenstechnische Optimierung<br />

stammt aus einem Projekt in Holzminden.<br />

Ursprünglich bestanden die Aromenlösungen<br />

aus 60 Prozent Wasser.<br />

Über mehrere Versuche haben die Experten<br />

für viele Rezepturen das Wasser in<br />

der Mischung schon um 5 bis 10 Prozent<br />

reduziert, das so bei der Sprühtrocknung<br />

nicht mehr verdampfen muss.<br />

Bei mehreren H<strong>und</strong>ert Produkten hat<br />

das Prinzip funktioniert. Symrise spart<br />

Wasser, Strom <strong>und</strong> Dampf – <strong>und</strong> die<br />

Herstellungszeit verringert sich. Eine<br />

weitere nachhaltige Änderung sorgt<br />

ebenfalls für mehr Effizienz. Mit einer<br />

Wärmerückgewinnung wird das Kondensat,<br />

das beider Sprühtrocknung anfällt,<br />

genutzt, um bei anderen Prozessen als<br />

Wärmequelle zu dienen: Effizienzsteigerung<br />

auf allen Ebenen.<br />

Fazit<br />

Symrise ist sich bewusst, dass es als Unternehmen<br />

Verantwortung trägt: für die<br />

profitable Verwendung des anvertrauten<br />

Kapitals, für die effiziente Nutzung<br />

<strong>und</strong> zugleich Bewahrung natürlicher<br />

Ressourcen, für das Wohlergehen seiner<br />

Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter<br />

sowie für gesellschaftliche Belange. Mit<br />

anderen Worten: Verantwortliches <strong>Wirtschaft</strong>en<br />

<strong>und</strong> geschäftlicher Erfolg gehen<br />

für Symrise Hand in Hand.<br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

79


GOOD PRACTICE<br />

Kollegin Roboter: Sichere<br />

Interaktion von Mensch <strong>und</strong><br />

Maschine im Arbeitsalltag<br />

Sie bewegen sich schnell, präzise, fast geräuschlos in der Halle. Mehrere große, metallene<br />

Arme, die in immer gleichem Tempo die immer gleiche Bewegung ausführen. Was futuristisch<br />

anmutet, ist in immer mehr Fabriken Realität: der Einsatz von Robotern im Fertigungsprozess.<br />

Vor allem in <strong>Deutschland</strong>, das im weltweiten Vergleich auf Platz drei beim Einsatz der automatisierten<br />

Helfer liegt. Neben sozialen Fragen spielen auch Sicherheitsfragen in der Interaktion von<br />

Mensch <strong>und</strong> Maschine eine bedeutende Rolle. Durch entsprechende Gefährdungsbeurteilungen<br />

begleitet TÜV Rheinland seine K<strong>und</strong>en in eine arbeitsunfallfreie Zukunft.<br />

Von Susanne Dunschen <strong>und</strong> Jörg Meyer zu<br />

Altenschildesche, TÜV Rheinland<br />

Ob bei der Montage von schweren Autoteilen<br />

oder dem Sortieren schwerer Pakete:<br />

Roboter unterstützen Arbeitnehmer<br />

immer öfter bei kraftintensiven Tätigkeiten<br />

im Betrieb. Bei der Automatisierung<br />

der Produktion gehört <strong>Deutschland</strong> zu<br />

den führenden Nationen: Nach Angaben<br />

der International Federation of Robotics<br />

waren im Jahr 2016 hierzulande 309<br />

Roboter pro 10.000 Industriebeschäftigten<br />

im Einsatz. Damit liegt <strong>Deutschland</strong><br />

weltweit auf Platz drei nach Korea <strong>und</strong><br />

Singapur. Wie Mensch <strong>und</strong> Maschine<br />

zusammenarbeiten, hat sich in den vergangenen<br />

Jahren deutlich verändert:<br />

Immer öfter sind Mensch <strong>und</strong> Roboter bei<br />

modernen Fertigungsabläufen Hand in<br />

Hand tätig. Die Industrie verspricht sich<br />

dadurch Effizienz- <strong>und</strong> Produktionssteigerungen,<br />

während unter Angestellten<br />

von Industrieunternehmen die Sorge<br />

lauter wird, wie – <strong>und</strong> ob – sich ihre<br />

Arbeitsplätze in der Zukunft gestalten<br />

werden.<br />

In einem nachhaltigen Zusammenspiel<br />

von Mensch <strong>und</strong> Maschine ersetzt die Maschine<br />

den Menschen nicht als Arbeitskraft,<br />

sondern unterstützt ihn sinnvoll,<br />

beispielsweise durch die Übernahme<br />

von körperlich besonders schweren oder<br />

gefährlichen Aufgaben. So bleibt dem<br />

Menschen mehr Zeit <strong>und</strong> Kraft für sei-<br />

80 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


ne wesentliche Arbeit. Aber nicht nur<br />

Fragen der Arbeitszeitgestaltung spielen<br />

eine wichtige Rolle, auch die Frage nach<br />

der Arbeitsplatzgestaltung ist essentiell<br />

in der Diskussion über die Arbeit der<br />

Zukunft: Wie muss die Interaktion zwischen<br />

Mensch <strong>und</strong> Maschine aussehen,<br />

damit zu jeder Zeit ein für den Menschen<br />

sicheres <strong>und</strong> entlastendes Arbeitsumfeld<br />

gewährleistet ist? Diese Frage greift TÜV<br />

Rheinland auf <strong>und</strong> bietet Gefährdungsbeurteilungen<br />

bei der Zusammenarbeit<br />

mit Robotern an.<br />

Neue Sicherheitsfragen durch<br />

die Arbeit mit kollaborierenden<br />

Robotern<br />

Bei roboterunterstützen Fertigungsprozessen<br />

agiert der Mensch unmittelbar mit<br />

der Maschine, ohne räumliche Trennung<br />

durch einen Schutzzaun oder andere<br />

Sicherheitsbarrieren. „Kollaborierende<br />

Roboter sind nicht durch Schutzgitter<br />

vom Menschen getrennt. Daher müssen<br />

andere Schutzmaßnahmen für die<br />

Sicherheit der Beschäftigten sorgen. Der<br />

erste Schritt dabei ist die genaue Analyse<br />

der Aufgaben, die der Roboter übernehmen<br />

soll <strong>und</strong> wie er mit dem Menschen<br />

zusammenarbeitet. Auf dieser Gr<strong>und</strong>lage<br />

erstellen wir eine entsprechende Gefährdungsbeurteilung<br />

für den jeweiligen<br />

Arbeitsplatz“, betont Andreas Kaulen, der<br />

als Experte für Arbeitssicherheit bei TÜV<br />

Rheinland Unternehmen verschiedener<br />

Branchen berät.<br />

Mensch <strong>und</strong> Maschine ergänzen sich<br />

Aus der engen Interaktion zwischen<br />

Mensch <strong>und</strong> Maschine ergeben sich deutliche<br />

Vorteile: Mit ihrem konstanten<br />

Leistungsvermögen, beispielsweise, wenn<br />

Werkstücke bei Klebevorgängen zusammengedrückt<br />

werden müssen, <strong>und</strong> ihrer<br />

Kraft beim Heben <strong>und</strong> Halten von Teilen<br />

entlasten Roboter die Beschäftigten effektiv.<br />

Darüber hinaus übernehmen sie<br />

monotone Tätigkeiten, die immer genau<br />

gleich ausgeführt werden müssen. Die<br />

Beschäftigten können sich somit auf die<br />

Arbeiten konzentrieren, bei denen der<br />

Mensch den Maschinen überlegen ist:<br />

Aufgaben, die feinmotorische Fingerfertigkeit<br />

erfordern, oder solche, bei denen<br />

Flexibilität <strong>und</strong> Urteilsvermögen erforderlich<br />

sind. Oftmals tragen Pilotprojekte<br />

in einzelnen Abteilungen maßgeblich<br />

dazu bei, die Akzeptanz der Roboter bei<br />

den Beschäftigten zu verbessern.<br />

Körperliche Belastungen lassen sich allerdings<br />

auch durch den Einsatz von<br />

Robotern nicht gänzlich vermeiden. Intelligente<br />

Unterstützung bei Arbeiten,<br />

die beispielsweise in ungünstiger oder<br />

belastender Körperhaltung durchgeführt<br />

werden müssen, trägt dann zur Sicherheit<br />

<strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit der Mitarbeiter bei.<br />

Dazu kommen neben den assistierenden<br />

Robotern auch sogenannte Exoskelette<br />

zum Einsatz. Oftmals übernehmen<br />

Roboter <strong>und</strong> Drohnen ferner Arbeiten,<br />

bei denen Menschen ges<strong>und</strong>heitlichen<br />

Risiken durch Gefahrstoffe ausgesetzt<br />

wären. „Aus Sicht der Arbeitssicherheit<br />

ist der Einsatz moderner Technologien<br />

bei Tätigkeiten wie der Tankreinigung<br />

oder der Wartung von Kanalschächten<br />

ein großer Vorteil: Die Mitarbeiter können<br />

die technischen Helfer fernsteuern<br />

<strong>und</strong> die Arbeiten ausführen, ohne sich<br />

selbst in Gefahr zu begeben“, so Kaulen.<br />

Intelligente Sicherheitstechnik<br />

Möglich wird die direkte Zusammenarbeit<br />

mit Robotern durch den Einsatz<br />

intelligenter Sicherheitsvorkehrungen.<br />

Sensoren <strong>und</strong> Kameras sorgen dafür, dass<br />

die Maschinen Menschen in ihrem Umfeld<br />

wahrnehmen. Die Bewegungsgeschwindigkeit<br />

der Roboter <strong>und</strong> die eingesetzte<br />

Kraft werden dann der Arbeitssituation<br />

angepasst. Kommt es zur Lösung einer Arbeitsaufgabe,<br />

beispielsweise zum Kontakt<br />

zwischen Mensch <strong>und</strong> Maschine, wird<br />

die Kraft des Roboters so weit reduziert,<br />

dass die Arbeitnehmer nicht zu Schaden<br />

kommen können. „Neben diesen technischen<br />

Sicherheitsvorkehrungen sind<br />

Unterweisungen der Mitarbeiter zum<br />

Umgang mit kollaborierenden Robotern<br />

wichtig. Oftmals sind es einfache Dinge,<br />

wie das Freihalten von Fahrwegen, die<br />

maßgeblich dazu beitragen, dass die Zusammenarbeit<br />

reibungslos funktioniert“,<br />

so Kaulen.<br />

Eine weitere wichtige Voraussetzung für<br />

sicheres Arbeiten mit einem Roboter ist<br />

die Umgebung des Arbeitsplatzes. Gute<br />

Beleuchtung <strong>und</strong> ein geringer Lärmpegel<br />

beispielsweise gewährleisten, dass der Mitarbeiter<br />

die Maschine optimal wahrnimmt<br />

<strong>und</strong> auf sie reagieren kann. Auch sollte<br />

der Arbeitsbereich nur für eine geringe<br />

Anzahl an Personen zugelassen sein, um<br />

Ablenkungen zu vermeiden. Auch solche<br />

gr<strong>und</strong>legenden Festlegungen tragen dazu<br />

bei, die Vorteile der modernen Technologien<br />

sicher <strong>und</strong> effizient zu nutzen.<br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

81


GOOD PRACTICE<br />

Das neue Arbeiten in<br />

nachhaltigen Gebäuden<br />

Als Familienunternehmen ist sich Weidmüller seiner Verantwortung gegenüber der Umwelt<br />

<strong>und</strong> den nachfolgenden Generationen bewusst. Neben der Hebung von Einsparpotentialen in<br />

den eigenen Produktionsprozessen wird dies vor allem bei der Infrastruktur der Gebäude <strong>und</strong><br />

Querschnittstechnologien sichtbar. Hier setzt das Familienunternehmen aus Detmold<br />

konsequent auf Nachhaltigkeit – sichtbar wird dies bei dem Bau <strong>und</strong> der Einrichtung des<br />

neuen K<strong>und</strong>en- <strong>und</strong> Technologiecenters. Denn Energieeffizienz beginnt weit vor der Steckdose.<br />

Von Carsten Nagel, Manager External<br />

Communication, Weidmüller Gruppe<br />

Energie- <strong>und</strong> Ressourceneffizienz sind bei<br />

Weidmüller nicht dem aktuellen Zeitgeist<br />

geschuldet, sondern seit vier Jahrzehnten<br />

gelebte Praxis: „Die große Verpflichtung<br />

<strong>und</strong> Verantwortung gegenüber den zukünftigen<br />

Generationen ist groß“, so<br />

Helene Derksen-Riesen, Leiterin des internationalen<br />

Gebäudemanagements bei<br />

Weidmüller. „Deswegen legen wir schon<br />

jetzt den Gr<strong>und</strong>stein für eine nachhaltige<br />

Zukunft. Sowohl in unserem unternehmerischen<br />

Handeln als auch bei der Planung<br />

<strong>und</strong> Umsetzung neuer Gebäude.“ Beim<br />

Bau des neuen K<strong>und</strong>en- <strong>und</strong> Technologiecenters<br />

in Detmold stand daher von<br />

Anfang an die Aspekte Energieeffizienz<br />

<strong>und</strong> nachhaltige Energiegewinnung im<br />

Fokus. Nach ungefähr zwei Jahren Bauzeit<br />

wird das neue Gebäude Anfang 2019 fertiggestellt<br />

<strong>und</strong> eröffnet. Auf etwa 11.500<br />

Quadratmetern Nutzfläche arbeiten zukünftig<br />

ungefähr 450 Mitarbeiterinnen<br />

<strong>und</strong> Mitarbeiter. Investitionen in ein<br />

Geothermiefeld, in eine Photovoltaikanlage<br />

auf dem Dach sowie in innovative<br />

Technik zum Einsparen von Energie im<br />

Inneren des Gebäudes verdeutlichen den<br />

hohen Stellenwert von Nachhaltigkeit<br />

<strong>und</strong> Energieeffizienz bei der Errichtung.<br />

„Mit mehr als 200 Bohrungen <strong>und</strong> knapp<br />

9.000 Bohrmetern ist das Feld aktuell eines<br />

der größten in <strong>Deutschland</strong>“, berichtet<br />

Derksen-Riesen. Die Geothermie zählt<br />

zu den regenativen Energien. Hierbei<br />

wird die in der Erdkruste gespeicherte<br />

Energie genutzt. Da das Gebäude mit<br />

Geothermie geheizt <strong>und</strong> auch überwiegend<br />

gekühlt wird, ist die Energiebilanz<br />

ausgeglichen. Das heißt, es wird so viel<br />

Energie eingebracht, wie entnommen.<br />

Eine Investition, die sehr nachhaltig ist,<br />

sich aber langfristig auszahlt.<br />

82 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


Nachhaltiges Energiekonzept <strong>und</strong><br />

angenehme Arbeitsatmosphäre<br />

durch moderne Technik<br />

Das Geothermiefeld ist im Sinne eines<br />

ganzheitlichen Konzepts mit der Temperaturregelung<br />

über eine Heizkühldecke<br />

im Gebäudeinneren verb<strong>und</strong>en. 100<br />

Prozent der Wärme <strong>und</strong> 70 Prozent der<br />

Kälte, die über die Heizkühldecke in<br />

das Gebäude eingespeist werden, werden<br />

über das Geothermiefeld erzeugt.<br />

Und auch die Heizkühldecke selbst ist<br />

auf Energieeffizienz ausgerichtet. Im<br />

Gegensatz zu klassischen Heizsystemen,<br />

die durch eine hohe Vorlauftemperatur<br />

oft Verluste verzeichnen, erweist sich die<br />

im gesamten Gebäude verbaute Decke<br />

als äußerst energieeffizient. Zusätzlich<br />

ist es möglich jede Zone individuell anzusteuern,<br />

wodurch sich maßgebliche<br />

Energieeinsparungen ergeben. „Neben<br />

den Energieeinsparungen entsteht durch<br />

die Heizkühldecke kaum Zugluft, wodurch<br />

sich für unsere Mitarbeiterinnen<br />

<strong>und</strong> Mitarbeiter ein ganz neuer Wohlfühlfaktor<br />

ergibt“, erläutert Derksen-<br />

Riesen. Auch die Beleuchtung trägt zu<br />

einer angenehmen Arbeitsatmosphäre<br />

bei. Durch den hohen Glasanteil des Gebäudes<br />

können die Mitarbeiterinnen <strong>und</strong><br />

Mitarbeiter während ihrer Arbeitszeit das<br />

Tageslicht genießen. Sollte es allerdings<br />

doch zu dunkel werden, ist das Gebäude<br />

mit LED-Beleuchtung ausgestattet, die<br />

mit einem Präsenzmelder verb<strong>und</strong>en<br />

ist. So wird sichergestellt, dass nur dort<br />

Licht brennt, wo Personen anwesend<br />

sind. Zusätzlich sind Helligkeitssensoren<br />

verbaut – wird es zu hell, schließen<br />

sich die Jalousien automatisch, wird es<br />

dunkler, öffnen sie sich wieder. Auch<br />

starken Wind erfassen die Sensoren an<br />

der Außenseite des Gebäudes <strong>und</strong> regeln<br />

die Jalousien entsprechend.<br />

Innovatives Besprechungsraumkonzept<br />

<strong>und</strong> Break-Out-Zonen<br />

im Fokus<br />

Doch nicht nur bei der Planung des<br />

Gebäudes wurde der Fokus auf Nachhaltigkeit<br />

gelegt. Unter dem Stichpunkt<br />

New Work wurden die gesamten Bürosowie<br />

Besprechungsräume geplant. Der<br />

Verzicht auf Einzelbüros <strong>und</strong> die Auslegung<br />

der Teambüros nach einem Multi-<br />

Space-Konzept soll die Zusammenarbeit<br />

innerhalb der Abteilung fördern.<br />

Eine kurze Auszeit können sich die<br />

Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter in<br />

den Break-Out-Zonen gönnen, die mit<br />

Sesseln <strong>und</strong> Sofas sowie Zeitschriften<br />

<strong>und</strong> Playstations ausgestattet sind. „Hier<br />

können sich unsere Mitarbeiterinnen<br />

<strong>und</strong> Mitarbeiter zurückziehen <strong>und</strong> den<br />

Kopf freibekommen, um im Anschluss<br />

effizient weiterarbeiten zu können“, so<br />

Derksen-Riesen. Ein weiterer Entspannungsort<br />

ist auch die Terrasse, die sich<br />

vor der Kantine erstreckt <strong>und</strong> einen Blick<br />

auf freie Felder ermöglicht.<br />

Auch die Besprechungsräume wurden<br />

so konzipiert, dass sie sich der neuen<br />

Arbeitsweise anpassen. Gemeinsam mit<br />

den Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeitern<br />

aus den entsprechenden Abteilungen<br />

wurden diese auf deren Bedürfnisse<br />

zugeschnitten. So entstanden sechs verschiedene<br />

Besprechungsraumkonzepte,<br />

die an verschiedenen Stellen im Gebäude<br />

zu finden sind. Hinzu kommen noch die<br />

zentralen Besprechungsräume, auf die<br />

die Abteilungen keinen Einfluss hatten.<br />

Jeder Besprechungsraum ist mit CO 2<br />

-Fühlern<br />

ausgestattet, die die Frischluftzufuhr<br />

steuern <strong>und</strong> so dafür sorgen, dass jede<br />

Mitarbeiterin <strong>und</strong> jeder Mitarbeiter mit<br />

einem klaren Kopf an Besprechungen<br />

teilnehmen kann.<br />

Hinzu kommen schallabsorbierende<br />

Materialien, die im gesamten Gebäude<br />

verbaut sind. Sie bieten eine optimale<br />

Geräuschkulisse <strong>und</strong> ermöglichen den<br />

Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeitern, konzentriert<br />

an Projekten zu arbeiten.<br />

E-Mobilität mitgedacht<br />

Auch für die Besucher wird ein nachhaltiges<br />

Erlebnis in dem neuen K<strong>und</strong>en-<br />

<strong>und</strong> Technologiecenter geboten.<br />

Im Eingangsbereich werden ihnen Ladestationen<br />

für Elektroautos zur Verfügung<br />

gestellt, sodass sie nach ihrem<br />

Besuch mit einem vollen „Tank“ direkt<br />

durchstarten können. Aber auch für<br />

die Mitarbeiter gibt es Ladestationen in<br />

der Tiefgarage. „Derzeit haben wir nur<br />

einzelne Plätze für Elektroautos vorgesehen.<br />

Wir können diese aber flexibel<br />

bis auf 20 Plätze erweitern,“ erklärt<br />

Derksen-Riesen. Sportliche Mitarbeiter<br />

<strong>und</strong> Mitarbeiterinnen, die mit dem E-<br />

Bike zur Arbeit kommen, können ihren<br />

Fahrrad-Akku während der Arbeitszeit<br />

an den extra dafür vorgesehenen Ladestationen<br />

laden.<br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

83


AGENDA<br />

84 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


DIGITALISIERUNG<br />

Digitalisierung<br />

Digitalisierung, Robotertechnik, Künstliche Intelligenz: Der technische Fortschritt<br />

krempelt die Arbeitswelt derzeit kräftig um. Schon heute arbeiten Roboter,<br />

Computer <strong>und</strong> Co. an vielen Stellen schneller, präziser, günstiger als Menschen.<br />

Die Digitalisierung ist aber kein Selbstzweck, sagte jüngst B<strong>und</strong>eskanzlerin<br />

Merkel beim Digital-Gipfel in Nürnberg. Auch im 70. Jahr der sozialen Marktwirtschaft<br />

sei sie davon überzeugt, dass die digitale <strong>Wirtschaft</strong> <strong>und</strong> das Zeitalter der<br />

Digitalisierung dem Menschen zu dienen haben <strong>und</strong> nicht umgekehrt.<br />

Was bedeutet das also für die Zukunft der Arbeit <strong>und</strong> für das Zusammenwirken<br />

von Mensch <strong>und</strong> Maschine? Und wie stellen wir sicher, dass unternehmerische<br />

Verantwortung auch in Bits <strong>und</strong> Bytes Eingang findet?<br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

85


AGENDA<br />

Nachhaltige Digitalisierung<br />

<strong>und</strong> die Rolle unternehmerischer<br />

Verantwortung<br />

Von Dr. Marian Feist<br />

Die Digitalisierung <strong>und</strong> ihre wirtschaftliche Bedeutung sind in<br />

den letzten Jahren breit diskutiert worden. Angeheizt durch<br />

die Berichterstattung über Themen wie Kryptowährungen oder<br />

Deep Learning ist ein Hype entstanden, der auf den ersten Blick<br />

die schon seit Jahrzehnten voranschreitende gesellschaftliche<br />

Durchdringung digitaler Technik zu verkennen scheint. In<br />

der Tat ist aber derzeit eine neue Welle der Digitalisierung<br />

zu beobachten. Insbesondere die jüngsten Fortschritte in der<br />

Entwicklung künstlicher Intelligenz sowie der gestiegene<br />

Verbreitungsgrad mobiler Internetgeräte verändern die Bedeutung<br />

digitaler Technik für gesellschaftliches Zusammenleben<br />

– wenn auch nicht überall auf der Welt auf gleiche Weise <strong>und</strong><br />

in gleichem Maße. Auch wenn die technischen Gr<strong>und</strong>lagen seit<br />

langem bestehen, zeichnen sich aus gesellschaftlicher Sicht<br />

daher neue Herausforderungen ab. Dieser Beitrag skizziert<br />

die damit verb<strong>und</strong>enen Chancen <strong>und</strong> Risiken für nachhaltige<br />

Entwicklung <strong>und</strong> die Rolle unternehmerischer Verantwortung.<br />

Chancen <strong>und</strong> Gefahren für nachhaltige Entwicklung<br />

Einerseits bietet Digitalisierung große Chancen für die<br />

Transformation zu einer nachhaltigen Gesellschaft. Viele<br />

Umweltprobleme lassen sich dank digitaler Technik besser<br />

bewältigen. So ist die klimagerechte Transformation der<br />

Energie- <strong>und</strong> Mobilitätssysteme ohne digitale Koordination<br />

kaum vorstellbar. Elektronische Kommunikation <strong>und</strong><br />

Virtualisierung versprechen, die <strong>Wirtschaft</strong> ein Stück weit<br />

zu entmaterialisieren. Physische Gebrauchsgüter werden<br />

dank Sharing Economy zur über das Internet organisierten<br />

Dienstleistung. Monitoring <strong>und</strong> Vernetzung ermöglichen es,<br />

die ökologischen Folgen wirtschaftlichen Handelns besser zu<br />

erfassen. Solche Potenziale verdeutlichen die zahlreichen<br />

Anknüpfungspunkte zu den Zielen für nachhaltige Entwicklung<br />

(SDGs) wie etwa zum Klimaschutz oder zur Bewahrung<br />

der Ökosysteme.<br />

86 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


DIGITALISIERUNG<br />

Digitalisierung<br />

<strong>und</strong><br />

Agenda 2030<br />

Eine nachhaltigere Welt durch Digitalisierung<br />

ist andererseits allerdings<br />

kein Selbstläufer. Es besteht nicht<br />

nur die Gefahr, viele Chancen zu<br />

verpassen, wenn die politischen Rahmenbedingungen<br />

nicht gesetzt werden.<br />

Darüber hinaus kann Digitalisierung<br />

existierende gesellschaftliche<br />

Problemlagen auch verstärken. Die<br />

digitale <strong>Wirtschaft</strong> operiert keineswegs<br />

losgelöst von der materiellen<br />

Welt. Die Umweltimplikationen von<br />

Elektroschrott <strong>und</strong> der Energiebedarf<br />

von Rechenzentren sind weithin<br />

bekannt. Ebenso ergeben sich Risiken<br />

hinsichtlich Ungleichheit – sowohl<br />

innerhalb als auch zwischen<br />

Gesellschaften. Die Sharing Economy<br />

beispielsweise bedeutet Komfort <strong>und</strong><br />

Flexibilität für die einen <strong>und</strong> birgt<br />

die Gefahr von Verdrängung <strong>und</strong><br />

prekären Beschäftigungsverhältnissen<br />

für die anderen.<br />

Auch international gesehen verläuft Digitalisierung unter<br />

ungleichen Voraussetzungen. Einerseits ergeben sich auch<br />

hier Chancen für inklusive wirtschaftliche Entwicklung <strong>und</strong><br />

Armutsbekämpfung, etwa durch effizientere Landwirtschaft<br />

oder die virtuelle Integration bislang benachteiligter Regionen<br />

in globale Wertschöpfungsketten. Andererseits besteht eine<br />

digitale Kluft (digital divide) bezüglich des Zugangs zu Internet-<br />

<strong>und</strong> Kommunikationstechnologien, der Voraussetzung<br />

für die Entfaltung dieser Potenziale ist. Die Voraussetzungen<br />

für diesen Zugang liegen wiederum in nicht-digitaler Infrastruktur<br />

<strong>und</strong> Institutionen – insbesondere Elektrizität <strong>und</strong><br />

Bildung, beides selbst SDGs. Solche analogen Lücken dürfen<br />

nicht außer Acht gelassen werden, damit die Abhängigkeit<br />

von privatwirtschaftlicher Bereitstellung der gr<strong>und</strong>legenden<br />

Infrastruktur nicht zur einzigen Alternative dazu wird, in<br />

der digitalen Entwicklung nicht ins Hintertreffen zu geraten.<br />

All dies sind keine gr<strong>und</strong>sätzlich neuen Probleme. Es ist jedoch<br />

wichtig zu betonen, dass Digitalisierung nicht nur Chancen<br />

zur Lösung solcher Problemlagen bietet, sondern sie auch<br />

verschieben oder verstärken kann. Zur verantwortungsvollen<br />

<strong>und</strong> nachhaltigen Digitalisierung gehört es aus Sicht von<br />

Unternehmen darum, nicht nur öffentlichkeitswirksam zur<br />

Verwirklichung der einzelnen Chancen beizutragen, sondern<br />

auch in der strategischen Ausrichtung wie im Alltagsgeschäft<br />

die Risiken angemessen zu berücksichtigen.<br />

Unternehmerische Verantwortung im digitalen Zeitalter<br />

Ein Hindernis für die nachhaltige Gestaltung der Digitalisierung<br />

ist das Primat ökonomischen Kalküls, das ihr viel von<br />

ihrer Dynamik verleiht. Natürlich ist es Unternehmen nicht<br />

vorzuwerfen, dass sie unternehmerisch denken. Sie tragen<br />

aber als Treiber technischer Innovation sowie als Akteure mit<br />

hoher Ausstattung an Ressourcen <strong>und</strong> Wissen eine besondere<br />

Verantwortung.<br />

Diese unternehmerische Verantwortung erstreckt sich über<br />

die materiellen Auswirkungen der Digitalisierung hinaus. Sie<br />

betrifft unmittelbar den Kern dessen, was die aktuelle Welle<br />

der Digitalisierung aus unternehmerischer Sicht ausmacht:<br />

automatisierte, algorithmische Entscheidungsfindung <strong>und</strong><br />

Big Data. Selbstlernende KI findet Korrelationen in immensen<br />

Datenmengen, die dem Menschen verborgen blieben. Das eröffnet<br />

neue Erkenntnispotenziale für die Wissenschaft genauso wie<br />

Möglichkeiten für die wirtschaftliche Nutzung – von gezielter<br />

Werbung über computergestützte Personalanwerbung bis hin<br />

zu Controlling – die jedoch keineswegs folgenlos bleibt.<br />

Digitale Technik entwickelt sich nicht unabhängig von sozialen<br />

Akteuren. Sie wird von ihnen geschaffen <strong>und</strong> gestaltet, aber<br />

sie wirkt auch auf sie zurück. Filterblasen <strong>und</strong> Echokammern<br />

gefährden soziale Kohäsion. Algorithmisch gewonnene Entscheidungsempfehlungen<br />

helfen, sich in der Fülle verfügbarer<br />

Angebote <strong>und</strong> Informationen zu orientieren. Aber sie prägen<br />

gleichzeitig die Wahrnehmung auf kaum mehr nachvollziehbare<br />

Weise. Die Eigendynamiken der Digitalisierung<br />

beeinflussen so langfristig das Wesen menschlichen Denkens<br />

<strong>und</strong> Entscheidens. Der Einzelfall mag harmlos wirken, in der<br />

Summe sind die Auswirkungen enorm.<br />

Der entscheidende Punkt ist in diesem Zusammenhang, dass<br />

es die digitalisierten Wertschöpfungsprozesse in Unternehmen<br />

selbst sind, die unreflektiert zu großen Problemen führen können.<br />

Hindernisse für die Transformation zur Nachhaltigkeit sind<br />

nicht nur Nebenprodukte wirtschaftlichen Handelns, sondern<br />

liegen auch im digitalen wirtschaftlichen Handeln selbst. Auch<br />

wenn <strong>und</strong> gerade weil künftige Entwicklungspfade nicht vollends<br />

abzusehen sind, ist es wichtig, heute schon die regulativen,<br />

institutionellen <strong>und</strong> normativen Rahmenbedingungen für<br />

nachhaltige Digitalisierung zu schaffen. Für verantwortungsvolle<br />

Unternehmen im digitalen Zeitalter bedeutet das, die<br />

Entscheidungsfreiheit von Individuen zu achten <strong>und</strong> keine<br />

Pfadabhängigkeiten zu generieren. Datensparsamkeit, explizites<br />

Einverständnis zu Datenerhebung oder offene Schnittstellen <strong>und</strong><br />

Formate sollten Selbstverständlichkeiten sein, die die Freiheit<br />

<strong>und</strong> Vielfalt digitaler Chancenwahrnehmung bewahren. >><br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

87


AGENDA<br />

Ein holistisches Verständnis in einer polyzentrischen<br />

Verantwortungsstruktur<br />

Vor welche Herausforderungen uns die Digitalisierung in<br />

naher Zukunft stellt, ist stark vom Erfolg der gesellschaftlichen<br />

Gestaltung heute abhängig. Im ungünstigsten Falle werden<br />

existierende Problemlagen verschleppt. Auch die weitere<br />

technische Entwicklung selbst ist schwer abzusehen <strong>und</strong><br />

schreitet schneller voran, als sich regulative <strong>und</strong> institutionelle<br />

Gefüge anpassen können. Welche technischen Durchbrüche,<br />

Sackgassen <strong>und</strong> neuen Nutzungsmuster gibt es in der Zukunft,<br />

die noch unabsehbare Entwicklungspfade eröffnen? Diese<br />

Unsicherheit erschwert – gepaart mit dem politischen Einfluss<br />

großer Technologiekonzerne – die angemessene Governance<br />

von Digitalisierung als Alternative zum amerikanischen Laissez<br />

faire <strong>und</strong> chinesischem Autoritarismus. Die nachhaltige<br />

Gestaltung der Digitalisierung ist nur im Zusammenspiel aller<br />

beteiligten Akteursgruppen zu bewältigen. Umso bedeutsamer<br />

ist es, dass auch Unternehmen ihre Rolle in dieser polyzentrischen<br />

Verantwortungsstruktur wahrnehmen.<br />

Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> sollte Digitalisierung in Unternehmen<br />

als Querschnittsthema verstanden werden. In einigen Bereichen<br />

ist man sich der tiefgreifenden Umbrüche durch Digitalisierung<br />

sehr bewusst. Ein Beispiel dafür ist die zunehmende Automatisierung<br />

von menschlicher Arbeit – inklusive der Substitution<br />

geistiger Arbeit durch Algorithmen. Über alle Themengebiete<br />

hinweg wird Digitalisierung als Megatrend jedoch noch nicht<br />

in der ausreichenden Tiefe wahrgenommen. Auch der Klimawandel<br />

wurde anfangs hauptsächlich als umweltpolitisches<br />

Problem verstanden. Heute ist er jedoch ein Querschnittsthema,<br />

dessen wirtschaftliche <strong>und</strong> soziale Dimensionen überall<br />

Berücksichtigung finden. Verantwortungsvolle Unternehmen<br />

bedenken heute die Auswirkungen ihrer Tätigkeiten >><br />

Einschätzung der Problemlösungskompetenz von Technik in <strong>Deutschland</strong><br />

Durch (Wissenschaft <strong>und</strong>)* Technik lässt sich jedes Problem lösen.<br />

1,0<br />

0,2<br />

12,5<br />

68,0<br />

74,0<br />

51,1<br />

73,5<br />

34,1<br />

20,0<br />

14,0<br />

14,0<br />

11,0<br />

11,0<br />

14,6<br />

2001**<br />

2005<br />

2010<br />

2017 TechnikRadar<br />

Angaben in Prozent<br />

(volle) Zustimmung Ambivalenz (volle) Ablehnung<br />

Weiß nicht<br />

Eigene Darstellung auf Basis der TechnikRadar-Befragung 2017; N = 2.002,<br />

sowie der Spezial-Eurobarometer 154 (2001), 224 (2005) <strong>und</strong> 340 (2010)<br />

*Item im Eurobarometer: „Science and Technology will sort out any problem“ / „[…] can solve all problems.“<br />

**Im Bericht des Spezial-Eurobarometers 154 (2001) wird keine „Ambivalenz“-Kategorie angegeben.<br />

88 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


DIGITALISIERUNG<br />

Einstellungen der Befragten zum technischen Wandel im Allgemeinen<br />

Den technischen Fortschritt kann niemand aufhalten. (N = 2002)<br />

64,9 24,5 7,9 1,5 1,2<br />

Der Erhalt einer intakten Umwelt macht es erforderlich, dass wir alle unseren Konsum einschränken. (N = 1997)<br />

41,1 29,6 23,9 2,8 2,6<br />

Je weiter sich die Technik entwickelt, desto mehr Zwänge wirken auf den Menschen. (N = 1991)<br />

23,5 36,7 33,3 4,2 2,3<br />

Die technische Entwicklung wird dazu führen, dass nachfolgende Generationen eine höhere Lebensqualität<br />

haben werden. (N = 1984)<br />

17,0 32,9 36,4 9,0 4,7<br />

Durch Technik entstehen langfristig mehr Probleme als gelöst werden. (N = 1980)<br />

11,9 23,6 39,6 16,0 8,9<br />

Dem technischen Fortschritt dürfen keine Grenzen gesetzt werden. (N = 1988)<br />

10,3 17,8 33,7 17,6 20,6<br />

Die technische Entwicklung wird uns helfen, zentrale Probleme der Menschheit wie Hunger, Armut oder<br />

Klimawandel zu lösen. (N = 1998)<br />

9,4 23,5 40,4 13,9 12,8<br />

Ich finde es schick, jeweils die neuesten technischen Geräte zu nutzen. (N = 1998)<br />

5,7 12,3 27,8 22,3 31,9<br />

Alle Probleme lassen sich durch den Einsatz von Technik lösen. (N = 1993)<br />

3,8 10,9 34,2 24,3 26,8<br />

Angaben in Prozent<br />

Stimme voll <strong>und</strong> ganz zu Stimme eher zu Ambivalent<br />

Stimme eher nicht zu<br />

Stimme gar nicht zu<br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

89


AGENDA<br />

auf Treibhausgasemissionen <strong>und</strong> Resilienz.<br />

Das Bewusstsein für die gesellschaftlichen<br />

Implikationen der Digitalisierung hat noch<br />

nicht den gleichen Durchdringungsgrad<br />

erreicht. Über einzelne Schaufensterprojekte<br />

hinaus sollten Unternehmen Nachhaltigkeit<br />

als Kernelement ihres digitalen Handelns<br />

verankern.<br />

Digitalisierung ist grenzüberschreitend.<br />

Effektiv kann die Gestaltung von Digitalisierung<br />

darum nur sein, wenn sie im Rahmen<br />

multilateraler Zusammenarbeit geschieht.<br />

Es mag noch wie Zukunftsmusik klingen,<br />

dass in internationalen Organisationen über<br />

verantwortlichen Umgang mit Daten <strong>und</strong> künstlicher Intelligenz<br />

nicht nur unter Informatikern <strong>und</strong> Ethikern, sondern auf<br />

diplomatischer Ebene debattiert wird. Aber auch hier bietet<br />

sich der Vergleich zum Klimawandel an, der ebenfalls erst zum<br />

Gegenstand internationaler Politik werden musste. Als Treiber<br />

<strong>und</strong> Gestalter der Digitalisierung kommt Unternehmen eine<br />

besondere Verantwortung zu, sich in internationalen Initiativen<br />

<strong>und</strong> Netzen wie dem UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> zu engagieren.<br />

Zuletzt darf auch insbesondere die kritische Reflexion der<br />

Digitalisierung gesellschaftlichen Zusammenlebens nicht außer<br />

Acht gelassen werden. Der richtige Umgang mit den Fragen,<br />

die automatisierte Entscheidungsfindung auswirft, mag nicht<br />

nur in der Weiterentwicklung oder Einschränkung künstlicher<br />

Intelligenz bestehen, sondern ebenso in der deliberativ gewonnenen<br />

Entscheidung, bestimmte Fragen prinzipiell keinem<br />

automatisierten Entscheidungsfindungsprozess zu überlassen.<br />

Fazit<br />

„Künstliche Intelligenz bietet<br />

ungeahnte Möglichkeiten,<br />

Hunger <strong>und</strong> Armut auszuradieren<br />

<strong>und</strong> den Verfall der<br />

Natur aufzuhalten.“<br />

Chaesub Lee, Direktor für Standardisierung bei der Internationalen Fernmeldeunion (ITU)<br />

Auch die Industrialisierung war eine tiefgreifende Transformation<br />

von <strong>Wirtschaft</strong> <strong>und</strong> Gesellschaft, die zu Wohlstand<br />

geführt hat, aber auch zu Machtkonzentration, Ungleichheit,<br />

Ausbeutung <strong>und</strong> Umweltverschmutzung. Es hat viele Jahrzehnte<br />

gedauert, bis diese verwerflichen gesellschaftlichen<br />

Auswirkungen durch Sozialgesetzgebung, Umweltschutz<br />

usw. zu einem gewissen Grad eingehegt werden konnten.<br />

Andere Probleme, insbesondere der Klimawandel, stellen<br />

die Menschheit noch heute vor große Herausforderungen.<br />

Die aktuelle Welle der Digitalisierung verheißt eine ähnlich<br />

tiefgreifende Transformation. Wiederum ist die <strong>Wirtschaft</strong><br />

der zentrale Treiber <strong>und</strong> wiederum sind die Auswirkungen<br />

über alle Gesellschaftsbereiche hinweg zu spüren. Allerdings<br />

besteht dieses Mal die Chance, schon während des Transformationsprozesses<br />

über Fehlentwicklungen nachzudenken<br />

<strong>und</strong> gestaltend einzugreifen. Digitalisierung ist keine<br />

Naturgewalt. Sie mag Eigendynamiken entwickeln, aber ist<br />

letztlich das Produkt menschlichen Handelns. Darum ist es<br />

auch möglich, sie für die Agenda 2030 dienstbar zu machen.<br />

Durch die Digitalisierung ergeben sich große Chancen für<br />

nachhaltige Entwicklung. Diese Chancen verwirklichen sich<br />

jedoch nicht automatisch. Darüber hinaus ergeben sich große<br />

Risiken, wenn wirtschaftliche Digitalisierung die mit ihr<br />

einhergehenden gesellschaftlichen Fragen nicht angemessen<br />

berücksichtigt. Digitalisierung braucht Gestaltung, damit sie zur<br />

Verbesserung der Lebensbedingungen der ärmsten 40 Prozent<br />

der Weltbevölkerung <strong>und</strong> somit zur Agenda 2030 beiträgt. Als<br />

zentrale Akteure der Digitalisierung kommt Unternehmen<br />

dabei eine besondere Verantwortung zu.<br />

ÜBER DEN AUTOR<br />

Dr. Marian Feist ist Politikwissenschaftler an der Universität der<br />

Vereinten Nationen. Mit dem Wissenschaftlichen Beirat <strong>Global</strong>e<br />

Umweltveränderungen arbeitet er an einem Gutachten über<br />

nachhaltige Digitalisierung.<br />

90 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


DIGITALISIERUNG<br />

Künstliche Intelligenz für humanitäre Hilfe<br />

Die Vereinten Nationen wollen im Kampf gegen Hunger in Zukunft enger mit den Technologiekonzernen<br />

kooperieren. Deren KI-Systeme sollen helfen, Hungersnöte leichter vorherzusagen,<br />

Armut einzugrenzen <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit zu verbessern.<br />

Die Vereinten Nationen schätzen, dass weltweit r<strong>und</strong> elf<br />

Prozent der Menschen an Hunger leiden. Das entspricht etwa<br />

800 Millionen Menschen. Nach einer aktuellen Hochrechnung<br />

leben 124 Millionen von ihnen in Regionen, die von akuter<br />

Hungersnot bedroht sind. Ursachen dafür sind verschiedene<br />

Faktoren: bewaffnete Konflikte, Klimaextreme wie Fluten,<br />

Dürren <strong>und</strong> Stürme sowie ökonomische oder politische Krisen.<br />

Die Folgen sind immer katastrophal: Gesellschaftliche Strukturen<br />

brechen zusammen, Elend geht mit Gewalt einher, die<br />

Sterberate steigt um 60 Prozent. Am schlimmsten betroffen<br />

sind Kinder: Deren körperliche <strong>und</strong> geistige Fehlentwicklung<br />

nimmt zu. Studien zeigen, dass Kinder, die während einer<br />

Hungersnot geboren werden, im Schnitt ein Jahr weniger zur<br />

Schule gehen. Hungersnöte sind also kein temporäres Problem,<br />

sondern haben noch Jahrzehnte später Auswirkungen<br />

auf die Überlebenden.<br />

Eine Studie der Weltbank zeigt, dass ein frühzeitiges Eingreifen<br />

nicht nur die Kosten um etwa ein Drittel senkt, sondern<br />

in einigen Fällen Hungersnöte komplett verhindert. Warum<br />

passiert das aber so selten? Die Antwort ist einfach: Es fehlt<br />

an Daten zum Prognostizieren der Ereignisse, <strong>und</strong> Frühwarnsysteme<br />

sind meist langsam: Zwischen einer ersten Warnung<br />

<strong>und</strong> dem Eintreffen der Hilfen vergehen oft Monate – da ist<br />

die Katastrophe schon längst eingetreten.<br />

Gegen diesen Mangel an Daten hat sich nun eine neue Koalition<br />

zusammengef<strong>und</strong>en: Die UN, Weltbank <strong>und</strong> das internationale<br />

Komitee vom Roten Kreuz beteiligen sich an der Initiative<br />

„Famine Action Mechanism“ (FAM) von Microsoft, Google <strong>und</strong><br />

Amazon. „Die Analyse großer Datenmengen ist schon ein<br />

wichtiger Bestandteil vorhandener Frühwarnsysteme – mit<br />

KI-Unterstützung sollen sie effizienter werden. So könnten<br />

erste Warnungen schneller <strong>und</strong> zuverlässiger ausgegeben<br />

werden“, schreibt Maximilian Schreiner vom KI-Magazin<br />

Vrodo. „Die Analysen sollen außerdem helfen, die Wurzeln<br />

der Hungersnöte zu identifizieren, sodass zukünftige Krisen<br />

vermieden werden können.“<br />

Mit Satellitenbildern Armut bestimmen<br />

Auch das UN-Kinderhilfswerk UNICEF setzt auf KI in einem<br />

Projekt in Kenia: Das dortige Unternehmen Kimetrica hat eine<br />

Software entwickelt, die anhand von computergesteuerter<br />

Gesichtserkennung auf Fotos den Grad der Unterernährung<br />

bei Kleinkindern ermittelt. „Es wurde schon erfolgreich mit<br />

Erwachsenen getestet, jetzt füttern wir das Modell mit Körpermessungen<br />

aus Kenia <strong>und</strong> Fotos, um es richtig zu trainieren“,<br />

sagt die Kimetrica-Direktorin Anita Shah gegenüber der dpa.<br />

Auch andere Regionen erfahren die Auswertung von sogenanntem<br />

„Big Data“ für Entwicklungszwecke: Im Irak etwa<br />

werden Satellitenbilder auch dahingehend ausgewertet, den<br />

Grad der Armut zu bestimmen. Dafür wird digital vermessen,<br />

wie viele Orte elektrisches Licht haben, aus welchem Material<br />

Dächer sind oder ob in den Siedlungen auch Tiere gehalten<br />

werden. „Das Tolle an künstlicher Intelligenz ist, dass man<br />

der Maschine nicht sagen muss, was genau sie analysieren<br />

soll“, sagt Naroa Zurutuza, Datenwissenschaftlerin in UNICEFs<br />

Innovationswerkstatt, gegenüber der dpa. „Das Computerprogramm<br />

findet, wenn es mit genügend Daten gefüttert<br />

wird, von selbst Zusammenhänge heraus.“<br />

Bill Gates' „<strong>Global</strong> Goods F<strong>und</strong>“<br />

Auf Computerprogramme setzt auch immer stärker die Bill<br />

Gates Fo<strong>und</strong>ation. Ein eigens eingerichteter „<strong>Global</strong> Goods<br />

F<strong>und</strong>“ finanziert innovative Firmen <strong>und</strong> sogenannte „Intellectual<br />

Ventures“ im Themenfeld Ges<strong>und</strong>heit. Maurizio<br />

Vecchione, Leiter von „<strong>Global</strong> Goods F<strong>und</strong>“, sagt: „In Entwicklungsländern<br />

fehlen Ärzte <strong>und</strong> Spezialisten. Wir haben<br />

uns gefragt: Kann man Entscheidungshilfen entwickeln, die<br />

Spezialisten ersetzen können? Und die Antwort lautet: ja.“<br />

Anders als bei den Themen Armut oder Hunger sind Entwicklungen<br />

in der digitalen Medizin nicht auf Entwicklungsländer<br />

beschränkt. Ein auf künstlicher Intelligenz basierender<br />

Computer kann Daten von Patienten überall auf der Welt<br />

verarbeiten. Es existieren bereits Ultraschallgeräte, die an<br />

ein Handy angeschlossen werden können, Smart Watches<br />

messen schon heute viele Vitalwerte. Diagnoseprogramme<br />

liegen bei Versuchen öfter richtig als Fachärzte. „Natürlich ist<br />

Maschinenlernen nicht so simpel, dass man jede Menge Daten<br />

ins Smartphone lädt <strong>und</strong> es dann eine Lösung ausspuckt“,<br />

sagt Vecchione gegenüber der dpa.<br />

Dennoch ist man beim „<strong>Global</strong> Goods F<strong>und</strong>“ überzeugt, dass<br />

Computerprogramme die Ges<strong>und</strong>heitsversorgung in Entwicklungsländern<br />

deutlich verbessern können – der Fonds<br />

vergibt dort die entsprechenden Lizenzen umsonst, reichere<br />

Patienten müssen zahlen.<br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

91


Standpunkt<br />

Total Societal<br />

Impact –<br />

Der überfällige<br />

Paradigmenwechsel<br />

ÜBER DEN AUTOR<br />

Karl-Heinz Land ist ein deutscher Investor,<br />

Redner <strong>und</strong> Autor zu Themen der digitalen<br />

Transformation. In seinem neuen Buch „Erde<br />

5.0 – Die Zukunft provozieren“ hält Land ein<br />

leidenschaftliches Plädoyer für den technologischen<br />

Fortschritt <strong>und</strong> den digitalen Planeten.<br />

Sein Credo: Lassen Sie uns die Chancen der<br />

Digitalisierung beherzt ergreifen <strong>und</strong> eine „Infrastruktur des<br />

Wohlstands“ für alle auf bauen.<br />

“The business of business is business.“ Dieses populäre Zitat<br />

wird dem US-<strong>Wirtschaft</strong>swissenschaftler <strong>und</strong> Nobelpreisträger<br />

Milton Friedman (1912 - 2006) zugeschrieben. Noch heute dient<br />

der Spruch vielen Unternehmen als Alibi, wenn sie möglichst<br />

frei von gesellschaftlichen <strong>und</strong> sozialen Verpflichtungen ihren<br />

Geschäften nachgehen möchten. Eigentlich ist jedoch seit<br />

Anfang der 1970er Jahre klar, dass sich die Verfechter eines<br />

radikalen Marktliberalismus auf dem Holzweg befinden. Denn<br />

1972 veröffentlichte der „Club of Rome“ seine wegweisende<br />

Studie „Die Grenzen des Wachstums“, die aufzeigte: Wir steuern<br />

in eine existenzbedrohende Krise aufgr<strong>und</strong> ungebremster<br />

Umweltzerstörung, grenzenloser Ausbeutung unwiederbringlicher<br />

Ressourcen <strong>und</strong> des Bevölkerungswachstums. Genau<br />

das erleben wir heute: Die Menschheit lebt weit über ihre<br />

Verhältnisse <strong>und</strong> verbraucht deutlich mehr Ressourcen als<br />

der Planet erneuern kann. Schon jetzt bräuchten wir einen<br />

zweiten Planeten, wenn alle Menschen ernährt werden <strong>und</strong><br />

die Konsumgewohnheiten beibehalten oder noch gesteigert<br />

werden sollen. Wir Deutschen pflegen einen Lebensstil, der<br />

eigentlich drei Planeten erfordert. Die US-Amerikaner produzieren,<br />

reisen <strong>und</strong> konsumieren ohne Weiteres, als gäbe es<br />

fünf Erden. Die Weltbevölkerung wächst rasant; <strong>und</strong> die neuen<br />

Mittelschichten in den Entwicklungs- <strong>und</strong> Schwellenländern<br />

lassen einen weiteren Zuwachs von Produktion <strong>und</strong> Konsum<br />

erwarten. Gleichzeitig sind Politik <strong>und</strong> <strong>Wirtschaft</strong> entweder<br />

unfähig oder unwillig, den Klimawandel, die Flüchtlingsbewegungen<br />

<strong>und</strong> die Ungleichheit zu bewältigen – von Kriegen,<br />

ethnischen <strong>und</strong> religiösen Konflikten ganz zu schweigen.<br />

Das Phänomen lässt sich selbstverständlich herunterbrechen<br />

auf die Verantwortung eines jeden Menschen wie auf den<br />

Verhaltenskodex vieler Unternehmer.<br />

92 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


Im Visier der Öffentlichkeit<br />

Vielen Unternehmern – <strong>und</strong> auch ihren<br />

Angestellten – fällt es nach wie vor<br />

schwer, sozial <strong>und</strong> ökologisch Verantwortung<br />

zu übernehmen – ja, sie überhaupt<br />

anzuerkennen. Einer internationalen<br />

Studie der Unternehmensberatung<br />

Deloitte zufolge sehen es nur 57 Prozent<br />

der Mitarbeiter <strong>und</strong> 53 Prozent der<br />

Manager als eine der drei wichtigsten<br />

Aufgaben eines Unternehmens an, Produkte<br />

<strong>und</strong> Services auf den Markt zu<br />

bringen, die einen positiven Einfluss<br />

auf die Gesellschaft haben.<br />

Fakt ist aber, dass sich die Rolle der<br />

Unternehmen im gesellschaftlichen<br />

Bewusstsein verändert <strong>und</strong> kritisch verfolgt<br />

wird. Ich sag‘ nur: RWE <strong>und</strong> der<br />

Hambacher Forst, Bayer <strong>und</strong> Glyphosat,<br />

Nestlé <strong>und</strong> die gefährliche Absenkung<br />

des Gr<strong>und</strong>wasserspiegels. Solche Themen<br />

<strong>und</strong> der öffentliche Protest bis hin zu<br />

Boykottaufrufen sind ein Indiz dafür,<br />

dass wir uns in einer Welt bewegen, in<br />

der eben alles mit allem zusammenhängt<br />

– Klimawandel <strong>und</strong> Hunger, Wertschöpfung<br />

<strong>und</strong> Armut, Konsum <strong>und</strong> Ressourcenverbrauch,<br />

wirtschaftlicher Erfolg<br />

<strong>und</strong> tiefe soziale Instabilität. Kurzum:<br />

Der Druck auf die Unternehmen wird<br />

sich zunehmend erhöhen. Je größer<br />

die Probleme werden <strong>und</strong> sie öffentlich<br />

wahrgenommen werden, umso stärker<br />

wird der Erfolg von Unternehmen künftig<br />

daran gemessen werden, welchen<br />

gesellschaftlichen Beitrag sie tatsächlich<br />

leisten. Wohlgemerkt: Unter diesem<br />

Beitrag sind nicht nur Maßnahmen zu<br />

verstehen, mit denen Unternehmen außerhalb<br />

ihres Geschäftsmodells Gutes<br />

tun, etwa in Form von Corporate Social<br />

Responsibility (CSR)-Aktivitäten oder<br />

einer Stiftung, die sie gründen. Vielmehr<br />

wird es darum gehen, im Kerngeschäft<br />

selbst einen möglichst hohen „Total Societal<br />

Impact“ (TSI) zu erzeugen.<br />

Was ist unter dem TSI zu verstehen?<br />

Der TSI ist ein Konzept, das die Unternehmensberatung<br />

Boston Consulting<br />

Group (BCG) im Jahr 2017 vorgestellt hat.<br />

Die intendierte <strong>und</strong> „umfassende Auswirkung<br />

auf die Gesellschaft“ entsteht,<br />

sobald ein Unternehmen gesellschaftlich<br />

relevante Themen direkt mit seinen<br />

Produkten <strong>und</strong> Services adressiert. Dazu<br />

gehören etwa Angebote, die die Ges<strong>und</strong>heitsversorgung<br />

oder die Pflegesituation<br />

der Menschen konkret <strong>und</strong> nachweislich<br />

verbessern, die besonders nachhaltig<br />

<strong>und</strong> ges<strong>und</strong> sind. Ethische Richtlinien<br />

eines Unternehmens sollten darüber<br />

hinaus in Einklang mit den Werten einer<br />

Gesellschaft stehen. Der TSI zeigt sich in<br />

der Qualität der Arbeitsplätze, in seinen<br />

gelebten Führungsprinzipien, in der<br />

Behandlung der Daten, im schonenden<br />

Umgang mit Ressourcen, in Transparenz<br />

<strong>und</strong> fairer Preisgestaltung.<br />

Zwingende Neuausrichtung<br />

aufgr<strong>und</strong> Digitalisierung<br />

Dass Unternehmen in Zukunft unter<br />

Zugzwang stehen werden, eine neue<br />

Existenzberechtigung zu finden, hängt<br />

auch mit der Digitalisierung zusammen:<br />

Der technologische Fortschritt <strong>und</strong> die<br />

Digitalisierung verändern die Spielregeln<br />

auf den Märkten, die sozialen Gefüge<br />

der Gesellschaften, die Art <strong>und</strong> Weise,<br />

wie wir leben, arbeiten <strong>und</strong> kon- >><br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

93


Standpunkt<br />

sumieren. In allen Branchen ist derzeit die gleiche, rasante<br />

Entwicklung zu beobachten: Was digitalisiert werden kann,<br />

wird digitalisiert. Was vernetzt werden kann, wird vernetzt.<br />

Was automatisiert werden kann, wird automatisiert.<br />

Etwa seit 2010 gleitet die <strong>Wirtschaft</strong> von der vierten in die<br />

fünfte industrielle Revolution. Cyberphysische Systeme <strong>und</strong><br />

das Internet der Dinge (IoT) setzen sich durch. Im „Internet<br />

der Dinge“ werden Künstliche Intelligenz <strong>und</strong> Blockchain,<br />

Big Data <strong>und</strong> Sensorik, Logistik <strong>und</strong> 3D-Druck so intelligent<br />

zusammenspielen, dass ganze <strong>Wirtschaft</strong>szweige komplett<br />

digitalisiert <strong>und</strong> automatisiert werden. Angetrieben durch<br />

das exponentielle Leistungswachstum der IT entstehen ebenso<br />

intelligente <strong>und</strong> wie autonome Technologiekomplexe, die sich<br />

völlig selbstständig optimieren <strong>und</strong> weiterentwickeln. Der<br />

Mensch spielt in diesen Prozessen keine Rolle mehr.<br />

Eine Welt ohne menschliche Arbeit<br />

Die Entwicklung lässt sich in drei Trends ablesen, die das<br />

Geschehen global zunehmend bestimmen, aber leider weitgehend<br />

übersehen werden:<br />

1. Disintermediation: Wenn jeder mit jedem kommunizieren<br />

<strong>und</strong> Geschäftsbeziehungen aufnehmen kann, werden die<br />

Intermediäre, die Mittelsmänner, überflüssig – Großhändler<br />

zum Beispiel, aber auch Banken. Insbesondere die Blockchain<br />

als Protokoll des Vertrauens wird direkte Geschäfte<br />

<strong>und</strong> Transaktionen („Peer-to-Peer“) fördern.<br />

2. Disaggregation: Produkte werden in ihre Bestandteile zerlegt<br />

<strong>und</strong> als Services neu verpackt. Der K<strong>und</strong>e von morgen<br />

kauft kein Auto mehr, sondern Mobilität, ein Service, der<br />

von verschiedenen Anbietern gemeinsam erbracht wird.<br />

Er interessiert sich auch nicht mehr für ein Smartphone,<br />

sondern für bessere Kommunikation. Er bucht primär kein<br />

Hotel, sondern Erholung <strong>und</strong> Erlebnisse. Er ordert keine<br />

Finanzprodukte, sondern finanzielle Sicherheit. Diese<br />

Leistungen werden nicht mehr von einem Unternehmen erbracht,<br />

sondern von einem Netzwerk, das modulare, perfekt<br />

auf den K<strong>und</strong>en zugeschnittene Serviceangebote generiert.<br />

3. Dematerialisierung: Immer mehr physische Produkte verwandeln<br />

sich in Software <strong>und</strong> Apps. Smartphones vereinen heute<br />

Services, die früher eine ganze Kofferraumladung voller<br />

Geräte erfordert hätten. Ganze Wertschöpfungsketten lösen<br />

sich in diesem Prozess auf. Fabriken, Maschinen, Arbeitsplätze<br />

werden nicht mehr benötigt. „Lights-out factories“, in<br />

denen kein Mensch mehr arbeitet, gibt es schon seit langem.<br />

Im Bankensektor schließen derzeit tausende von Filialen.<br />

Der Trend zum autonomen Fahren, zur E-Mobility <strong>und</strong> zu<br />

vernetzten Mobilitätssystemen gefährdet zigtausende Jobs<br />

in der Automobilindustrie. Zudem übernehmen Künstliche<br />

Intelligenzen (KIs) <strong>und</strong> Roboter überall dort die Arbeit von<br />

Menschen, wo Zahlen im Fokus stehen, Routineprozesse<br />

ablaufen, Daten analysiert <strong>und</strong> Muster erkannt werden.<br />

Diese Trends machen auch nicht vor den Toren des Maschinenbaus<br />

halt. Denn entwickelt sich der 3D-Druck weiter wie<br />

bisher, werden deutlich weniger Drucker für wechselnde<br />

Aufträge programmiert werden. Sie sind, im Gegensatz zu den<br />

meisten traditionellen Maschinen, multifunktional. Damit<br />

brechen schwere Zeiten für eine der deutschen Kernindustrien<br />

an – <strong>und</strong> erst recht für ihre Beschäftigten.<br />

Überspitzt formuliert: Es droht eine Welt ohne Arbeit. Zwar<br />

wird über die einschlägigen Studien zur Zukunft der Arbeit<br />

kontrovers diskutiert. Aber Staat, <strong>Wirtschaft</strong> <strong>und</strong> Gesellschaft<br />

sollten sich darauf einstellen, dass nahezu die Hälfte<br />

der Jobs in den Industrieländern in den nächsten 15 bis 20<br />

Jahren verlorengehen werden. Und auch in den Entwicklungsländern<br />

entstehen per saldo keine neuen Arbeitsplätze. Ganz<br />

im Gegenteil. Bisher exportierten die Industrieländer billige<br />

Arbeit. Jetzt exportieren sie Arbeitslosigkeit. Die Jobs, die<br />

westliche Unternehmen in die „Sweat Shops“ in Fernost <strong>und</strong><br />

Afrika ausgelagert haben, kommen zurück. Allerdings übernehmen<br />

hierzulande Roboter, die zu geringen Grenzkosten<br />

produzieren, die Arbeit.<br />

94 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


TSI mit ökonomischem Mehrwert<br />

Was sich für Unternehmen womöglich<br />

verführerisch anhören könnte – steigende<br />

Produktivität, Personalkosten, die<br />

gegen Null gehen, denn die Anschaffungskosten<br />

der Roboter sind nach ein paar<br />

Jahren abgeschrieben – hat in Wahrheit<br />

auch für sie einen gewaltigen Pferdefuß.<br />

Denn es wird – ohne konkrete Zukunftsvisionen<br />

– noch mehr Ungleichheit,<br />

Hunger <strong>und</strong> Armut geben, vor allem in<br />

den Entwicklungs- <strong>und</strong> Schwellenländern.<br />

Es wird mehr gesellschaftliche Instabilität<br />

geben. Und auch weniger kaufkräftige<br />

K<strong>und</strong>en.<br />

Wollen Firmen weder ihre K<strong>und</strong>en <strong>und</strong><br />

Märkte verlieren noch die Unterstützung<br />

von Politik <strong>und</strong> Gesellschaft, dann müssen<br />

sie Produkte <strong>und</strong> Services liefern, die<br />

– entlang der gesamten Supply Chain –<br />

nicht nur sozial- <strong>und</strong> umweltverträglich<br />

sind, sondern konkret dazu beitragen, gesellschaftliche<br />

<strong>und</strong> ökologische Probleme<br />

zu lösen. Das Spannende daran ist: „Total<br />

Societal Impact“ <strong>und</strong> unternehmerischer<br />

Erfolg gehen Hand in Hand. Investoren<br />

bewerten in diesem umfassenden Sinn<br />

verantwortungsvoll ausgerichtete Unternehmen<br />

schon heute deutlich positiver<br />

als den Durchschnitt – um bis zu<br />

19 Prozent. Auch die Gewinnmargen<br />

dieser Unternehmen liegen 12,4 Prozent<br />

über dem Durchschnitt. Das heißt: Es<br />

zahlt sich auch ökonomisch aus, sein<br />

Kerngeschäft auf den Total Societal Impact<br />

auszurichten.<br />

>><br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

95


AGENDA<br />

2<br />

Digitalisierung<br />

verändert<br />

unseren<br />

Arbeitsalltag<br />

Große<br />

Veränderungen<br />

geben den Blick<br />

auf wichtige<br />

Fragen frei<br />

Unter den Stichworten Digitalisierung,<br />

Automatisierung <strong>und</strong> Künstliche Intelligenz<br />

werden die Arbeitswelten der Zukunft neu<br />

vermessen. Schon heute arbeiten Roboter,<br />

Computer <strong>und</strong> Co. an vielen Stellen schneller,<br />

präziser <strong>und</strong> günstiger als Menschen.<br />

Ein Gr<strong>und</strong> zur Sorge?<br />

Von Dr. Elmer Lenzen<br />

96 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


DIGITALISIERUNG<br />

Für Richard David Precht, der beim<br />

Treffen des Deutschen <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong><br />

Netzwerks im Oktober <strong>2018</strong> die Key-Note<br />

übernahm, eher Gr<strong>und</strong> zum Nachdenken.<br />

Erst ein f<strong>und</strong>amentaler Umbruch,<br />

wie etwa jetzt durch die Digitalisierung,<br />

gibt die Perspektive auf wichtige Fragen<br />

frei, so Precht bei bei seinem Vortrag auf<br />

der Herbst-Teilnehmerkonferenz des<br />

Deutschen <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Netzwerkes.<br />

Die Digitalisierung bedroht alles, was<br />

wir kennen. Davon ist der TV-bekannte<br />

Philosoph überzeugt. Radikale Änderungen<br />

liegen vor uns, gar der Sprung in<br />

eine neue Epoche. Die erste industrielle<br />

Revolution, so Precht, verbesserte die Lebensbedingungen<br />

der meisten Menschen,<br />

brachte uns Demokratie <strong>und</strong> Wohlstand.<br />

„Der große Unterschied besteht darin“,<br />

so Precht im ARD-Kulturmagazin „ttt -<br />

titel, thesen, temperamente“, „dass in<br />

der ersten industriellen Revolution die<br />

körperliche Leistung des Menschen durch<br />

Maschinen ersetzt wurde. Was jetzt im<br />

Second Machine Age passiert, ist, dass<br />

die Intelligenzleistung ersetzt wird. Die<br />

Folge wird sein, dass in vielen algorithmisierbaren<br />

Berufen – bei Versicherungen,<br />

bei Banken, bei Steuerberatern, bei Justiziaren<br />

in Firmen – eine massenhafte<br />

Arbeitslosigkeit eintreten wird, wie sie<br />

die B<strong>und</strong>esrepublik seit ihrer Gründung<br />

nicht erlebt hat.“<br />

Ganz ähnlich argumentierte auch Reiner<br />

Hoffmann, Vorsitzender des Deutschen<br />

Gewerkschaftsb<strong>und</strong>es (DGB), in seiner<br />

Keynote „Arbeit der Zukunft – Chancen<br />

<strong>und</strong> Risiken“ auf der DGCN-Teilnehmerkonferenz<br />

im April. Konträr zu früheren<br />

Debatten ist die Frage heute nicht mehr,<br />

so Hoffmann, ob durch eine Technologisierung<br />

Arbeitsplätze verloren gehen.<br />

Vielmehr sei ungewiss, wo sie verloren<br />

gingen <strong>und</strong> ob es gelänge, Transformationsprozesse<br />

so zu gestalten, dass neue<br />

Arbeitsfelder mit guten Arbeitsbedingungen<br />

entstehen. >><br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

97


AGENDA<br />

Die Beschäftigungszahlen im großindustriellen<br />

Sektor sinken, während sie in anderen steigen.<br />

100<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

Anteil der Gesamtbeschäftigung in den<br />

Vereinigten Staaten, 1850-2015<br />

Handel (Einzel- / Großhandel)<br />

Bau<br />

Transportwesen<br />

Landwirtschaft<br />

Produktion<br />

Hausarbeit*<br />

Bergbau<br />

Professionelle Dienstleistungen<br />

Haushaltsdienste<br />

Geschäfts- / Reparaturdienste<br />

Telekommunikation<br />

Ges<strong>und</strong>heit/Pflege<br />

Unterhaltung<br />

Ausbildung/Erziehung<br />

Regierung<br />

In <strong>Deutschland</strong> stehen laut einem Szenario<br />

des McKinsey <strong>Global</strong> Institute (MGI)<br />

knapp 25 Prozent der Jobs auf der Kippe.<br />

Tritt das Szenario ein, müssten bis 2030<br />

r<strong>und</strong> acht Prozent der Beschäftigten auf<br />

einen anderen Beruf umsatteln. Das<br />

wären drei Millionen Menschen. Eine<br />

Studie des Zentrums für Europäische<br />

<strong>Wirtschaft</strong>sforschung (ZEW) kam 2015<br />

zu deutlich höheren Zahlen. Demnach<br />

arbeiten 42 Prozent der Deutschen in<br />

Berufen mit einer hohen Automatisierungswahrscheinlichkeit.<br />

Geht uns also<br />

die Arbeit aus?<br />

Hierauf gibt es keine klare Antwort, aber<br />

zwei Prognosen: Laut der einen werden<br />

durch die Digitalisierung neue Arbeitsfelder<br />

entstehen. Die andere Theorie geht<br />

von einer gr<strong>und</strong>sätzlichen Verknappung<br />

der Ressource Arbeit aus. Die Vertreter<br />

der These von neuen Jobs beziehen sich<br />

auf die Kompensationstheorie. Diese sagt,<br />

dass die Verbilligung bestimmter Güter<br />

durch die technische Entwicklung eine<br />

Mehrnachfrage nach anderen Gütern<br />

auslöst <strong>und</strong> so zur Wiedereinstellung<br />

der durch Maschineneinsatz <strong>und</strong> Rationalisierung<br />

frei gewordenen Arbeitskräfte<br />

führt.<br />

0<br />

Finanzdienstleistungen<br />

Ethik der Digitalisierung<br />

1850 1900 50 2000 15<br />

Angesichts dieser Entwicklungen fordert<br />

*Anstieg der Erwerbstätigkeit von 1850 auf 1860 aufgr<strong>und</strong> von Veränderungen<br />

B<strong>und</strong>espräsident Frank-Walter Steinmeier<br />

eine „Ethik der Digitalisierung“.<br />

wie unbezahlte Arbeit (Sklaverei).<br />

Auf dem B<strong>und</strong>eskongress des DGB im<br />

Mai <strong>2018</strong> sagte unser Staatsoberhaupt:<br />

Quelle:<br />

„Der technologische Wandel hat das Potenzial,<br />

IPUMS USA 2017; US Bureau of Labor Statistics; Groningen Growth and Development Centre 10-Sector<br />

die Fliehkräfte, die in unserer<br />

Database; Moody’s; IMPLAN; US Bureau of Labor Statistics; FRED; McKinsey <strong>Global</strong> Institute analysis Gesellschaft angelegt sind, noch zu verstärken.<br />

Die Beschleunigung ist spürbar.<br />

Die Wellen des technischen Fortschritts<br />

erreichen uns in immer kürzeren Abständen.<br />

Geht uns die Arbeit aus?<br />

Die Digitalisierung ist eine dieser Wellen, <strong>und</strong> sie<br />

wirkt tief in alle Lebensbereiche hinein.“<br />

Was heißt das konkret? Das heißt, dass wir in eine Welt kommen,<br />

in der ein erheblicher Teil von Arbeit, die vorher von<br />

sozialversicherungspflichtig arbeitenden Menschen erledigt<br />

wurde, von intelligenten Maschinen erledigt wird.<br />

Damit lenkt Steinmeier den Blick auf einen zentralen Punkt,<br />

der in einer technischen Debatte oftmals zu kurz kommt: die<br />

gesellschafts- <strong>und</strong> ordnungspolitischen Folgen von Wandel.<br />

98 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


DIGITALISIERUNG<br />

Steinmeier nimmt die Prognosen ernst, die vor einer Polarisierung<br />

der Arbeitswelt warnen. Während die Löhne, Honorare<br />

<strong>und</strong> Gewinnbeteiligungen bei den Hochqualifizierten <strong>und</strong> den<br />

Hochflexiblen steigen, besteht die Gefahr, dass für weniger<br />

qualifizierte <strong>und</strong> weniger mobile Menschen am Ende weniger<br />

Arbeit bleibt. Wenn dieses Szenario eintritt, bleibt die Konsequenz<br />

nicht auf den Arbeitsmarkt beschränkt, sondern dann<br />

wird Zusammenhalt brüchig, <strong>und</strong> soziale Sorgen verwandeln<br />

sich in politischen Protest. Kurz gesagt: Gerechtigkeits- <strong>und</strong><br />

Verteilungsfragen werden vermutlich an Brisanz gewinnen.<br />

Das bleibt nicht ohne Folgen bei der Verteilung des Wohlstands.<br />

Nach Berechnungen des Deutschen Instituts für <strong>Wirtschaft</strong>sforschung<br />

(DIW) driften die Einkommen hierzulande seit der<br />

Wiedervereinigung spürbar auseinander: Die zehn Prozent mit<br />

dem höchsten Einkommen erwirtschaften demnach heute<br />

fast genauso viel wie die mittleren 40 Prozent. Für Unternehmensstrategien<br />

heißt das: Sie müssen sich entweder für das<br />

Luxussegment entscheiden, charakterisiert durch hohe Margen,<br />

aber auch durch kostenintensive Ansprüche der K<strong>und</strong>schaft<br />

an Individualisierung <strong>und</strong> Service. Oder sie gehen in den<br />

Massenmarkt, in dem die Gewinnspannen niedriger sind <strong>und</strong><br />

Kosteneffizienz entscheidet.“ Im oberen Segment bestehe<br />

die Gefahr einer Überschätzung der Wachstumschancen, im<br />

unteren könne es zu einer dauerhaften Abschmelzung der<br />

Preise bis hin zur Deflation kommen.<br />

Neue Ideen der sozialen Sicherung<br />

B<strong>und</strong>espräsident Steinmeier auf seiner Rede vor dem DGB-<br />

Kongress: „Wir müssen Digitalisierung so gestalten, dass<br />

sie Arbeit aufwertet <strong>und</strong> nicht ersetzt. Von Beginn an hat<br />

technologisch-mechanischer Fortschritt eines getan: Er hat<br />

dem Menschen Arbeit abgenommen – oft anstrengende <strong>und</strong><br />

gefährliche Arbeit übrigens – <strong>und</strong> Menschen haben andere<br />

Tätigkeiten übernommen. Vor der Industrialisierung, so sagten<br />

mir Arbeitsforscher, bestand Arbeit zu 95 Prozent aus physischer<br />

<strong>und</strong> zu fünf Prozent aus kognitiver Tätigkeit. Das Verhältnis<br />

hat sich schon gewaltig verschoben. Und Digitalisierung <strong>und</strong><br />

Automatisierung werden es vermutlich vollends umkehren.<br />

Was das für das Bild der Arbeit in Zukunft bedeutet, haben<br />

wir noch nicht in allen Dimensionen erfasst.“<br />

Konjunktur erhält das Thema durch die Debatte um bedingungsloses<br />

Gr<strong>und</strong>einkommen oder „Gr<strong>und</strong>sicherung“, wie es<br />

der B<strong>und</strong>esvorsitzende der Grünen Robert Habeck nennt. Am<br />

bedingungslosen Gr<strong>und</strong>einkommen scheiden sich die Geister.<br />

Befürworter glauben, dass es Arbeitnehmer motiviert <strong>und</strong> ihnen<br />

neue Freiheiten ermöglicht. Für die anderen ist es eine utopische<br />

Idee, die nicht bezahlbar sei <strong>und</strong> falsche Anreize setze. >><br />

Mehr Druck durch digitale Konkurrenz<br />

Unternehmen, die heute zu den digitalen Vorreitern gehören,<br />

sehen vor allem die K<strong>und</strong>en <strong>und</strong> neue Wettbewerber als<br />

wichtigste Treiber für die Digitalisierung.<br />

So antworten die digitalen Vorreiter<br />

6 %<br />

4 %<br />

Was treibt die Digitalisierung?<br />

Fast ein Drittel aller Unternehmen aus Maschinenbau,<br />

Automobil- <strong>und</strong> Elektroindustrie erwarten<br />

stärkeren Wettbewerb durch branchenfremde neue<br />

digitale Konkurrenz <strong>und</strong> IT-Unternehmen in ihrer<br />

Industrie.<br />

Woher erwarten Unternehmen den<br />

stärksten Druck?<br />

Digitale Wettbewerber,<br />

IT-Unternehmen<br />

29 %<br />

37 %<br />

49 %<br />

Wettbewerb durch<br />

bestehende Konkurrenten<br />

Regulatorische<br />

Anforderungen<br />

Wettbewerber aus der<br />

Automobilbranche<br />

4%<br />

K<strong>und</strong>enverhalten <strong>und</strong><br />

-anforderungen<br />

Neue Markteintritte <strong>und</strong> Wettbewerber<br />

aus neuen Industrien<br />

Andere Angaben<br />

Keine Angabe<br />

14 % 8 %<br />

Quelle: Ändern oder untergehen – eine Begegnung mit der Wertschöpfung<br />

von morgen (A.T. Kearney).<br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

99


AGENDA<br />

Arbeitsselbstständigkeit <strong>und</strong> -intensität der Arbeitnehmerinnen <strong>und</strong><br />

Arbeitnehmer <strong>und</strong> die Häufigkeit der Nutzung von IKT<br />

Index der Arbeitsselbstständigkeit<br />

85<br />

80<br />

75<br />

70<br />

65<br />

60<br />

55<br />

50<br />

45<br />

Telearbeit<br />

Gelegentliche<br />

Mobilität<br />

Geringe IKT-Nutzung<br />

Hohe Mobilität<br />

Telearbeit<br />

Immer in den Räumlichkeiten<br />

des Arbeitgebers<br />

Gelegentliche<br />

Mobilität<br />

Immer in den Räumlichkeiten<br />

des Arbeitgebers<br />

Hohe Mobilität<br />

Hohe IKT-Nutzung<br />

40<br />

20 25 30 35 40 45<br />

Index der Arbeitsintensität<br />

Quelle: Working anytime, anywhere: The effects on the world of work (ILO-Eurofo<strong>und</strong>, 2017).<br />

Für Richard David Precht geht es bei Fragen zur Zukunft der<br />

Arbeit aber nicht nur um Verteilungsgerechtigkeit, sondern<br />

auch um Sinnhaftigkeit. In einem Interview im Kulturmagazin<br />

„ttt“ sagte er: „Die Menschen fühlen sich völlig alleingelassen<br />

bei der Frage: Wie sieht das Leben in 20 Jahren aus?<br />

Es gibt überhaupt keine politische Erzählung darüber, es<br />

gibt nur technische Erzählungen. Wir müssen ein positives<br />

Menschenbild dagegensetzen. Wir müssen aus einer Welt<br />

rauskommen, in der wir Menschen für defizitäre Computer<br />

oder schlecht arbeitende Roboter halten.“<br />

ZUR PERSON<br />

Dr. Elmer Lenzen ist Geschäftsführer der macondo publishing<br />

GmbH <strong>und</strong> Herausgeber der <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Jahrbücher.<br />

Elmer Lenzens Themenschwerpunkte sind <strong>Wirtschaft</strong>spolitik<br />

<strong>und</strong> Nachhaltigkeit. So lehrte er darüber hinaus u. a. an der<br />

Universität Münster <strong>und</strong> ist auch als Referent <strong>und</strong> Moderator tätig.<br />

100 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


DIGITALISIERUNG<br />

Bedingungsloses<br />

Gr<strong>und</strong>einkommen<br />

Kenia:<br />

Bekämpfung der Armut durch Gr<strong>und</strong>einkommen<br />

Viele Dörfer in Kenia gehören zu den ärmsten Regionen<br />

Afrikas. Für eine wirkungsvolle Armutsbekämpfung<br />

setzt sich die amerikanische Organisation „GiveDirectly“<br />

ein. Mit einem monatlichen Gr<strong>und</strong>einkommen unterstützt<br />

sie bereits einzelne Dörfer. Die Menschen dort<br />

sind nicht mehr auf Tagesjobs angewiesen <strong>und</strong> können<br />

ihren eigentlichen Berufen nachgehen. Investitionen<br />

in Ackerland oder Viehzucht sind ebenfalls möglich.<br />

In <strong>2018</strong> beginnt ein Zwölf-Jahres-Projekt, in dem die<br />

Auswirkungen eines Gr<strong>und</strong>einkommens auf Beschäftigung,<br />

Bildung <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit erforscht werden sollen.<br />

Mehr als 21.000 Menschen in Kenia werden Zahlungen<br />

erhalten. Dabei sind sie der Organisation keine Rechenschaft<br />

über ihre Ausgaben schuldig. Give-Directly ist<br />

überzeugt, dass die Empfänger am besten wissen, wie<br />

sie das Geld sinnvoll verwenden.<br />

Finnland:<br />

Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt<br />

In 2017 hat in Finnland ein Projekt für das bedingungslose<br />

Gr<strong>und</strong>einkommen begonnen. R<strong>und</strong> 2.000<br />

Arbeitslose wurden vom Sozialversicherungsinstitut<br />

Kela ausgelost <strong>und</strong> erhalten monatlich 560 Euro. Die<br />

Testpersonen sollen so ermutigt werden, Arbeit in Teilzeit<br />

oder mit niedriger Bezahlung anzunehmen. Was<br />

auf den ersten Blick sinnvoll erscheint, ist gleichzeitig<br />

ein großer Kritikpunkt. Die Regierung kann Bürokratie<br />

abbauen <strong>und</strong> Kosten einsparen, während Arbeitslose<br />

schlecht bezahlte Jobs annehmen müssen. Doch die<br />

Erfahrungen der Testpersonen sind meist positiv. Einige<br />

orientieren sich beruflich neu, andere fühlen sich bei<br />

der Jobsuche nicht unter Druck gesetzt. Eine Zwischenbilanz<br />

zogen die Verantwortlichen bislang nicht. Das<br />

soll erst Ende <strong>2018</strong> mit dem Abschluss des Projekts<br />

erfolgen. Doch eine Fortsetzung oder gar Ausweitung<br />

über den Pilotprojektstatus ist mehr als ungewiss: So<br />

sagte die Chefin der Kela-Rechtsabteilung, Marjukka<br />

Turunen, gegenüber dem österreichischen Standard,<br />

der Ansatz sei eine „sehr negative Form, den Ball an<br />

die Arbeitslosen weiterzuspielen“. Turunen weiter:<br />

„Wir versuchen, das Gute aus dem Experiment <strong>und</strong><br />

dem darin enthaltenen Mechanismus herauszuholen<br />

<strong>und</strong> in die Reform einzubringen.“<br />

Schweiz:<br />

Gr<strong>und</strong>einkommen immer noch Top-Thema<br />

Im Juni 2016 hat die Schweiz über ein bedingungsloses<br />

Gr<strong>und</strong>einkommen abgestimmt. Mit 76,9 Prozent wurde<br />

es mehrheitlich abgelehnt. Knapp zwei Jahre später<br />

gehen jedoch 69 Prozent der Schweizer davon aus, dass<br />

es noch eine weitere Abstimmung geben wird – das<br />

Thema ist also noch nicht vom Tisch. Die Initiative<br />

„Dein Gr<strong>und</strong>einkommen“ plant derzeit einen Versuch<br />

mit mehreren h<strong>und</strong>ert Personen. Über zwei Jahre hinweg<br />

sollen sie ein Gr<strong>und</strong>einkommen erhalten. Die<br />

Filmemacherin Rebecca Panian rief im Januar <strong>2018</strong> zu<br />

einem weiteren Experiment auf: In einem Schweizer<br />

Dorf will sie testen, wie sich ein Gr<strong>und</strong>einkommen<br />

auf zwischenmenschliches Verhalten <strong>und</strong> den lokalen<br />

<strong>Wirtschaft</strong>skreislauf auswirkt. Darüber will sie einen<br />

Dokumentarfilm drehen. „Mir ist bewusst, dass es nach<br />

einem irren Vorhaben klingen mag. Ich bin aber davon<br />

überzeugt, dass das Experiment finanziert werden kann,<br />

wenn sich ein Dorf meldet“, verspricht Panian.<br />

<strong>Deutschland</strong>:<br />

Die Liebe zum Job neu entdecken<br />

Bei der deutschen Initiative „Mein Gr<strong>und</strong>einkommen“<br />

erhalten „Lotterie-Gewinner“ für den Zeitraum von einem<br />

Jahr eine monatliche Zahlung von 1.000 Euro. Per<br />

Crowdf<strong>und</strong>ing sammelt die Initiative das Geld. Sobald<br />

12.000 Euro zusammengekommen sind, werden sie an<br />

eine Person, die sich zuvor darauf beworben hat, verlost.<br />

Michael Bohmeyer startete das Projekt 2014 – seitdem<br />

haben 150 Menschen ein Jahresgr<strong>und</strong>einkommen erhalten.<br />

Doch wie wirkt sich das aus? Die Gewinner erhalten<br />

finanzielle Sicherheit. Außerdem berichten sie, dass<br />

sie ihren Job neu lieben gelernt haben, produktiver<br />

geworden sind <strong>und</strong> weniger Stress haben. Die Veränderungen<br />

bemerkt auch Bohmeyer: „Nach einem Jahr<br />

Gr<strong>und</strong>einkommen stehen selbstbewusste, reflektierte<br />

<strong>und</strong> ges<strong>und</strong>e Menschen vor mir, die umsichtig mit<br />

anderen umgehen. Die Gemeinschaft hat ihnen einen<br />

Vertrauensvorschuss ausgezahlt <strong>und</strong> sie haben ihn in<br />

Selbstvertrauen umgewandelt.“<br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

101


Standpunkt<br />

Deutsche<br />

wünschen<br />

sich von<br />

Unternehmen<br />

eine klare<br />

politische<br />

Haltung<br />

ÜBER DIE EXPERTIN<br />

Susanne Marell ist Geschäftsführerin bei der<br />

Agentur JP Kom <strong>und</strong> dort verantwortlich für<br />

die Bereiche Human Resources <strong>und</strong> Neugeschäft.<br />

Marell kommt von Edelman.ergo. Dort hat sie in<br />

den vergangenen sechs Jahren als <strong>Deutschland</strong>-<br />

CEO die Transformation zu einem integrierten<br />

Kommunikationsanbieter vorangetrieben. Davor<br />

war Marell u. a. Vice President Corporate Brand Management<br />

bei BASF <strong>und</strong> Vice President Corporate Communications bei dem<br />

Spezialchemieunternehmen Cognis.<br />

Im Gespräch mit Susanne Marell,<br />

Expertin für Reputation <strong>und</strong> Medien<br />

Unsere Gesellschaft beruht auf geteilten Werten <strong>und</strong> Vertrauen. Bei beidem<br />

gibt es sichtbare Risse. Sie beschäftigen sich beruflich mit dem Thema<br />

Reputation. Wie sieht die Entwicklung hierzulande <strong>und</strong> weltweit aus?<br />

Digitalisierung, <strong>Global</strong>isierung, Migration, Klimaschutz <strong>und</strong><br />

demografischer Wandel sind die zentralen Stichworte unserer<br />

Gegenwart. Weltweit verschieben sich politische Machtverhältnisse,<br />

wir sehen eine Polarisierung der Gesellschaft in<br />

sozialen <strong>und</strong> kulturellen Themen. All dies führt zu einer<br />

hohen Verunsicherung, Menschen haben das Gefühl, die<br />

Kontrolle über ihr eigenes Leben zu verlieren <strong>und</strong> fühlen<br />

sich abgehängt. Die Folge sind erhebliche Vertrauensverluste<br />

in systemrelevante Institutionen wie z.B. Politik, <strong>Wirtschaft</strong>,<br />

Medien <strong>und</strong> auch NGOs. Trump, Brexit, das Erstarken von<br />

populistischen Parteien – überall auf der Welt sehen wir<br />

die Folgen.<br />

Vertrauensstudien zeigen, dass gerade in den letzten 12 bis<br />

18 Monaten in der Mehrheit der befragten Länder signifikante<br />

Vertrauensverluste in öffentliche Institutionen zu<br />

verzeichnen sind. <strong>Deutschland</strong> wies in den vergangenen<br />

Jahren im weltweiten Vergleich eher stabile Vertrauenswerte<br />

in <strong>Wirtschaft</strong>, Politik, Medien <strong>und</strong> NGOs auf, wenn auch auf<br />

niedrigerem Niveau als andere Länder wie z.B. die Niederlande,<br />

Kanada oder Hongkong. Angesichts der aktuellen Debatten<br />

in <strong>Deutschland</strong> um Migration, Rechtspopulismus <strong>und</strong> auch<br />

Koalitionsmüdigkeit kann man davon ausgehen, dass diese<br />

Werte aktuell im Sinkflug sind.<br />

Woher kommt der Vertrauensverlust?<br />

Die beschriebenen gesellschaftlichen Veränderungen sind<br />

ein wesentlicher Treiber des Vertrauensverlustes. Verstärkt<br />

wird dies durch das weltweite Phänomen Fake News. Fake<br />

News im eigentlichen Sinne gibt es zwar schon so lange, wie<br />

es Menschen auf dieser Erde gibt, aber durch die Digitalisierung<br />

<strong>und</strong> Technologien wie Social Bots <strong>und</strong> Co. scheinen die<br />

Möglichkeiten <strong>und</strong> Ausmaße unbegrenzt: Beeinflussung von<br />

Wahlen, gezielte Verleumdungskampagnen, Hate Speech<br />

– jeden Tag gibt es neue Beispiele. Fake News wirken wie<br />

Brandbeschleuniger <strong>und</strong> treiben Vertrauenswerte noch<br />

weiter nach unten: Wem kann ich überhaupt noch glauben?<br />

102 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


Woran erkenne ich Fake News? Wer wird von wem bezahlt,<br />

um Falschmeldungen in die Welt zu setzen?<br />

Reden wir über die Treiber! „Klassische“ Medien spielen bei der Meinungsbildung<br />

eine immer geringere Rolle. Was heizt so etwas an?<br />

Digitalisierung <strong>und</strong> <strong>Global</strong>isierung haben die Meinungsbildungsprozesse<br />

in den letzten Jahren komplett verändert.<br />

Suchmaschinen, Social-Media-Kanäle, News-Apps, Influencer<br />

<strong>und</strong> auch Marken generieren Inhalte, nehmen Stellung, beeinflussen<br />

Erwartungen <strong>und</strong> Meinungen. Klassische Medien<br />

haben ihre Vormachtstellung verloren. Mehr denn je bewegt<br />

sich jeder in seiner eigenen kommunikativen Filterblase <strong>und</strong><br />

orientiert sich zumeist daran, was die eigene Meinung bestätigt.<br />

Abweichende Meinungen werden tendenziell ignoriert.<br />

Zudem manifestiert sich der Eindruck, dass die etablierte<br />

Presse in <strong>Deutschland</strong> nicht das gesamte Meinungsspektrum<br />

widerspiegelt, sondern zumeist linksliberale Positionen<br />

vertritt. Gabor Steingart schreibt dazu treffend: „Wir schreiben<br />

aus der Altbauwohnung mit Stuckdecke über die im<br />

Plattenbau mit Graffiti – oft herablassend <strong>und</strong> belehrend,<br />

zuweilen mitleidslos.“<br />

Vielerorts entsteht auch Politik- <strong>und</strong> Elitenverdrossenheit. Haben sich<br />

die Gruppen auseinandergelebt?<br />

Eindeutig ja. Politik- <strong>und</strong> Elitenverdrossenheit ist in der<br />

Mitte der Bevölkerung angekommen. Die spürbare Polarisierung<br />

der Gesellschaft findet in sozialen, kulturellen <strong>und</strong><br />

digitalen Dimensionen statt. Es ist ja auch Fakt, dass sehr<br />

unterschiedlich am Wachstum partizipiert wurde. Jemand,<br />

der zum Beispiel zwei Jobs braucht, um die Gr<strong>und</strong>versorgung<br />

der Familie sicherzustellen, muss sich zwangsläufig als Verlierer<br />

von <strong>Global</strong>isierung <strong>und</strong> Digitalisierung fühlen. Über<br />

Jahrzehnte stand die Mitte der deutschen Bevölkerung für<br />

Stabilität <strong>und</strong> Zukunftsoptimismus. Das ist jetzt vorbei – sehr<br />

deutlich ablesbar auch an den hohen Wählerabgängen der<br />

sogenannten Volksparteien. Die Gesellschaft ist gespalten –<br />

in vermeintliche Gewinner <strong>und</strong> Verlierer.<br />

Wem kann man denn heutzutage noch vertrauen? Wenn traditionelle<br />

Vertrauenspersonen im Sinkflug sind, müssen ja andere aufsteigen …<br />

In verschiedenen Studien konnte man über Jahre beobachten,<br />

dass „Personen wie du <strong>und</strong> ich“, also Familie, Fre<strong>und</strong>e<br />

<strong>und</strong> gute Bekannte, gerade in <strong>Deutschland</strong> hohes Vertrauen<br />

genießen, wenn es um Meinungsbildung <strong>und</strong> Konsumentscheidungen<br />

geht. Deutlich vor Experten aus Wissenschaft<br />

<strong>und</strong> <strong>Wirtschaft</strong>. CEOs, Aufsichtsräte <strong>und</strong> politische Vertreter<br />

waren zumeist am unteren Ende der Vertrauensskala zu finden.<br />

Getriggert durch die hohe Verunsicherung <strong>und</strong> durch<br />

das Phänomen Fake News kommt es jetzt zu einer Umkehr.<br />

Man sucht regelrecht wieder nach Fachleuten, die komplexe<br />

Themen <strong>und</strong> Entwicklungen einordnen <strong>und</strong> erläutern<br />

können. Die Gruppe der Experten wies <strong>2018</strong> die höchsten<br />

Vertrauenszugewinne aus.<br />

Die <strong>Wirtschaft</strong> wird von vielen Menschen als wichtigster Akteur bei<br />

Innovationsfragen angesehen <strong>und</strong> auch als Change Agent bei gesellschaftlichem<br />

Wandel. Müssen CEOs unsere postfaktische Welt retten?<br />

Auf jeden Fall wird der deutschen <strong>Wirtschaft</strong> <strong>und</strong> damit den<br />

CEOs zugetraut, dass sie Lösungen für gesellschaftspolitische<br />

Themen vorantreiben können. Jeder dritte Deutsche wünscht<br />

sich von Unternehmen eine klare politische Haltung in<br />

der Öffentlichkeit [Studie von JP I KOM & Civey, September<br />

<strong>2018</strong>, Anm. d. Red.]. Vor allem Deutsche zwischen 18 <strong>und</strong><br />

49 Jahren befürworten dies. Insgesamt ist die Gesellschaft zu<br />

dieser Frage allerdings gespalten, <strong>und</strong> die Einstellung dazu<br />

ist in erster Linie durch die politische Haltung definiert:<br />

Personen, die sich politisch der SPD, den Grünen <strong>und</strong> den<br />

Linken zuordnen, sind eher für politisch aktive Unternehmen,<br />

CDU- <strong>und</strong> FDP-Wähler sprechen sich für neutrale Haltungen<br />

aus <strong>und</strong> fast 80 Prozent der AfD-Wähler lehnen es sogar ab.<br />

Dabei ist das Aktionsfeld für Unternehmen natürlich riesig:<br />

von Integrationsmaßnahmen für Zuwanderer über eine<br />

klare Positionierung im Rahmen der öffentlichen Debatte<br />

um Rechtspopulismus bis hin zur Mitgestaltung eines<br />

zukunftsfähigen Konzeptes der Sozialen Marktwirtschaft.<br />

Allein schon im wirtschaftlichen Interesse der Unternehmen<br />

ist gesellschaftspolitisches Handeln gefragt. Steigende technologische<br />

Effizienz bedeutet auch sinkende Kaufkraft für<br />

verschiedene Bevölkerungsgruppen. Und wer kauft zukünftig<br />

dann die Produkte <strong>und</strong> Leistungen der Unternehmen?<br />

Die Erwartungen an die <strong>Wirtschaft</strong> sind riesig – Unternehmen sollen<br />

den Klimawandel stoppen, die wachsende Weltbevölkerung in Lohn<br />

<strong>und</strong> Brot bringen, nur Gutes produzieren <strong>und</strong> überall da einspringen,<br />

wo der Staat versagt oder fehlt. An so einem Erwartungshorizont kann<br />

man doch nur scheitern, oder?<br />

Die Erwartungshaltung scheint enorm; <strong>und</strong> die <strong>Wirtschaft</strong><br />

kann natürlich nicht alle Probleme des 21. Jahrh<strong>und</strong>erts allein<br />

lösen. Ein effizientes <strong>und</strong> zugleich kreatives Zusammenspiel<br />

von Politik, <strong>Wirtschaft</strong>, Wissenschaft <strong>und</strong> NGOs ist erforderlich.<br />

Mir ist bewusst, dass sich das anhört wie die Quadratur<br />

des Kreises. Aus <strong>Wirtschaft</strong>ssicht würde ich aber zunächst<br />

einmal das Positive hinter der hohen Erwartungshaltung<br />

sehen, nämlich das Vertrauen in die Gestaltungskraft <strong>und</strong><br />

den -willen von Unternehmen in <strong>Deutschland</strong>.<br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

103


AGENDA<br />

3<br />

Kooperation<br />

statt<br />

Konkurrenz<br />

New Spaces for<br />

Collective Impact,<br />

Beyond Buying<br />

and Selling<br />

Raymond Saner and Lichia Yiu argue that,<br />

despite worrying times, initiatives such as the<br />

Sustainable Development Goals, responsible<br />

business conduct, and business diplomacy<br />

management can provide a winning formula<br />

for shared prosperity.<br />

We easily get overwhelmed today by bad news that ranges<br />

from terrorist attacks and desperate mass migration to deepseated<br />

corruption in business and politics. It is easy to begin<br />

feeling powerless, hopeless, and helpless. Consequently, we are<br />

tempted to become cynical about our political and economic<br />

systems and their leadership.<br />

Although it is true that we are witnessing a worrisome state<br />

of affairs, we should also focus our attention on good news.<br />

There are a good number of promising developments that<br />

we should include in our assessment of world affairs. These<br />

new developments also require innovative responses from<br />

the corporate world to step up to the challenge and make the<br />

world a better place.<br />

GLOBAL TREND 1: Sustainable Development Goals<br />

After two years of intense and difficult negotiations, 193 countries<br />

signed up to the Sustainable Development Goals (SDG)<br />

in September 2015 in New York. World leaders pledged their<br />

commitment to the 17 SDGs – including ending extreme<br />

poverty, fixing climate change, and fighting inequality and<br />

injustice – in a bid to attain an equitable, more prosperous, and<br />

sustainable world for all. The SGDs are intended to stimulate<br />

sustainable and equitable growth during the next 15 years in<br />

areas of critical importance. They are based on an integrated<br />

development approach consisting of three interconnected<br />

dimensions (economic, social, and environmental sustainability).<br />

In order to achieve these goals, structural economic<br />

transformation is needed in order to support the transition<br />

to a green and sustainable economy.<br />

According to the Council of the European Union, this framework<br />

should “consist of a single set of clear goals, which are<br />

ambitious, evidence-based, achievable, action-oriented, limited<br />

in number, and easy to communicate, with measurable targets<br />

and indicators which are both qualitative and quantitative and<br />

which should be reviewed and monitored to ensure transparency<br />

and accountability.” To turn these ambitious goals into<br />

reality by 2030, countries need to work together to build the<br />

practical tools that enable them to opt for a multidimensional<br />

approach to the challenges and opportunities spurred by this<br />

commitment. This means simultaneously targeting multiple<br />

policy objectives (sustainability, equity, growth, and well-being<br />

as a whole); taking a cross-cutting and integrative view rather<br />

than using sector-based lenses to analyze competing challenges<br />

and their drivers; and considering compatibilities and<br />

complementarities between different policy options.<br />

As one of the crucial pillars of modern society, business is<br />

expected to do its part in implementing this transformative<br />

104 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


DIGITALISIERUNG<br />

agenda. The process of arriving at the 2030 Agenda for Sustainable<br />

Development was led by UN Member States with<br />

broad participation from civil society stakeholders. It was a<br />

unique <strong>und</strong>ertaking of intense bargaining and determination<br />

by h<strong>und</strong>reds of parties – governments, business, and civil<br />

society – from all over the world. Of particular importance<br />

for business is SDG 17 and its subordinate targets 17.16 and<br />

17.17, which state:<br />

17.16 Enhance the global partnership for sustainable development,<br />

complemented by multi-stakeholder partnerships that mobilize and<br />

share knowledge, expertise, technology and financial resources, to<br />

support the achievement of the SDGs in all countries, in particular<br />

developing countries.<br />

17.17 Encourage and promote effective public, public-private and<br />

civil society partnerships, building on the experience and resourcing<br />

strategies of partnerships.<br />

BUSINESS DIPLOMACY MANAGE-<br />

MENT AREAS OF ACTIVITY<br />

• Participating in cross-sectoral social interactions with<br />

local and international NGOs and CSOs (including CSR<br />

projects, the UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong>, and public–private–<br />

social partnerships)<br />

• The joining of state and non-state actors in international<br />

negotiations to ensure the successful inclusion of defensive<br />

and offensive business objectives (such as freetrade<br />

agreements, regional trade agreements, bilateral<br />

investment agreements, and multilateral environmental<br />

agreements)<br />

• Influencing standard-setting organizations to ensure<br />

inclusion of a multinational’s core business activities, including<br />

patents and intellectual property, labor standards,<br />

OECD Guidelines, and OECD tax and financial accounting<br />

requirements<br />

• Building non-business social networks for engagement<br />

and outreach<br />

• Internal briefing on the public perception of the corporate<br />

image and demands for benefits-sharing<br />

As a partner in achieving these SDGs, companies – large or<br />

small, transnational or local – are invited to develop collaborative<br />

relationships with non-business stakeholders embedded<br />

in the same spatial system to achieve collective impact and<br />

sustainability of the local structure. Business diplomacy is<br />

the management function that liaises between the strategic<br />

objectives of the company and the social and environmental<br />

demands of the community. A new space for such collective<br />

impact, beyond buying and selling, needs to be co-created by<br />

effective intervention through business diplomacy.<br />

GLOBAL TREND 2: Responsible business conduct<br />

Many enterprises in industrialized countries have embraced<br />

corporate social responsibility (CSR) since the late 1990s.<br />

Besides pledging their commitments through the UN <strong>Global</strong><br />

<strong>Compact</strong> or other alliances, companies have implemented<br />

many projects to help their fellow citizens improve their<br />

precarious circumstances, particularly those communities and<br />

people suffering from handicaps of all sorts, or who are in<br />

disadvantaged positions not of their own choosing (e.g., ethnic<br />

or religious minorities, women being discriminated against,<br />

or children suffering from poverty and learning disabilities).<br />

Many CSR projects are very laudable and have achieved their<br />

stated objectives. However, even the best CSR projects might be<br />

scrapped for short-term gains (cost-cutting to increase profits,<br />

for example). What is needed is a corporate environment that<br />

encourages sustained good business behavior, discourages opportunistic<br />

short-cuts, and reinforces good corporate citizenship.<br />

Such an environment has been created through the OECD<br />

Guidelines on responsible business conduct, which are the<br />

first intergovernmental instrument to hold enterprises to account<br />

for their overall management decisions. The Guidelines<br />

integrate the second pillar of the UN framework on business<br />

and human rights into their business code of responsible<br />

conduct. The OECD Guidelines are also the first to adopt the<br />

UN Guiding Principles’ concept of risk-based due >><br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

105


AGENDA<br />

erspektiven Die Perspektiven werden kurzfristiger werden kurzfristiger<br />

ktische Bedeutung Die praktische des Langzeitdenkens Bedeutung des nimmt Langzeitdenkens nimmt<br />

ab. Die Strategiezyklen rasant ab. Die haben Strategiezyklen sich in den vergangenen<br />

haben sich in den vergangenen<br />

ahren um 42 zehn Prozent Jahren verkürzt. um 42 Prozent verkürzt.<br />

von Strategiezyklen Dauer von heute Strategiezyklen heute<br />

Nur die Minderheit Nur die hat Minderheit einen fertigen hat einen Planfertigen<br />

Zwar erwarten vier Fünftel Zwar erwarten aller Unternehmen vier Fünftel starke aller Unternehmen starke<br />

Umwälzungen, aber Umwälzungen, nur eine kleine Minderheit aber nur eine von kleine knapp Minderheit von knapp<br />

vier Prozent der Unternehmen vier Prozent aus der Maschinenbau, Unternehmen Automobil- aus Maschinenbau, Automo<br />

<strong>und</strong> Elektroindustrie <strong>und</strong> hat bereits Elektroindustrie einen fertig hat ausgearbeiteten bereits einen fertig Plan ausgearbeitet<br />

für die digitale Zukunft. für die digitale Zukunft.<br />

Wie gut sind Sie auf Wie Wandel gut sind vorbereitet? Sie auf Wandel vorbereitet?<br />

länger als<br />

5 Jahre<br />

6 %<br />

länger als<br />

5 Jahre<br />

6 %<br />

4 %<br />

Sehr gut<br />

4 %<br />

Sehr gut<br />

51 %<br />

51 %<br />

Gut<br />

ind adhoc oder<br />

kürzer als 5<br />

Jahre<br />

94 %<br />

Sind adhoc oder<br />

kürzer als 5<br />

Jahre<br />

94 %<br />

1 %<br />

24 %<br />

Kaum, gar nicht 1 %<br />

Weniger 24 % gut<br />

Kaum, gar nicht<br />

Weniger gut<br />

onalkostenanteil Personalkostenanteil sinkt weiter sinkt weiter<br />

pffaktor „menschliche Schrumpffaktor Arbeitskraft“: „menschliche Der Anteil Arbeitskraft“: der Der Anteil der<br />

alkosten an Personalkosten den Gesamtkosten an den hat sich Gesamtkosten in vielen hat sich in vielen<br />

en signifikant Branchen reduziert. signifikant reduziert.<br />

Der große Siegeszug Der große des Siegeszug 3D-Druckers des 3D-Drucker<br />

Immer günstiger, immer Immer vielfältiger, günstiger, immer verbreiteter: vielfältiger, immer verbreiteter:<br />

Additive Fertigungstechnologien Additive Fertigungstechnologien – wie z. B. 3D-Druck – werden wie z. B. 3D-Druck – we<br />

sich unaufhaltsam durchsetzen. sich unaufhaltsam durchsetzen.<br />

alkostenanteil Personalkostenanteil gestern / heute gestern / heute<br />

Vor 10 Jahren Heute Vor 10 Jahren Heute<br />

etallerzeugnisse Metallerzeugnisse<br />

29 % 2229 %% 22 %<br />

aschinenbau Maschinenbau 16 % 1016 % % 10 %<br />

lektrische<br />

usrüstung<br />

Elektrische<br />

Ausrüstung 18 % 1518 % % 15 %<br />

raftwagen <strong>und</strong><br />

raftwagenteile<br />

Kraftwagen <strong>und</strong><br />

Kraftwagenteile 14 % 1214 % % 12 %<br />

Kostenentwicklung Kostenentwicklung <strong>und</strong> Verbreitung <strong>und</strong> Verbreitung<br />

Kostenindex<br />

Anzahl der<br />

Technologien<br />

Kostenindex<br />

Anzahl der<br />

Installierte Technologien Basis<br />

2010<br />

2020<br />

100 % 2010<br />

53 % 2020<br />

5100 %<br />

153 %<br />

23.000 5<br />

2.500 15000<br />

2030 28 % 2030 3028 % 100.000.000 30<br />

Installiert<br />

23.0<br />

2.500<br />

100.000<br />

st vor abnehmender<br />

Angst vor abnehmender<br />

bewerbsfähigkeit Wettbewerbsfähigkeit<br />

isse Zukunft: Ungewisse Die Entwicklungen Zukunft: Die beunruhigen, Entwicklungen beunruhigen,<br />

en traditionellen unter Unternehmen den traditionellen schauen Unternehmen selbst schauen selbst<br />

italen Vorreiter die skeptisch digitalen Vorreiter voraus. skeptisch voraus.<br />

Große Veränderungen, Große Veränderungen, großer großer<br />

Widerstand? Widerstand?<br />

Die meisten Unternehmen Die meisten erwarten Unternehmen tiefgreifende erwarten Veränderungen tiefgreifende Verände<br />

– <strong>und</strong> rechnen vor allem – <strong>und</strong> mit rechnen verstärktem vor allem Widerstand mit verstärktem der Widerstand der<br />

Beschäftigten gegen Beschäftigten den Wandel. gegen den Wandel.<br />

e Marktposition Welche erwarten Marktposition Sie für sich? erwarten Sie für sich?<br />

7 % 37 % 12 10 12 % 10 %<br />

en, dass sie ihren glauben, dass sie ihren<br />

glauben, dass sie<br />

ttbewerbsvorteilWettbewerbsvorteil<br />

den Wandel<br />

rlieren werden verlieren werden<br />

möglicherweise<br />

nicht überstehen<br />

glauben, dass sie<br />

sie Marktführer<br />

den Wandel<br />

möglicherweise<br />

bleiben<br />

nicht überstehen<br />

glauben, dass<br />

sie Marktführer<br />

bleiben<br />

Wer rechnet<br />

mit starken<br />

Veränderungen?<br />

80 %<br />

der<br />

Unternehmen<br />

Quelle: Ändern oder untergehen – eine Begegnung mit der Wertschöpfung<br />

von morgen (A.T. Kearney).<br />

Wer rechnet<br />

Wo mit erwarten starken<br />

Sie Veränderungen?<br />

Probleme?<br />

Wo erwarten<br />

Sie Probleme?<br />

Widerstand<br />

47 Mitarbeiter<br />

47 %<br />

38 Prozesse /<br />

Systeme<br />

38 %<br />

80 %<br />

18 % K<strong>und</strong>en 18 % K<strong>und</strong>en<br />

der<br />

16 Unternehmen<br />

% Lieferanten16 % Lieferanten<br />

Prozesse /<br />

Systeme<br />

5 % Qualifikation der 5 % Mitarbeiter Qualifikation der Mitarbeiter<br />

Wider<br />

Mitarb<br />

106 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


DIGITALISIERUNG<br />

diligence for human rights impacts and extend it to all major<br />

areas of business ethics, according to Professor John G. Ruggie,<br />

Special Representative of the UN Secretary-General for Business<br />

and Human Rights.<br />

In addition, the OECD Guidelines are the most comprehensive<br />

set of government-backed recommendations on responsible<br />

business conduct in existence today. The governments that<br />

adhere to these Guidelines aim to encourage the positive contributions<br />

that multinationals can make toward sustainable<br />

development and to minimize the difficulties their operations<br />

may produce.<br />

Multinational enterprises operating in or from compliant<br />

countries need to comply with this set of recommendations<br />

on responsible business conduct. Representatives of business,<br />

trade unions, and nongovernmental organizations participate<br />

in this process through the OECD Business Industry and<br />

Advisory Committee, the OECD Trade Union Advisory Committee,<br />

and OECD Watch. In other words, the Guidelines are<br />

implemented by the signatory governments with support<br />

from the representatives of three main stakeholders in the<br />

economy and society, namely, governments, business associations,<br />

and labor unions.<br />

The Guidelines are part of the 1976 OECD Declaration on International<br />

Investment and Multinational Enterprises, a policy<br />

commitment from compliant governments to provide an open<br />

and transparent environment for international investment, as<br />

well as an environment to encourage positive contributions<br />

from multinationals to further economic and social progress.<br />

The Guidelines aim at balancing an open investment climate<br />

coupled with responsible conduct by enterprises.<br />

Compliant countries are obliged to set up National Contact<br />

Points to further the effectiveness of the Guidelines by <strong>und</strong>ertaking<br />

promotional activities, handling inquiries, and<br />

providing mediation and conciliation platforms for resolving<br />

issues. This makes the Guidelines the only international<br />

corporate responsibility instrument with a built-in grievance<br />

mechanism. 34 OECD countries and 12 non-OECD countries<br />

now subscribe to the Guidelines, and more are planning to join<br />

and align their enterprises with basic sustainable principles<br />

of good corporate conduct.<br />

Like the SDGs, the OECD Guidelines are non-binding and<br />

voluntary, but they carry the power of conviction and scope,<br />

which makes them uniquely important for the future of our<br />

economies and societies.<br />

GLOBAL TREND 3: Business diplomacy management<br />

Implementing the 17 SDGs and the 11 articles of the OECD<br />

Guidelines cannot be achieved through a “business as usual”<br />

approach. How to implement such broad and deep commitments<br />

requires the ability to engage external counterparts<br />

constructively and – equally importantly – the ability to<br />

convince actors within enterprises to agree to implement such<br />

a code of conduct and form partnerships with non-business<br />

counterparts.<br />

Business diplomats are best qualified to meet these complex<br />

and important business challenges and relationships and to<br />

nurture a business culture that supports, leads, and inspires<br />

multinationals to orient their business policies and activities<br />

toward an overall balance of diverse business objectives,<br />

while at the same time respecting codes of conduct such as<br />

the OECD Guidelines and contributing – to the best of their<br />

abilities – toward helping society achieve the SDGs, particularly<br />

SDG 17. These objectives and obligations are sometimes in<br />

opposition with each other, and at other times they coalesce<br />

toward achieving a sustained business that is based on publicly<br />

agreed criteria of good conduct.<br />

Multinational enterprises have to ensure a delicate balance<br />

between wealth creation and social engagement – in other<br />

words, moving from “business as usual” to “business with<br />

ethics,” and from being a corporate “raider” to becoming<br />

a corporate “resident.” This is the operational space within<br />

which business diplomats can play an important strategic role<br />

in establishing a collaborative relationship with the communities<br />

where multinational operations are being conducted.<br />

Business diplomats will need to help their multinationals to<br />

navigate between defending their legitimate interests while<br />

also helping them to address the legitimate concerns of nonbusiness<br />

stakeholders. Discovering how to facilitate this new<br />

model of conducting international business that is based on a<br />

form of social contract will be crucial for social sustainability,<br />

and eventually for the bottom line. However, this needs to be<br />

designed and implemented without jeopardizing the multinationals’<br />

business f<strong>und</strong>amentals or disregarding the equally<br />

legitimate expectations of a return on investment. This balancing<br />

act requires a new set of competences that are normally<br />

not part of the toolbox of a traditional business executive.<br />

Business diplomacy management (BDM) pertains to the strategic<br />

management of interfaces between an enterprise and its<br />

external non-business counterparts (NGOs, CSOs, international<br />

organizations, and national and local governments) that have<br />

an impact on its reputational capital and license to operate.<br />

BDM functions to strengthen an enterprise’s ability to shape<br />

and influence its operational environment and to foster an<br />

internal narrative supportive of constructive interchange with<br />

that environment. BDM is particularly suited to deal with the<br />

compliance and also complaints concerning the OECD Guideline.<br />

The General Policies are the core guiding principles of<br />

the Guidelines and are listed in the box.<br />

In total, there are 17 General Policies that multinationals should<br />

take fully into account in the countries in which they operate<br />

and in the areas where they should consider the views of other<br />

stakeholders. Of the 17 General Polices, there are 15 “should”<br />

(mandatory) and 2 “encouraged” (optional) policies. Seen from<br />

the BDM perspective, 11 of the 17 policies fall very much<br />

within the domain of business diplomacy competence. >><br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

107


AGENDA<br />

Standpunkt<br />

Conclusion<br />

As noted above, the world is facing a multitude of challenges<br />

that, at times, look bleak and difficult to overcome by conventional<br />

means. There is indeed a need for new thinking and<br />

new solutions. The SDGs and the OECD Guidelines offer a great<br />

opportunity for the business community to overcome the current<br />

impasses and crises through socioeconomic innovations.<br />

In order to grasp these opportunities, business needs support<br />

from “business diplomats” to transcend narrow mindsets<br />

and old paradigms. To meet the sustainability challenges<br />

facing mankind, the production of goods and services needs<br />

to become sustainable. With its competence in organization<br />

and management, business can aim higher to become the<br />

catalyst and partner in making our societies more equitable,<br />

inclusive, participatory, and caring. This is possible if a designated<br />

actor within the corporation focuses on mitigating<br />

conflicting priorities and imperatives while bringing internal<br />

and external stakeholders to the table to find novel solutions<br />

and approaches to conduct business and foster partnerships.<br />

This is possible if we fully support the SDGs, stick to the<br />

OECD Guidelines, and use business diplomacy to reach out<br />

to non-business stakeholders – the democratic majority and<br />

potential consumers.<br />

ÜBER DIE AUTORIN<br />

Saori Dubourg ist Mitglied des Vorstands der<br />

BASF SE, verantwortlich für die Bereiche Agricultural<br />

Solutions, Construction Chemicals <strong>und</strong> Bioscience<br />

Research sowie die Region Europa.<br />

ABOUT THE AUTHORS<br />

Raymond Saner is Titular professor at Basle University (Economics<br />

Department) and teaches at Sciences Po, Paris (Master in Public<br />

Affairs), and at Luneburg University (Sustainability Management).<br />

He was Chair of the Advisory Council to the Board of Governors<br />

of the Academy of Management. His current research focuses on<br />

the Sustainable Development Goals, public-private and civil society<br />

partnerships, and public governance.<br />

Lichia Yiu is President of the Centre for Socio-Eco-Nomic Development<br />

in Geneva, a research and development NGO fo<strong>und</strong>ed in 1993.<br />

She was a member of the Executive Committee of the Management<br />

Education and Development Division, Academy of Management.<br />

Her current research focuses on monitoring the 2030 Agenda for<br />

Sustainable Development, ROI on human capital development,<br />

and institutional learning and diffusion.<br />

108 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


„Es bedarf einer<br />

gemeinsamen Haltung,<br />

wie wir das Maß der Dinge<br />

in Zukunft bestimmen.“<br />

Transformation, digital wie auch<br />

politisch, bestimmt unsere Zeit. Für<br />

Saori Dubourg aus dem BASF-Vorstand<br />

heißt das: mehr Dialog, mehr Kooperation,<br />

aber auch mehr Optimismus.<br />

Wir dokumentieren einen Auszug ihrer<br />

wichtigsten Positionen.<br />

Saori Dubourg, Vorstandsmitglied der<br />

BASF SE <strong>und</strong> Managerin des Jahres<br />

2017, bestätigte in ihrer Keynote bei<br />

der Teilnehmerkonferenz des DGCN<br />

die Notwendigkeit einer gr<strong>und</strong>legenden<br />

Transformation. Aus ihrer Sicht<br />

sind dabei Lösungsorientierung <strong>und</strong><br />

Optimismus genauso wichtig wie eine<br />

smarte Ressourcennutzung als Treiber<br />

neuer Geschäftsmodelle. Es geht nicht<br />

um die Frage: „Wie können wir mehr<br />

erreichen?“, sondern vielmehr darum<br />

zu fragen: „Wie können wir es cleverer<br />

machen?“<br />

„Ich glaube, einer der Hauptunterschiede<br />

der heutigen Digitalisierung<br />

im Vergleich zur ersten industriellen<br />

Revolution Anfang des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

ist, dass wir es diesmal mit einer<br />

Exponentialfunktion vieler Aspekte zu<br />

tun haben. Exponentiell ist das Wachstum<br />

der Daten <strong>und</strong> auch des Wissens.<br />

Exponentiell sind zugleich auch die verschiedenen<br />

politischen Entwicklungen,<br />

die daran gekoppelt sind. Wir erleben<br />

eine Transformation, die einzigartig<br />

ist in der Menschheits-geschichte: Zum<br />

ersten Mal wird eine Intelligenz entstehen,<br />

die in einigen Bereichen die<br />

menschliche Intelligenz übersteigen<br />

könnte. Was heißt das für Arbeit, für<br />

Interaktion, für die Mensch-Maschine-<br />

Kommunikation?“<br />

Der Wandel werde dabei von einer neuen<br />

Werteorientierung statt der bisherigen<br />

Volumenorientierung gekennzeichnet.<br />

Saori Dubourg betonte die f<strong>und</strong>amentalen<br />

Veränderungen durch Klimawandel<br />

<strong>und</strong> Digitalisierung <strong>und</strong> die Notwendigkeit<br />

des Hinterfragens von bestehenden<br />

<strong>Wirtschaft</strong>smodellen.<br />

Sie nannte den Value-to-Society-Ansatz<br />

der BASF, der sich der Frage widmet, wie<br />

betriebswirtschaftliche Ziele neu gedacht<br />

<strong>und</strong> soziale <strong>und</strong> ökologische Werte berücksichtigt<br />

werden. Abschließend wies<br />

sie auf die Bedeutung des Dialogs <strong>und</strong><br />

der Multi-Stakeholder-Zusammenarbeit<br />

hin.<br />

„Im Kern ist die Herausforderung der<br />

Digitalisierung, insbesondere für die<br />

<strong>Wirtschaft</strong>, die Frage, wie wir es schaffen,<br />

eine vernünftige Mensch-Maschine-Kollaboration<br />

zu entwickeln. John<br />

Maynard Keynes hat einmal gesagt: Die<br />

Schwierigkeit liegt nicht so sehr darin,<br />

neue Ideen zu entwickeln, sondern sich<br />

von alten Ideen zu befreien. Was heißt<br />

das jetzt angesichts der tektonischen<br />

Verschiebungen, die wir in diesen Zeiten<br />

erleben? Wir müssen hinterfragen,<br />

ob der Denkrahmen, an den wir uns<br />

gewöhnt haben, eigentlich noch der<br />

richtige ist. Reicht das, um damit unsere<br />

Zukunft zu gestalten?<br />

Ein neuer Denkrahmen muss die Leistung<br />

eines Unternehmens ganzheitlich<br />

erfassen: Welche Werte schaffen<br />

wir über den Profit hinaus? Welche<br />

Auswirkungen – welche Kosten <strong>und</strong><br />

welchen Nutzen – hat unser Handeln<br />

auf Mensch, Gesellschaft <strong>und</strong> Umwelt?<br />

Wir bei der BASF haben vor vier Jahren<br />

begonnen, darüber nachzudenken, wie<br />

eine Gewinn-<strong>und</strong>-Verlust-Rechnung oder<br />

Bilanz diese Aspekte aufgreifen kann.<br />

Das Ergebnis ist, dass BASF entlang der<br />

Wertschöpfungskette jährlich einen<br />

ökonomischen Wert von 60 Milliarden<br />

Euro sowie einen sozialen Wert von<br />

70 Milliarden Euro erwirtschaften kann.<br />

Demgegenüber stehen 30 Milliarden<br />

Euro Kosten für die Umwelt. BASF alleine<br />

erwirtschaftet also mehr sozialen Wert<br />

als Profit. Ein Job bei BASF generiert fünf<br />

Jobs in nachgelagerten Industrien.“<br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

109


AGENDA<br />

4<br />

Mensch<br />

vs.<br />

Maschine?<br />

Automatisierung,<br />

Digitalisierung,<br />

Künstliche Intelligenz:<br />

Mensch versus<br />

Maschine?<br />

Der technische Fortschritt krempelt die Arbeitswelt derzeit<br />

kräftig um. Schon heute arbeiten Roboter, Computer <strong>und</strong> Co.<br />

an vielen Stellen schneller, präziser, günstiger als<br />

Menschen. Nehmen sie uns die Arbeitsplätze weg?<br />

Wer Antworten auf diese Frage sucht, trifft auf zwei Lager:<br />

Die Pessimisten auf der einen Seite, die einen Generalangriff<br />

auf Jobs <strong>und</strong> Löhne befürchten, der Gering- <strong>und</strong> Hochqualifizierte<br />

gleichermaßen trifft. Auf der anderen Seite stehen<br />

die Optimisten. Sie argumentieren, dass sich die Angst vor<br />

technischem Fortschritt in der Geschichte stets als übertrieben<br />

erwiesen hat. Einig sind sich beide Lager allerdings darin,<br />

dass die Arbeitswelt derzeit enorme Verwerfungen durchlebt.<br />

400 Millionen Vollzeitstellen in Gefahr?<br />

Das McKinsey <strong>Global</strong> Institute (MGI) ist dem in einer großen<br />

Studie nachgegangen. Schon 2030 könnten demnach 15 Prozent<br />

der heute üblichen Tätigkeiten in verschiedenen Berufen<br />

durch Automatisierung ersetzt werden. Weltweit entspräche<br />

das 400 Millionen Vollzeitstellen. Entwicklungsländer seien<br />

dabei weniger stark betroffen als Industrieländer, wo das<br />

hohe Lohnniveau starke Anreize zur Automatisierung biete.<br />

In <strong>Deutschland</strong> stehen im MGI-Durchschnittsszenario knapp<br />

25 Prozent der Jobs auf der Kippe. Tritt das Szenario ein, müssten<br />

bis 2030 r<strong>und</strong> acht Prozent der Beschäftigten auf einen<br />

anderen Beruf umsatteln. Das wären drei Millionen Menschen.<br />

Eine Studie des Zentrums für Europäische <strong>Wirtschaft</strong>sforschung<br />

kam 2015 zu deutlich höheren Zahlen. Demnach arbeiten<br />

42 Prozent der Deutschen in Berufen mit einer hohen Automatisierungswahrscheinlichkeit.<br />

110 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


DIGITALISIERUNG<br />

Das MGI geht zwar davon aus, dass sich nur fünf Prozent aller<br />

Jobs komplett automatisieren lassen. Doch bei 60 Prozent aller<br />

Berufe könnten mindestens 30 Prozent der Tätigkeiten durch<br />

Roboter, Computer <strong>und</strong> lernende Systeme übernommen werden.<br />

Je weniger vorhersehbar <strong>und</strong> kreativer eine Tätigkeit ist,<br />

desto geringer schätzt das MGI ihr Potenzial zur technischen<br />

Automatisierung ein. Doch selbst hochqualifizierte Beschäftigte<br />

dürften deren Auswirkungen zu spüren bekommen, sogar<br />

Unternehmensvorstände. Ein Viertel ihrer täglichen Arbeit<br />

könne automatisiert werden, so die Denkfabrik, vor allem<br />

Analyse- <strong>und</strong> Planungsaufgaben.<br />

Jobbilanz mittelfristig positiv<br />

Geht uns also die Arbeit aus? Das MGI erwartet das nicht. In<br />

<strong>Deutschland</strong> entstünden genügend Jobs, um die Verluste zu<br />

kompensieren. Auch weltweit wäre die Bilanz unter bestimmten<br />

Voraussetzungen positiv. Behält das MGI mit seinem Durchschnittsszenario<br />

Recht, könnten bis 2030 global 390 bis 590<br />

Millionen neue Stellen entstehen – deutlich mehr als wegfallen.<br />

Treiber hinter diesem Jobwachstum sind laut MGI vor allem<br />

die Sektoren Pflege, Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Technologie, außerdem<br />

Investitionen in Infrastruktur <strong>und</strong> erneuerbare Energie. Vor<br />

allem schaffe die Automatisierung mehr Wohlstand, gerade<br />

in den Schwellenländern. Weltweit sollen so alleine über 300<br />

Millionen neue Arbeitsplätze entstehen – <strong>und</strong> neue Märkte,<br />

von denen auch <strong>Deutschland</strong> profitiere.<br />

Das MGI verweist zudem auf die Geschichte: Der Einsatz<br />

bahnbrechender neuer Technologien habe den Arbeitsmarkt<br />

immer erschüttert, jedoch auf lange Sicht viele neue Jobs<br />

geschaffen. Für das Jahr 2030 erwartet das Institut, dass acht<br />

bis neun Prozent der Arbeit in Berufen nachgefragt wird, die<br />

es zuvor nicht gab.<br />

Beschäftigte fühlen sich Digitalisierung gewachsen – noch<br />

Doch wenn Automatisierung <strong>und</strong> Digitalisierung selbst vor<br />

Vorstandsetagen nicht halt machen, müsste das normal qualifizierte<br />

Arbeitnehmer aufschrecken. In <strong>Deutschland</strong> ist das<br />

bislang nicht der Fall, wie die <strong>Wirtschaft</strong>sprüfungsgesellschaft<br />

Ernst & Young herausgef<strong>und</strong>en hat. Noch sagen 84 Prozent<br />

der Beschäftigten, dass sie sich den Veränderungen durch<br />

die Digitalisierung immer oder meistens gewachsen fühlen.<br />

Heißt aber auch: 16 Prozent fühlen das selten oder nie. Das<br />

liegt mit daran, dass die Einführung vieler digitaler Helfer das<br />

Arbeitsleben in der Praxis eher schwieriger als leichter gemacht<br />

hat, <strong>und</strong> zwar in allen Branchen: 28 Prozent meinen, dass sich<br />

ihre Arbeitsbelastung durch die Digitalisierung erhöht hat, nur<br />

13 Prozent berichten von einer geringeren Belastung. Zudem<br />

sind die Arbeitsprozesse oft eher komplizierter geworden, wie<br />

36 Prozent der Befragten angeben. Nur 26 Prozent erfreuen<br />

sich an einfacheren Prozessen.<br />

KI: nächste Automatisierungswelle rollt an<br />

Wenn neue Automatisierungstechnologien in immer mehr<br />

Unternehmen Einzug halten, dürfte der Anteil derer >><br />

Kahlschlag in der<br />

Kommunikationstechnik<br />

Der Digitalverband BITKOM schätzt,<br />

dass in der Kommunikationstechnik<br />

seit Mitte der 1990er-Jahre<br />

90 Prozent der Arbeitsplätze weggefallen<br />

sind – durch die Digitalisierung.<br />

Eine solche Entwicklung<br />

drohe nun Banken, Versicherungen,<br />

der Chemie- <strong>und</strong> Pharmabranche.<br />

Wie viele neue Jobs entstehen, weil<br />

Software entwickelt <strong>und</strong> Maschinen<br />

beaufsichtigt werden müssen,<br />

lässt sich nach Angaben des Verbands<br />

noch nicht beziffern.<br />

KI birgt große<br />

Effizienzpotenziale<br />

Ein Versprechen der KI sind spürbare<br />

Kostensenkungen für<br />

Unternehmen: So könnten mit KI<br />

optimierte Lieferketten die Lagerhaltungskosten<br />

um die Hälfte senken,<br />

durch exaktere Abverkaufsprognosen<br />

etwa. Nutzten Unternehmen<br />

KI für vorausschauende<br />

Wartungsarbeiten („predictive<br />

maintenance“), soll dies die Leistung<br />

einer Anlage um 20 Prozent<br />

steigern. In Geschäftsbereichen<br />

wie der IT könne KI 30 Prozent der<br />

Tätigkeiten übernehmen.<br />

Quelle: McKinsey & Company.<br />

Neue Allianzen<br />

formieren sich<br />

Im Zuge der Digitalisierung <strong>und</strong><br />

reifender KI öffnen sich inzwischen<br />

auch Großkonzerne für neue Partner.<br />

Etwa der Volkswagenkonzern,<br />

der Anfang vergangenen<br />

Jahres eine Kooperation für hochautomatisiertes<br />

Fahren mit dem<br />

Chip-Produzenten Nvidia bekannt<br />

gab. Ziel ist die Entwicklung eines<br />

mit KI ausgerüsteten Copiloten.<br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

111


AGENDA<br />

steigen, die sich damit überfordert fühlen oder darüber sorgen.<br />

Dazu beitragen dürften Fortschritte auf dem Gebiet der Künstlichen<br />

Intelligenz <strong>und</strong> die mit ihr vermutlich einhergehende<br />

nächste Automatisierungswelle, die weitere Jobs überflüssig<br />

machen <strong>und</strong> viele Stellenprofile verändern könnte.<br />

Weltweit könnten bis zu 375 Millionen<br />

Arbeitnehmer ihre Berufe wechseln<br />

Anzahl der Arbeitskräfte, die ihre derzeitigen Berufe<br />

wechseln, um eine andere Arbeit zu finden, 2016–30<br />

Befragt man die Deutschen als Privatpersonen, wie der Digitalverband<br />

BITKOM dies Ende 2017 tat, stehen sie der KI dennoch<br />

aufgeschlossen gegenüber. 81 Prozent glauben, dass dank KI in<br />

der Industrie körperlich belastende Tätigkeiten auf Maschinen<br />

übertragen werden können. Jeweils zwei Drittel sind der Meinung,<br />

dass sie in der Forschung die Innovationskraft steigert<br />

<strong>und</strong> mit darüber entscheidet, ob deutsche Unternehmen auch<br />

künftig weltweit erfolgreich sind.<br />

16–54<br />

Vereinigte Staaten<br />

11–27<br />

Japan<br />

17–64<br />

Industrienationen<br />

Volkswirtschaftlich sind die mit der KI verb<strong>und</strong>enen Hoffnungen<br />

ebenfalls riesig: Die Unternehmensberater von McKinsey<br />

& Company haben errechnet, dass das deutsche Bruttoinlandsprodukt<br />

mit KI im Jahr 2030 um 160 Milliarden Euro<br />

höher ausfallen könnte als ohne. Auch betriebswirtschaftlich<br />

verspreche sie Vorteile. Sie gebe Mitarbeitern die Möglichkeit,<br />

sich ständig wiederholende oder gefährliche Arbeiten an Computer<br />

<strong>und</strong> Roboter abzugeben <strong>und</strong> sich auf wertschöpfende<br />

Aufgaben zu konzentrieren.<br />

166 Millionen<br />

(bis zu 32 %)<br />

12–102<br />

59 Millionen<br />

(bis zu 46 %)<br />

195 Millionen<br />

(bis zu 33 %)<br />

10–72<br />

Viele Unternehmen lassen Beschäftigte allein<br />

3–12<br />

Auf dem Arbeitsmarkt werden die Auswirkungen dieser Automatisierungswellen<br />

deutlich spürbar sein. Immerhin jedem<br />

sechsten Beschäftigten in <strong>Deutschland</strong> macht das Angst. Sie<br />

bangen um ihren Job. Und sieben von zehn Beschäftigten gehen<br />

davon aus, dass sich der eigene Aufgabenbereich durch die<br />

Digitalisierung zukünftig wandeln wird. Jeder Dritte rechnet<br />

sogar mit erheblichen Änderungen, wie die <strong>Wirtschaft</strong>sprüfer<br />

von Ernst & Young herausgef<strong>und</strong>en haben.<br />

Der Anpassungsdruck auf die Beschäftigten ist hoch. Brechen<br />

ihre Jobs durch die weiter zunehmende Digitalisierung <strong>und</strong><br />

Automatisierung weg, wird es für sie immer wichtiger, sich<br />

fort- <strong>und</strong> weiterzubilden: um sich gegen den Austausch durch<br />

einen Roboter oder Algorithmus zu wappnen <strong>und</strong> um sich für<br />

die in vielen Berufen immer schneller ändernden Jobprofile<br />

fit zu halten.<br />

China<br />

757 Millionen<br />

(bis zu 13 %)<br />

75–375<br />

<strong>Deutschland</strong><br />

37 Millionen<br />

(bis zu 33 %)<br />

Entwicklungsländer<br />

767 Millionen<br />

(bis zu 9 %)<br />

Arbeitsplatzverlust<br />

durch<br />

Automatisierung<br />

Arbeitsplatzverlust<br />

aus<br />

anderem<br />

Gr<strong>und</strong><br />

„Vogel-Strauß-Haltung“<br />

Zu entsprechenden Fort- <strong>und</strong> Weiterbildungen haben allerdings<br />

längst nicht alle Zugang. Im öffentlichen Dienst in <strong>Deutschland</strong><br />

sind es immerhin schon zwei von drei Beschäftigten. Ausgerechnet<br />

die von Wettbewerb geprägte freie <strong>Wirtschaft</strong> hinkt<br />

nach: Dort erhalten lediglich 52 Prozent der Beschäftigten<br />

entsprechende Angebote, so Ernst & Young.<br />

Diese „Vogel-Strauß-Haltung“ der Unternehmen ist umso<br />

verw<strong>und</strong>erlicher, als viele von ihnen bereits Existenzängste<br />

durch Digitalisierung <strong>und</strong> Automatisierung plagen. Laut einer<br />

Studie der Beratungsgesellschaft Boston Consulting Group<br />

(BCG) sind bis zu acht Millionen Jobs durch die Digitalisierung<br />

<strong>Global</strong><br />

2.661 Millionen<br />

(bis zu 14 %)<br />

Quelle: IPUMS USA<br />

2017; US Bureau of<br />

Labor Statistics.<br />

112 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


DIGITALISIERUNG<br />

Die Auswirkungen der Automatisierung variieren je<br />

nach Einkommensniveau, Bevölkerungsstruktur <strong>und</strong><br />

Industriestruktur eines Landes.<br />

Prozentsatz der<br />

aktuellen Arbeitsaktivitäten,<br />

die<br />

durch Automatisierung<br />

ersetzt werden<br />

27<br />

26<br />

25<br />

24<br />

23<br />

22<br />

21<br />

20<br />

19<br />

18<br />

17<br />

Russland<br />

Südkorea<br />

Tschechische Rep.<br />

Polen<br />

Türkei<br />

Italien<br />

Kanada<br />

Griechenland<br />

Japan<br />

Österreich<br />

Spanien<br />

Niederlande<br />

<strong>Deutschland</strong><br />

Frankreich<br />

Schweiz<br />

Großbritannien<br />

Schweden<br />

Australien<br />

Vereinigte Staaten<br />

Norwegen<br />

gefährdet. Dass neue Wettbewerber aus<br />

der Internet- <strong>und</strong> IT-Branche ihren Markt<br />

aufmischen, berichten 57 Prozent in<br />

einer Befragung.<br />

Hoffnung auf neue Geschäfte<br />

Trotz dieser empf<strong>und</strong>enen Bedrohungen<br />

sehen 86 Prozent der Unternehmen in<br />

der Digitalisierung eher Chancen als<br />

Risiken. Doch gezielt in die Entwicklung<br />

digitaler Geschäftsmodelle investieren<br />

will <strong>2018</strong> nur jedes fünfte der von BIT-<br />

KOM befragten Unternehmen. Folgt man<br />

dem McKinsey <strong>Global</strong> Institute, ist das<br />

ein Fehler: Denn der Nutzen automatisierter<br />

Arbeitsabläufe – mehr Output,<br />

Qualität, Verlässlichkeit – übersteige<br />

die für ihre Einführung anfallenden<br />

Kosten typischerweise um den Faktor<br />

drei bis zehn.<br />

Steigender Anpassungsdruck auf<br />

Unternehmensorganisation<br />

Um ein zunehmend automatisiertes<br />

Unternehmen zum Erfolg zu führen,<br />

muss sich indes auch das Unternehmen<br />

selbst anpassen. Wie bei anderen technologischen<br />

„Revolutionen“ entfaltet<br />

sich deren möglicher Nutzen erst, wenn<br />

Prozesse <strong>und</strong> Abläufe auf die neuen<br />

Möglichkeiten eingestellt sind.<br />

16<br />

15<br />

14<br />

13<br />

12<br />

11<br />

10<br />

9<br />

Brasilien<br />

China<br />

Die oft hierarchischen Organisationsstrukturen<br />

in der (deutschen) Industrie<br />

sind dazu derzeit nur bedingt in der<br />

Lage, warnt unter anderem der Zukunftsrat<br />

der Bayerischen <strong>Wirtschaft</strong>. Um in<br />

einem künftig sich noch rasanter verändernden<br />

Marktumfeld mit häufigen<br />

Produktinnovationen mithalten zu können,<br />

müssten Hierarchien eingerissen<br />

<strong>und</strong> die verschiedenen Kompetenzen<br />

der Mitarbeiter besser vernetzt werden.<br />

Verfügbares Wissen, etwa im Hinblick<br />

auf Ideen für innovative Produkte <strong>und</strong><br />

Dienstleistungen, werde heute noch zu<br />

oft nicht geteilt.<br />

8<br />

7<br />

0<br />

Quelle: World Bank; Oxford Economics; McKinsey<br />

<strong>Global</strong> Institute analysis.<br />

10.000 BSP pro Kopf<br />

100.000<br />

MGI: Wohlfahrtsverluste sind<br />

vermeidbar<br />

Der Wandel, den die Arbeitswelt durchlebt,<br />

hat die Kraft einer Naturgewalt.<br />

Aber er bleibt gestaltbar, meint das<br />

McKinsey <strong>Global</strong> Institute. Gelinge<br />

es Politik <strong>und</strong> Unternehmen, >><br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

113


AGENDA<br />

Jobs der Zukunft: Einige Berufe werden wichtiger, andere unwichtiger <strong>und</strong> es<br />

werden sich neue entwickeln<br />

?<br />

Nicht<br />

kalkulierbare<br />

körperliche<br />

Arbeit<br />

K<strong>und</strong>enkontakt<br />

Kalkulierbare<br />

körperliche<br />

Arbeit<br />

Bürokräfte Fachkräfte Pflegepersonal<br />

Bauunternehmer<br />

Manager<br />

<strong>und</strong><br />

Führungskräfte<br />

Pädagogen Technik-Profis Kreative<br />

Industrieländer<br />

Entwicklungsländer<br />

Nachfrage nach neuen Kompetenzen<br />

Anwendung von Fachwissen<br />

Austausch mit Stakeholdern<br />

Personalführung<br />

Nicht kalkulierbare körperliche Arbeit<br />

Datenverarbeitung<br />

Datensammlung<br />

Kalkulierbare körperliche Arbeit<br />

–<br />

+<br />

Dringlichkeiten für politische Entscheidungsträger<br />

<strong>und</strong> Führungskräfte<br />

► <strong>Wirtschaft</strong>swachstum<br />

► Aktualisierung der Kompetenzen<br />

► unsicherer Arbeitsmarkt<br />

► Unterstützung während des Übergangs<br />

Quelle: U.S. Bureau of Labor Statistics; McKinsey <strong>Global</strong> Institute analysis.<br />

Menschen, die ihre Arbeit an Digitalisierung, KI <strong>und</strong> Automatisierung<br />

verloren haben, binnen eines Jahres wieder in<br />

Lohn <strong>und</strong> Brot zu bringen, seien keine Wohlfahrtsverluste<br />

zu erwarten. Dauere es dagegen Jahre, seien sinkende Einkommen<br />

<strong>und</strong> volkswirtschaftliche Probleme wahrscheinlich.<br />

Was ist zu tun? Das MGI sieht vier Schlüsselbereiche, die Länder<br />

wie <strong>Deutschland</strong> anpacken müssten. Sie sollten – erstens –<br />

ein robustes <strong>Wirtschaft</strong>swachstum erhalten, um neue Jobs zu<br />

schaffen. Zweitens das Angebot an Fort- <strong>und</strong> Weiterbildungen<br />

ausbauen, um Arbeitskräfte zu qualifizieren. Drittens für<br />

mehr Durchlässigkeit im Arbeitsmarkt sorgen. Und viertens<br />

über neue Einkommens- <strong>und</strong> Anpassungsunterstützungen<br />

nachdenken: etwa über einen gesetzlichen Mindestlohn, ein<br />

Gr<strong>und</strong>einkommen oder über an das <strong>Wirtschaft</strong>swachstum<br />

gekoppelte Lohnsteigerungen.<br />

Marshallplan für die digitale Arbeitswelt<br />

Wegducken könnten sich Politik <strong>und</strong> Unternehmen vor diesen<br />

Herausforderungen ebenso wenig wie die Arbeitnehmer. Versuche,<br />

die Dynamik von Automatisierung <strong>und</strong> Digitalisierung<br />

zu bremsen oder aufzuhalten, erachtet die Denkfabrik als<br />

Fehler. Allerdings sei auch die Anpassung an diese Dynamik<br />

nicht einfach zu stemmen: In vielen Ländern erfordere sie<br />

Initiativen in der Größenordnung des Marshallplans. Mit dem<br />

wurde bekanntlich das nach dem Zweiten Weltkrieg völlig verwüstete<br />

Europa wirtschaftlich wieder auf die Beine gebracht.<br />

Augmented Reality:<br />

Instandhaltung auf<br />

Knopfdruck<br />

Maschinen brauchen Wartung. Oft<br />

müssen dafür erst Spezialisten<br />

anrücken, Kosten entstehen,<br />

die Maschinen erwirtschaften<br />

kein Geld. Abhilfe verspricht die<br />

Augmented Reality. Mit ihrer Hilfe<br />

können auch geringer Qualifizierte<br />

die Wartung durchführen, ohne<br />

Fachkenntnisse – die werden<br />

ihnen über Tablets oder Datenbrillen<br />

im Wortsinne vor die Augen<br />

geführt.<br />

Die Erweiterung der realen Welt<br />

durch virtuelle Informationen<br />

eröffnet zahllose weitere Möglichkeiten<br />

in Forschung, Produktion<br />

oder Logistik, etwa für Effizienzsteigerungen<br />

bei der Kommissionierung<br />

im Lager.<br />

114 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


DIGITALISIERUNG<br />

<strong>Deutschland</strong> noch nicht in der algorithmischen Welt angekommen<br />

Nur ein geringer Teil der Menschen in<br />

<strong>Deutschland</strong> weiß, wo Algorithmen eingesetzt<br />

werden <strong>und</strong> wie wirkmächtig sie sind. Die<br />

meisten Deutschen sind noch unentschlossen<br />

über Chancen <strong>und</strong> Risiken von Algorithmen,<br />

doch sie spüren ein Unbehagen. Um die<br />

Menschen auf die algorithmische Gesellschaft<br />

vorzubereiten, braucht es eine breite öffentliche<br />

Debatte, mehr Kompetenzen bei den<br />

Bürgern <strong>und</strong> eine aktive staatliche Kontrolle.<br />

Partnersuche, Online-Shopping, Job-Bewerbung – Algorithmen<br />

sind längst in unserem Alltag angekommen. Doch nur zehn<br />

Prozent aller in <strong>Deutschland</strong> lebenden Menschen haben eine<br />

genaue Vorstellung davon, was Algorithmen sind <strong>und</strong> wie sie<br />

funktionieren. Allenfalls hinter Dating-Apps wie Tinder oder<br />

individuell zugeschnittener Werbung im Internet vermuten<br />

etwa 50 Prozent der Menschen in <strong>Deutschland</strong> algorithmischen<br />

Einfluss. Dass künstliche Intelligenz auch bei der Vorauswahl<br />

von Job-Bewerbern eingesetzt wird, weiß hingegen nur ein<br />

Drittel. Den meisten fehlt folglich eine Vorstellung davon,<br />

welche Bedeutung Algorithmen mittlerweile für ihr Leben<br />

haben. Zu diesen Ergebnissen kommt eine repräsentative<br />

Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag<br />

der Bertelsmann Stiftung.<br />

Die Unwissenheit über die Anwendungsfelder von Algorithmen<br />

führt allerdings nicht dazu, dass Menschen eine gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

negative Haltung zu Algorithmen haben. Deren praktischer<br />

Nutzen – etwa als präzises <strong>und</strong> zeitsparendes Hilfsmittel –<br />

wird von der Hälfte der Befragten erkannt. Besonders positiv<br />

werden Algorithmen von denjenigen gesehen, die allgemein<br />

eine optimistische Einstellung zu technischem Fortschritt haben.<br />

Auch Menschen, die eine ungefähre Vorstellung über die<br />

Funktionsweise von Algorithmen haben, sehen sie in einem<br />

besseren Licht. Männer erkennen eher die Chancen als Frauen.<br />

Das Alter <strong>und</strong> formale Bildungsniveau spielen hingegen keine<br />

Rolle. Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung, ordnet<br />

ein: „Algorithmen bestimmen zunehmend über unser Leben.<br />

In <strong>Deutschland</strong> fehlt es an gr<strong>und</strong>sätzlichem Wissen über den<br />

digitalen Wandel. Wir müssen dringend lernen, die Chancen<br />

<strong>und</strong> Risiken von Algorithmen richtig abzuwägen.“<br />

Viele ziehen menschliche Entscheidungen<br />

algorithmischen vor<br />

46 Prozent aller Befragten haben keine festgelegte Haltung<br />

zu Algorithmen. Eine gesellschaftliche Meinungsbildung ist<br />

noch nicht abgeschlossen. „Algorithmen <strong>und</strong> künstliche Intelligenz“,<br />

so Dräger, „sind bislang kaum Teil der öffentlichen<br />

Debatte. Sie können zu mehr Chancengerechtigkeit führen,<br />

allerdings auch zu mehr Diskriminierung. Wir müssen jetzt<br />

darüber diskutieren, wie wir Algorithmen in den Dienst der<br />

Gesellschaft stellen können.“<br />

In der Umfrage wird ein großes Unbehagen deutlich, gerade<br />

wenn Maschinen komplett losgelöst vom Menschen entscheiden.<br />

73 Prozent der Befragten unterstützen sogar ein Verbot<br />

von sogenannten vollautomatisierten Entscheidungen, die<br />

nur von Software <strong>und</strong> ohne direkte menschliche Beteiligung<br />

getroffen werden. Die meisten ziehen es also vor, wenn ein<br />

Mensch statt einer Maschine über sie entscheidet – obwohl sie<br />

wissen, dass dies häufig weniger objektiv ist. Die Ablehnung<br />

vollautomatisierter Entscheidungen bezieht sich bemerkenswerter<br />

Weise nicht nur auf besonders intime Lebensbereiche,<br />

wie etwa im Ges<strong>und</strong>heits- oder Gerichtswesen, sondern umfasst<br />

sogar einfache Themen wie die Rechtschreibprüfung in<br />

Textverarbeitungsprogrammen. „Wenn Vertrauen in Technik<br />

fehlt, verkennen viele die Chancen von Algorithmen“, so<br />

Dräger. Viele Menschen schreckten vielmehr vor dem Gefühl<br />

zurück, einer algorithmischen Entscheidung ausgeliefert zu<br />

sein – egal wie trivial sie sei.<br />

In der Umfrage wird deutlich, dass dieses Unbehagen auch<br />

bei denjenigen vorhält, die mehr über Algorithmen wissen.<br />

Zwar sieht diese Gruppe mehr Chancen in algorithmischer<br />

Entscheidungsfindung (42 Prozent) als die Gesamtbevölkerung<br />

(31 Prozent). Gleichzeitig haben diese Befragten aber auch für<br />

die Risiken ein geschärftes Bewusstsein (53 Prozent im Vergleich<br />

zu 47 Prozent aller Befragten). Viele Menschen befürchten<br />

etwa, dass Programmierer zu viel Macht über das Leben von<br />

Menschen erhalten <strong>und</strong> Algorithmen manipulierbar sind. Es<br />

besteht unabhängig vom Bildungsniveau oder Einkommen der<br />

Wunsch nach einer engmaschigeren Kontrolle. Unter dem Strich<br />

denken nur 13 Prozent der Menschen in <strong>Deutschland</strong>, dass<br />

Algorithmen gerechtere Entscheidungen treffen als Menschen.<br />

Kompetenzaufbau auf allen Ebenen nötig<br />

Für Dräger steht fest, dass auf allen Ebenen Kenntnisse im<br />

Umgang mit Algorithmen fehlen. „Jeder Bürger braucht<br />

Digitalkompetenz, denn wir alle sind regelmäßig <strong>und</strong> direkt<br />

von algorithmischer Entscheidungsfindung betroffen.“ Zudem<br />

würde eine verstärkte öffentliche Auseinandersetzung über<br />

die Chancen <strong>und</strong> Risiken von Algorithmen helfen, den Einsatz<br />

von Algorithmen besser im Sinne der Bürger zu gestalten. Er<br />

bemängelt, dass auf staatlicher Ebene die Digitalisierung nur<br />

langsam vorankommt <strong>und</strong> der Einsatz hilfreicher Algorithmen<br />

kaum stattfindet. „Der Staat sollte sich in den Fahrersitz<br />

setzen <strong>und</strong> Vorbild in der Anwendung <strong>und</strong> Förderung kluger,<br />

teilhabeförderlicher Algorithmen werden. Es ist auch eine<br />

staatliche Aufgabe, zu überprüfen, ob Algorithmen im Sinne<br />

der Menschen gestaltet werden, <strong>und</strong> die Bürger über deren<br />

Einsatz zu informieren.“ Ansonsten sei es langfristig schwierig,<br />

das nötige Vertrauen der Menschen in den unaufhaltsamen<br />

technologischen Fortschritt aufzubauen.<br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

115


Standpunkt<br />

Mit Künstlicher<br />

Intelligenz an<br />

die Weltspitze –<br />

die Beispiele<br />

China <strong>und</strong><br />

<strong>Deutschland</strong><br />

ÜBER DEN AUTOR<br />

Lars Jaeger hat Physik, Mathematik, Philosophie<br />

<strong>und</strong> Geschichte studiert <strong>und</strong> mehrere<br />

Jahre in der Quantenphysik sowie Chaostheorie<br />

geforscht. Er lebt in der Nähe von Zürich, wo<br />

er – als umtriebiger Querdenker – zwei eigene<br />

Unternehmen aufgebaut hat, die institutionelle<br />

Finanzanleger beraten, <strong>und</strong> zugleich regelmäßige<br />

Blogs zum Thema Wissenschaft <strong>und</strong> Zeitgeschehen unterhält.<br />

Überdies unterrichtet er unter anderem an der European<br />

Business School im Rheingau. Die Begeisterung für die Naturwissenschaften<br />

<strong>und</strong> die Philosophie hat ihn nie losgelassen. Sein<br />

Denken <strong>und</strong> Schreiben kreist immer wieder um die Einflüsse der<br />

Naturwissenschaften auf unser Denken <strong>und</strong> Leben. Im August<br />

<strong>2018</strong> ist sein neuestes Buch „Die zweite Quantenrevolution“ bei<br />

Springer erschienen.<br />

Der Begriff „Künstliche Intelligenz“ ist mehr als 60 Jahre alt (er<br />

wurde 1956 von John McCarthy auf einer Konferenz in Dartmouth<br />

geprägt). Aber erst in den letzten fünf bis zehn Jahren<br />

hat sich dieses Feld zu einer zukünftigen Schlüsseltechnologie<br />

mit immer mächtigerem Einfluss auf unser Leben entwickelt.<br />

Dabei geht es immer mehr auch um Aufgaben, die bisher der<br />

menschlichen Kognition vorbehalten waren: Muster erkennen,<br />

Ereignisse, deren Eintreffen durch Unsicherheit getrübt sind,<br />

vorhersagen <strong>und</strong> Entscheidungen unter komplexen Bedingungen<br />

treffen. KI-Algorithmen können zunehmend die Welt<br />

um uns herum wahrnehmen <strong>und</strong> interpretieren. KI-Forscher<br />

behaupten sogar, dass sie schon bald zu Emotionen, Mitgefühl<br />

<strong>und</strong> echter Kreativität fähig sein werden. Doch ungeachtet,<br />

ob sie eines Tages diese spezifisch menschlichen Fähigkeiten<br />

haben werden, erkennen können KI-Systeme diese bei uns<br />

Menschen schon heute. Das Lesen von Emotionen aus einem<br />

menschlichen Gesichtsausdruck ist für eine entsprechende<br />

KI unterdessen sogar einfacher als für Menschen. Und bei<br />

Schachturnieren, bei denen Computer nicht zugelassen sind,<br />

gelten besonders ungewöhnliche <strong>und</strong> kreative Züge als ein<br />

Indiz dafür, dass jemand schummelt <strong>und</strong> heimlich auf einen<br />

Computer zurückgreift.<br />

Was hat diese Technologie, die vor 15 Jahren noch als Spielwiese<br />

für Freaks galt, plötzlich so derart mächtig werden lassen?<br />

Es war die Entwicklung eines speziellen Ansatzes, der alles<br />

verändert hat. Dieser wird als „Deep Learning“ bezeichnet <strong>und</strong><br />

beschreibt eine vom menschlichen Gehirn inspirierte Architektur<br />

von künstlichen Neuronen <strong>und</strong> ihren Verbindungen<br />

untereinander. Wie der Name vermuten lässt, können diese<br />

Netzwerke sehr viele Neuronenschichten tief sein <strong>und</strong> noch<br />

weit mehr Parameter enthalten. Diese neuronalen Netze werden<br />

auf riesige Mengen markierter Daten „trainiert“. Danach<br />

nutzen sie das, was sie „gelernt“ haben, d.h. wie sie auf der<br />

116 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


Basis der Lerndaten ihre vielen verschiedenen<br />

Parameter eingestellt haben, um<br />

subtile Muster in anderen Datenbergen<br />

zu erkennen. So brauchte es neben dem<br />

neuen Struktur-Paradigma des Deep<br />

Learning noch etwas Zweites, um die<br />

KI zu erwecken: gewaltige Datenberge.<br />

Genau diese wurden mit der immer weiteren<br />

Verlagerung unsere Aktivitäten in<br />

die Online-Welt verfügbar: Die großen<br />

amerikanischen Internetfirmen Google,<br />

Facebook <strong>und</strong> Microsoft, aber zunehmend<br />

auch ihre chinesischen Pendants<br />

Baidu, Tencent <strong>und</strong> Alibaba sammeln,<br />

speichern <strong>und</strong> nutzen die vielen Daten<br />

über unser Verhalten, unsere Vorlieben<br />

<strong>und</strong> unsere Intentionen, die wir so<br />

bereitwillig zur Verfügung stellen. Mit<br />

der Kombination aus Rechenpower <strong>und</strong><br />

Datenbergen wurde die KI in kürzester<br />

Zeit immer besser darin, Sprachen <strong>und</strong><br />

Texte zu verstehen, Gesichter zu erkennen,<br />

Schach <strong>und</strong> Go zu spielen, MRI<br />

Bilder <strong>und</strong> Hautgewebe nach bösen Tumorzellen<br />

zu untersuchen oder auch die<br />

Wahrscheinlichkeit eines Kreditausfalls<br />

oder Kreditkartenbetrugs einzuschätzen.<br />

All dies bedeutet aber auch, dass sich der<br />

Schwerpunkt der KI-Entwicklung in den<br />

letzten zwei bis drei Jahren dramatisch<br />

verändert hat, von Projekten in Spitzenforschungslaboren<br />

in spezialisierten<br />

Instituten (inkl. jener bei Google, IBM<br />

oder Facebook) zu Anwendungen in<br />

der realen Welt mit realen Daten. Wie<br />

schnell die Entwicklung der KI-Forschung<br />

verläuft, zeigt die weitere Entwicklung<br />

der KI von AlphaGo. Nur 18 Monate<br />

nach AlphaGos spektakulärem Sieg über<br />

den besten menschlichen Spieler hatte<br />

Google bereits eine neue Version einer<br />

Go spielenden Künstlichen Intelligenz<br />

geschaffen. AlphaGo Zero brauchte<br />

nun gar nicht mehr mit alten Spielen<br />

gefüttert zu werden, um seine Spielstärke<br />

zu erreichen. Wie der bekannte<br />

Dr. B. aus Stefan Zweigs Schachnovelle<br />

ließen ihn seine Entwickler nur noch<br />

gegen sich selbst spielen <strong>und</strong> so lernen.<br />

Bereits nach drei Tagen <strong>und</strong> 4,9 Millionen<br />

Partien hatte AlphaGo Zero eine<br />

Fertigkeit im Go-Spiel erreicht, die ihn<br />

seinen noch auf realen Partien ausgebildeten<br />

Vorgänger <strong>und</strong> Bezwinger des<br />

Weltmeisters AlphaGo in 100 Spielen<br />

mit 100 zu Null besiegen ließ. Nicht<br />

weniger beeindruckend war AlphaGo<br />

Zeros Performance im Schachspiel. Er<br />

gewann in 100 Partien gegen den bis dahin<br />

weltbesten Schachcomputer, der mit<br />

Millionen von historischen Schachpartien<br />

<strong>und</strong> der jahrh<strong>und</strong>ertealten Erfahrung<br />

schachspielender Menschen gefüttert<br />

worden war <strong>und</strong> eine Rechenleistung<br />

von 70 Millionen Stellungen pro Sek<strong>und</strong>e<br />

besaß, 28 Mal <strong>und</strong> spielte 72 Partien Remis<br />

(verlor also kein einziges Mal). Das<br />

Erstaunliche dabei: Er hatte das Schachspielen<br />

nur vier St<strong>und</strong>en zuvor erlernt,<br />

indem er, ausgestattet ausschließlich<br />

mit den Regeln, vier St<strong>und</strong>en gegen sich<br />

selbst spielte <strong>und</strong> dabei seine neuronalen<br />

Verbindungen optimierte, ohne dass<br />

ihm jemals irgendwelche Eröffnungen<br />

oder Spielstrategien vorgesetzt worden<br />

waren. Dazu konnte er „nur“ 80.000<br />

Stellungen pro Sek<strong>und</strong>e bewerten. In<br />

nur vier St<strong>und</strong>en vom Anfänger zur<br />

unschlagbaren, besten Schachmaschine<br />

der Welt! Eine KI wie AlphaGo Zero ist<br />

so mächtig, weil sie „nicht mehr durch<br />

die Grenzen des menschlichen Wissens<br />

beschränkt“ sei, sagt einer der Erschaffer<br />

von AlphaGo <strong>und</strong> AlphaGo Zero, Demis<br />

Hassabis. Diesen Satz muss man sich mal<br />

auf der Zunge zergehen lassen.<br />

Diese Entwicklungen wiederum führen<br />

eine noch ganz andere Konsequenz nach<br />

sich: War bisher die USA mit ihren führenden<br />

KI-Forschungsinstituten <strong>und</strong> Software-Firmen<br />

unangefochtener Anführer<br />

der KI-Revolution, so ist in den letzten<br />

zwei Jahren China mit seinem immens<br />

großen Markt von über einer Milliarde<br />

Menschen, seinen immensen <strong>und</strong> vollständig<br />

ungeschützten Datenmengen,<br />

die Internetbenutzer dort hinterlassen,<br />

<strong>und</strong> seinen hartnäckigen <strong>und</strong> aggressiven<br />

Unternehmern sehr schnell zu einer<br />

KI-Supermacht herangewachsen, >><br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

117


Standpunkt<br />

wie es der Unternehmer <strong>und</strong> einflussreiche Investor Kai-Fu<br />

Lee in seinem neuen Buch „AI Superpowers. China, Silicon<br />

Valley, and the new World Order“ eindrucksvoll beschreibt.<br />

Hier erweist sich gerade eine Begebenheit, die uns in Europa<br />

die Haare zu Berge stehen lässt, als einer der größten Wettbewerbsvorteile:<br />

das komplette Fehlen jeglichen Datenschutzes.<br />

Wird schon in den USA dieses Thema sehr kleingeschrieben,<br />

so sehen die Chinesen zum Thema „persönlicher Datenschutz“<br />

nicht einmal den geringsten Diskussionsbedarf. Im Gegenteil:<br />

Der freie Zugang der chinesischen Internetfirmen zu den<br />

persönlichen Daten ihrer K<strong>und</strong>en wird als größter Vorteil<br />

von Baidu <strong>und</strong> Tencent im globalen Wettbewerb um die<br />

Führerschaft in Sachen KI gepriesen. Tatsächlich wurde KI<br />

von der kommunistischen Regierungspartei Chinas im Juli<br />

2017 als eines der wichtigsten Wachstumsgebiete erkannt<br />

<strong>und</strong> seitdem massiv gefördert. Insbesondere der überlegene<br />

Sieg von AlphaGo über den Weltmeister im Go, dem Nationalspiel<br />

Chinas, hat die politische Führung in China zum<br />

Thema KI aufgeweckt. Von KI-Experten wird dieser Moment<br />

bereits als Chinas „Sputnik-Schock“ bezeichnet. Der Staat<br />

begann, die chinesische <strong>Wirtschaft</strong> geradezu mit Geldern für<br />

KI-Entwicklungen zu überfluten. So stellte die Stadt Beijing<br />

unlängst 2,1 Milliarden US-Dollar zur Verfügung, um in den<br />

Außenbezirken der Stadt einen KI-Industriepark zu bauen,<br />

Shanghai <strong>und</strong> 17 andere chinesische Städte haben ähnliche<br />

Ambitionen, die Stadt Tianjin hat sogar angekündigt, einen<br />

16 Milliarden US-Dollar-Fonds aufzusetzen (100 Milliarden<br />

Yuan), um in lokale KI-Firmen <strong>und</strong> -Institutionen zu investieren.<br />

Dazu kommen umfangreiche Investitionsprogramme, um KI-<br />

Ingenieure <strong>und</strong> -Experten auszubilden, staatliche Zuschüsse<br />

für KI-Unternehmer <strong>und</strong> steuerliche Vorteile für die Firmen.<br />

Das zieht auch immer signifikantere private Investitionen nach<br />

sich: Das Gesamtvolumen chinesischer Investments (privat <strong>und</strong><br />

staatlich) in KI <strong>und</strong> Robotik beträgt bereits schätzungsweise<br />

300 Milliarden US-Dollar. Insbesondere in den letzten Monaten<br />

hat China mehr Investmentkapital in KI aufgebracht als die<br />

USA. Mit diesem neuen KI-Ökosystem, einer Mischung aus<br />

der Fülle staatlicher Gelder, dem Auf bau einer intelligenten<br />

Infrastruktur, massiven Investitionen in die KI-Forschung<br />

<strong>und</strong> den weltweit ambitioniertesten Unternehmern ist der<br />

Aufstieg Chinas zur KI-Supermacht kaum mehr aufzuhalten.<br />

Man vergleiche dies mit der Initiative der deutschen B<strong>und</strong>esregierung,<br />

wie sie kürzlich in ihrer Publikation „Strategie<br />

Künstliche Intelligenz“ festgehalten wurde <strong>und</strong> auf dem<br />

Digital-Gipfel zum Schwerpunkt KI am 4. Dezember verabschiedet<br />

wurde. Die Bedeutung von KI für unsere Zukunft<br />

haben die deutschen Politiker nun auch erkannt. Der Bericht<br />

erfasst klar, dass <strong>Deutschland</strong> <strong>und</strong> Europa beim Thema KI ins<br />

Hintertreffen geraten sind. Ob diese Einsicht, vergleichbar<br />

mit der der chinesischen Führung nach der menschlichen<br />

Niederlage im Go, mit der Performance der deutschen Fußballnationalmannschaft<br />

im Jahr <strong>2018</strong> zu tun hat, ist nicht<br />

bekannt. Doch das Ziel ist hochgesteckt: Die Kanzlerin will<br />

<strong>Deutschland</strong> in Sachen Künstliche Intelligenz zum „weltweiten<br />

Spitzenreiter“ machen. Und dafür ist sie bereit, Geld in die<br />

118 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


Hand zu nehmen: 500 Millionen Euro<br />

pro Jahr. Im Vergleich zu den chinesischen<br />

Geldern ist dies allerdings ein<br />

Taschengeld. Dabei hat <strong>Deutschland</strong> in<br />

Sachen KI einiges aufzuholen: Deutsche<br />

Forscher sind mit Tagungsbeiträgen bei<br />

großen internationalen Fachkonferenzen<br />

kaum zu sehen. Diese werden dominiert<br />

von den amerikanischen Firmen Google,<br />

Microsoft <strong>und</strong> Facebook sowie zunehmend<br />

auch von chinesischen Wissenschaftlern<br />

<strong>und</strong> Ingenieuren, auch wenn<br />

sich diese noch etwas zurückhalten (wollen<br />

sie doch vielleicht ihre Ergebnisse<br />

lieber noch für sich behalten). Und das<br />

lassen sich diese Firmen auch einiges<br />

kosten: Die Einstiegsgehälter für ausgebildete<br />

KI-Experten liegen zwischen<br />

300.000 <strong>und</strong> 500.000 US-Dollar!<br />

Um in maschinellem Lernen <strong>und</strong> KI<br />

schnell Fortschritte zu machen, braucht<br />

es drei Dinge: 1. eine enorme Rechenleistung;<br />

2. große Datenmengen <strong>und</strong><br />

3. Innovationen, also KI-Experten. Auf<br />

allen drei Ebenen hinken <strong>Deutschland</strong><br />

<strong>und</strong> Europa stark hinter den USA <strong>und</strong><br />

China her. Das wird sich mit drei Milliarden<br />

Euro in fünf Jahren kaum ändern.<br />

Mit einem Taschengeld vom Nachzügler<br />

zum „weltweiten Spitzenreiter“ zu werden,<br />

entspricht reinem Wunschdenken.<br />

Da braucht es schon einen f<strong>und</strong>amentaleren<br />

Wandel. Wo die Deutschen allerdings<br />

schon wesentlich weiter sind,<br />

ist beim Bewusstsein, dass es auch eine<br />

Diskussion um die verantwortungsvolle<br />

Gestaltung der KI-Technologie braucht.<br />

So entstand die neue KI-Strategie für<br />

<strong>Deutschland</strong>, wie in dem Strategiepapier<br />

betont wird, „in einem umfassenden<br />

demokratischen Prozess“. Man<br />

will „Rahmenbedingungen für die ethische<br />

Anwendung Künstlicher Intelligenz<br />

schaffen“ <strong>und</strong> „gesellschaftliche Dialoge<br />

zu den Chancen <strong>und</strong> Auswirkungen<br />

künstlicher Intelligenz fördern“. Das<br />

ist sehr löblich, finden sich doch Sätze<br />

wie diese kaum in den entsprechenden<br />

Willensbek<strong>und</strong>ungen chinesischer oder<br />

amerikanischer Herkunft. Doch sind dies<br />

mehr als hehre Worte? Man spricht von<br />

einer „menschenzentrierten Entwicklung<br />

<strong>und</strong> Nutzung von KI-Anwendungen“,<br />

vom Ziel eines „hohen Niveaus an IT-<br />

Sicherheit, damit Manipulation, Missbrauch<br />

<strong>und</strong> Risiken für die öffentliche<br />

Sicherheit dieser sensitiven Technologie<br />

bestmöglich verhindert werden“. Das<br />

klingt doch eher nach politischer Besänftigung<br />

<strong>und</strong> Einlullerei. Hier fehlt<br />

der Mut zur klaren Aussage. So mancher<br />

echter KI-Experte scheut vor solchen<br />

nicht zurück. Der KI-Pionier Stuart<br />

Russel zeichnet das drastische Bild von<br />

uns Menschen in einem Auto, welches<br />

auf eine Klippe zufährt <strong>und</strong> wir dabei<br />

hoffen, dass der Benzintank leer ist, bevor<br />

wir in den Abgr<strong>und</strong> stürzen. Wie Elon<br />

Musk behauptet auch Russel, dass KI für<br />

den Menschen so gefährlich werden kann<br />

wie Nuklearwaffen. Experten betteln<br />

teils förmlich um staatliche Rahmengesetze<br />

<strong>und</strong> Regulierungen. Dahinter<br />

steckt ihre ernste Sorge, dass politische<br />

Entscheidungsträger die technologischen<br />

Entwicklungen verschlafen, sie nicht<br />

ernst genug nehmen oder, wie in den<br />

allermeisten Fällen, sie überhaupt nicht<br />

verstehen.<br />

So verdeutlicht auch der neueste Bericht<br />

der B<strong>und</strong>esregierung auf geradezu exemplarische<br />

Weise ein altes Dilemma: Der<br />

wissenschaftlich-technologische Fortschritt<br />

besitzt unterdessen eine derart<br />

rasante <strong>und</strong> komplexe Entwicklungsdynamik,<br />

dass er sich dem Vorstellungs<strong>und</strong><br />

Gestaltungsraum der allermeisten<br />

politischen <strong>und</strong> gesellschaftlichen Entscheidungsträger<br />

entzieht. Und mit einem<br />

solchen Tröpfeln von Taschengeld<br />

auf eine zukünftige Schlüsseltechnologie<br />

werden <strong>Deutschland</strong> <strong>und</strong> Europa bald<br />

gar nicht mehr in der ersten Liga spielen.<br />

Dann kann man auch beim Ausspielen<br />

der Meisterschaft nicht mehr mitreden.<br />

Das wäre sehr bedauerlich, denn ein<br />

derartig wichtiges Spielfeld komplett<br />

den amerikanischen Kapitalisten oder<br />

chinesischen Kommunisten zu überlassen,<br />

könnte sich als fatal erweisen.<br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

119


AGENDA<br />

<strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Netzwerk <strong>Deutschland</strong><br />

Im Deutschen <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Netzwerk (DGCN) versammeln<br />

sich die deutschen Unterzeichner des UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong>: Derzeit<br />

sind dies r<strong>und</strong> 400 Unternehmen – von DAX-Konzernen<br />

über Mittelständler bis hin zu kleinen Spezialisten – <strong>und</strong><br />

knapp 60 Organisationen aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft<br />

<strong>und</strong> dem öffentlichen Sektor. Im Netzwerk können sie sich<br />

über alle Themen der unternehmerischen Verantwortung<br />

informieren, Ideen austauschen <strong>und</strong> gemeinsam an praxisorientierten<br />

Lösungen arbeiten.<br />

Das DGCN entstand auf Initiative deutscher Unternehmen<br />

im Jahr 2000 als eine der ersten nationalen Plattformen. Als<br />

offizielles lokales Netzwerk sind seine Aufgaben <strong>und</strong> Pflichten<br />

in einem Memorandum of Understanding mit dem UN <strong>Global</strong><br />

<strong>Compact</strong> definiert: Nur solange es diese erfüllt, darf es sich als<br />

Deutsches <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Netzwerk bezeichnen.<br />

Organisationsstruktur<br />

Die Organe des DGCN sind die Teilnehmerversammlung, der<br />

Lenkungskreis, die Geschäftsstelle („Focal Point“) <strong>und</strong> die Stiftung<br />

Deutsches <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Netzwerk. Der Lenkungskreis<br />

steuert die Aktivitäten des Netzwerks strategisch <strong>und</strong> orientiert<br />

sich dabei sowohl am Meinungsbild der Teilnehmer als auch<br />

an Impulsen aus dem New Yorker Büro. Die Geschäftsstelle<br />

kümmert sich um die Umsetzung der strategischen Ziele. Sie<br />

wird im Auftrag <strong>und</strong> in Abstimmung mit dem B<strong>und</strong>esministerium<br />

für wirtschaftliche Zusammenarbeit <strong>und</strong> Entwicklung<br />

(BMZ) <strong>und</strong> dem Auswärtigen Amt (AA) von der Deutschen<br />

Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH<br />

getragen.<br />

Die Arbeit des Netzwerks wird durch Zuschüsse der B<strong>und</strong>esregierung<br />

<strong>und</strong> mit einem wachsenden Anteil aus Mitteln<br />

der Stiftung DGCN finanziert. Die Stiftung wurde 2009 von<br />

DGCN-Unternehmen ins Leben gerufen, damit diese sich auch<br />

finanziell an den Aktivitäten des Netzwerks beteiligen können.<br />

Lenkungskreis<br />

Der Lenkungskreis bestimmt die strategische <strong>und</strong> inhaltliche<br />

Ausrichtung des DGCN. Er wird von den Teilnehmern gewählt,<br />

setzt sich aus Vertretern aus <strong>Wirtschaft</strong>, Politik <strong>und</strong> Zivilgesellschaft<br />

zusammen <strong>und</strong> arbeitet nach dem Konsensprinzip.<br />

Bei Entscheidungen orientiert er sich<br />

am Meinungsbild der Teilnehmer. In<br />

Abstimmung mit dem Stiftungsbeirat<br />

hat er zudem ein Mitspracherecht bei<br />

der Verwendung der Stiftungsgelder.<br />

Stiftung<br />

Unterstützung<br />

DGCN<br />

Geschäftsstelle<br />

(@ GIZ)<br />

Arbeitsprogramm<br />

Informationen<br />

Teilnehmerbetreuung<br />

Strategie<br />

DGCN Stiftung<br />

Mittelverwendung<br />

DGCN<br />

Lenkungskreis<br />

Spenden<br />

Gemäß den neuen Teilnahmebedingungen<br />

für Unternehmen des UN <strong>Global</strong><br />

<strong>Compact</strong> müssen Unternehmen mit einem<br />

Jahresumsatz von über 50 Millionen<br />

US Dollar einen finanziellen Beitrag an<br />

die Fo<strong>und</strong>ation for the <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong><br />

in New York leisten. Mehr Informationen<br />

dazu finden Sie hier: globalcompact.de<br />

Ansprechpartner<br />

Marcel Engel<br />

Leiter Geschäftsstelle<br />

Thorsten Pinkepank, BASF SE<br />

Vorsitzender des Lenkungskreises<br />

Wahl<br />

Deutsche Teilnehmer des UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong><br />

Angelika Pohlenz<br />

Stiftungsbeirat<br />

120 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong>


IMPRESSUM<br />

Verlag:<br />

macondo publishing GmbH<br />

Dahlweg 87<br />

48153 Münster<br />

Tel.: +49 (0) 251 – 200782-0<br />

Fax: +49 (0) 251 – 200782-22<br />

Mail: info@macondo.de<br />

URL: www.macondo.de<br />

USt-Id-Nr.: DE 292 662 536<br />

Chefredakteur:<br />

Dr. Elmer Lenzen<br />

Redaktion:<br />

Sonja Scheferling, Milena Knoop,<br />

Julia Arendt, Elena Köhn<br />

Bildredaktion:<br />

Marion Lenzen<br />

Gantzer, Kirsten Geß, Sven Grönwoldt,<br />

Prof. Dr.-Ing. Evi Hartmann, Janina Heel,<br />

Lars Jaeger, Katharina Kemler, Bettina<br />

Klump-Bickert, Melanie Kubin-Hardewig,<br />

Karl-Heinz Land, Dr. Elmer Lenzen, Markus<br />

Löning, Dr. Detlef Männig, Kemal Malik,<br />

Susanne Marell, Robert Mattheis, Alf Meyer,<br />

Jörg Meyer, Friedrich-Wilhelm Micus, Laura<br />

Much, Carsten Nagel, Frithjof Netzer,<br />

Dr. Christian Priemer, Prof. Raymond Saner,<br />

Serra Schlesinger, Bernhard Schwager,<br />

Dr. Birgit Spiesshofer M.C.J., Stephan Unger,<br />

Dirk Voeste, Jasmin Westphal, Jeffrey<br />

Whitford, Enno Wiesner, Christina Witter,<br />

Lichia Yiu<br />

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben<br />

nicht die Meinung des Herausgebers wieder.<br />

Mazars (S. 75 unten), Merck/Tobi Bohn<br />

(S. 76/77), Symrise (S. 78), TÜV Rheinland<br />

(S. 80/81), Weidmüller (S. 82/83),<br />

lassedesignen/stock.adobe.com<br />

(S. 84/85 sowie S. 4 unten), Gorodenkoff<br />

Productions OU/iStockphoto.com (S. 86),<br />

3dkombinat/stock.adobe.com (S. 91),<br />

Nathan Ishar/Pramudiya - PRAMUDIYA.<br />

com (S. 92), agnormark/stock.adobe.<br />

com (S. 95), Halfpoint/stock.adobe.com<br />

(S. 96/97), Deutsches <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong><br />

Netzwerk/Konstantin Börner (S. 100, 109),<br />

number1411/stock.adobe.com (S. 101), Falco<br />

Peters Photography (S. 102), Gorodenkoff<br />

Productions OU/stock.adobe.com<br />

(S. 104/105), scharfsinn86/stock.adobe.com<br />

(S. 110), Weissblick/Fotolia.com (S. 115),<br />

Gsell Photography (S. 116), metamorworks/<br />

stock.adobe.com (S. 118)<br />

Gestaltung:<br />

Gesa Weber<br />

Lektorat:<br />

Marion Lenzen, Milena Knoop,<br />

Bettina Althaus<br />

Klimaneutralität:<br />

Das vorliegende Druckerzeugnis ist<br />

durch anerkannte Klimaschutzprojekte<br />

klimaneutral gestellt worden.<br />

(Nature Office Gold Standard Portfolio -<br />

GS, VER)<br />

Papier:<br />

Magno Volume, FSC-zertifiziert<br />

Zitat:<br />

klimaneutral<br />

natureOffice.com | DE-220-352726<br />

gedruckt<br />

UN-Generalsekretär António Guterres,<br />

Rede auf dem G20-Gipfel in Buenos Aires<br />

(November <strong>2018</strong>)<br />

Autoren dieser Ausgabe<br />

(in alphabetischer Reihenfolge):<br />

Peter Attin, Kai Michael Beckmann, Philipp<br />

Bleckmann, Dr. Katie Böhme, Nadine Braun,<br />

Helen Carlström, Laura Curtze, Isabel Daum,<br />

Olaf Dubbert, Saori Dubourg, Susanne<br />

Dunschen, Dr. Marian Feist, Hannelore<br />

Titelbild:<br />

UN Photo/Martine Perret<br />

Bildnachweis:<br />

UN Photo/Mark Garten (S. 3), suc/<br />

iStockphoto.com (S. 4 oben, 6/7),<br />

MAGNIFIER/stock.adobe.com (S. 8), Marion<br />

Lenzen (S. 11, 28/29), zolnierek/Fotolia.<br />

com (S. 12), AA+W/stock.adobe.com (S. 17),<br />

A. Spörr/stock.abdobe.com (S. 21 oben),<br />

davit85/stock.adobe.com (S. 21 Mitte),<br />

Kzenon/stock.adobe.com (S. 21 unten),<br />

Martin Fennem/Unsplash/DGCN (S. 23 oben),<br />

PIXATERRA/stock.adobe.com (S. 24 oben),<br />

Sergey Ryzhov/Fotolia.com (S. 24 unten),<br />

Valerie Garner/stock.adobe.com (S. 26/27),<br />

ALDI SÜD/ALDI Nord (S. 33), BASF<br />

(S. 34/35), Bayer Vietnam/Bayer<br />

CropScience/Bayer HealthCare (S. 37),<br />

Bosch (S. 38/39), Boxon (S. 41), CEWE<br />

(S. 42/43), Daimler AG (S. 44/45), DAW<br />

(S. 46), Jana Kay/DAW/VCI (S. 47), Deutsche<br />

Telekom (S. 49), E.ON (S. 50/51), Evonik<br />

(S. 52/53), EY (S. 55), Grönwoldt & Partner<br />

(S. 57), Westend61/GettyImages/Hamburger<br />

HOCHBAHN (S. 58), Gilles Paire/stock.adobe.<br />

com (S. 61), Rolf Schulten/ista (S. 63 oben<br />

rechts), henning-photographie.de<br />

(S. 63 unten links <strong>und</strong> rechts), Löning<br />

(S. 65), Jens Görlich, CGI: MO CGI/Lufthansa<br />

(S. 66), Lyreco (S. 68/69), macondo<br />

publishing/Deutsche Telekom (S. 70/71),<br />

MAN (S. 72/73), iStockphoto.com (S. 74),<br />

Kzenon/Fotolia.com (S. 75 oben),<br />

Bezugspreis:<br />

€ 15,00 zzgl. Porto:<br />

[D] + € 1,00<br />

[CH] + € 3,50<br />

[EU] + € 2,00<br />

[Int.] + € 5,50<br />

Rechte:<br />

Alle Rechte vorbehalten.<br />

Nachdruck, Aufnahme in Online-Dienste<br />

<strong>und</strong> Internet sowie Vervielfältigung jeglicher<br />

Art nur nach vorheriger schriftlicher<br />

Zustimmung des Verlags.<br />

Für unverlangt eingeschickte Manuskripte,<br />

Fotos <strong>und</strong> Illustrationen übernehmen wir<br />

keine Gewähr.<br />

ISSN 1614-7685<br />

ISBN-13: 978-3-946284-06-2<br />

Printed in Germany © <strong>2018</strong><br />

Anschrift DGCN:<br />

Geschäftsstelle Deutsches <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong><br />

Netzwerk (DGCN)<br />

Deutsche Gesellschaft für Internationale<br />

Zusammenarbeit (GIZ) GmbH<br />

Reichpietschufer 20<br />

10785 Berlin<br />

Tel.: +49 (0) 30 72614-204<br />

Mail: globalcompact@giz.de<br />

URL: www.globalcompact.de


Die 10 Prinzipien<br />

des United Nations<br />

<strong>Global</strong> <strong>Compact</strong><br />

Im Mittelpunkt der <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong>-Initiative stehen zehn Prinzipien zu <strong>Menschenrechte</strong>n,<br />

Arbeitsnormen, Umweltschutz <strong>und</strong> Korruptionsbekämpfung. Der <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> ruft weltweit<br />

Unternehmen dazu auf, sich zu diesen Prinzipien öffentlich zu bekennen <strong>und</strong> aktiv für ihre<br />

Umsetzung einzusetzen.<br />

MENSCHENRECHTE<br />

Prinzip 1: Unterstützung<br />

<strong>und</strong> Respektierung<br />

der internationalen<br />

<strong>Menschenrechte</strong> im eigenen<br />

Einflussbereich<br />

Prinzip 2: Sicherstellung,<br />

dass sich das eigene<br />

Unternehmen nicht an<br />

Menschenrechtsverletzungen<br />

beteiligt<br />

UMWELT<br />

Prinzip 7: Unterstützung eines<br />

vorsorgenden Ansatzes im<br />

Umgang mit Umweltproblemen<br />

Prinzip 8: Ergreifung von<br />

Schritten zur Förderung einer<br />

größeren Verantwortung<br />

gegenüber der Umwelt<br />

Prinzip 9: Hinwirkung<br />

auf die Entwicklung <strong>und</strong><br />

Verbreitung umweltfre<strong>und</strong>licher<br />

Technologien<br />

ARBEITSNORMEN<br />

Prinzip 3: Wahrung der<br />

Vereinigungsfreiheit <strong>und</strong><br />

wirksame Anerkennung<br />

des Rechts zu<br />

Kollektivverhandlungen<br />

Prinzip 4: Abschaffung jeder<br />

Art von Zwangsarbeit<br />

KORRUPTIONSBEKÄMPFUNG<br />

Prinzip 10: Unternehmen sollen<br />

gegen alle Arten der Korruption<br />

eintreten, einschließlich<br />

Erpressung <strong>und</strong> Bestechung<br />

Prinzip 5: Abschaffung der<br />

Kinderarbeit<br />

Prinzip 6: Beseitigung von<br />

Diskriminierung bei Anstellung<br />

<strong>und</strong> Beschäftigung


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Dr. Horst Köhler,<br />

Deutscher B<strong>und</strong>espräsident<br />

German Federal President<br />

Dr. Angela Merkel,<br />

Deutsche B<strong>und</strong>eskanzlerin<br />

German Federal Chancellor<br />

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20.12.2006, 20:56<br />

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27.12.2007, 16:59<br />

UN Generalsekretär Ban Ki-moon<br />

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B<strong>und</strong>eskanzlerin Dr. Angela Merkel<br />

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MENSCHENRECHTE<br />

BISHERIGE AUSGABEN<br />

»<br />

Let us choose to unite the power<br />

of markets with the authority of<br />

universal ideals. Let us choose to<br />

reconcile the creative forces of private<br />

«<br />

entrepeneurship with the needs of the<br />

disadvantaged and the requirements<br />

of future generations.<br />

Kofi Annan, Secretary-General of the United Nations<br />

global<br />

compact<br />

25 | 30 US$<br />

global compact <strong>Deutschland</strong> | 2005<br />

<strong>Deutschland</strong><br />

global<br />

compact<br />

2005<br />

Today it is increasingly clear<br />

that UN objectives – peace,<br />

security, development go hand-inhand<br />

with prosperity and growing<br />

markets.<br />

If societies fail, so will markets.<br />

Kofi Annan, former Secretary-General of the United Nations<br />

global<br />

compact<br />

25,00 EUR<br />

global compact <strong>Deutschland</strong> | 2006<br />

global<br />

compact<br />

2006<br />

<strong>Deutschland</strong><br />

I call on business leaders to embrace<br />

the <strong>Compact</strong> as an organizing tool<br />

for your global operations. Ensure that<br />

your boards, subsidiaries and supply chain<br />

partners use the <strong>Compact</strong> as both a<br />

management guide and a moral compass.<br />

25,00 EUR<br />

Ban Ki-moon,<br />

Secretary General of the United Nations<br />

global compact <strong>Deutschland</strong> | 2007<br />

global<br />

<strong>Deutschland</strong><br />

compact<br />

2007<br />

Ich freue mich, dass die Mitglieder des <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> <strong>Deutschland</strong> in einem<br />

<strong>Jahrbuch</strong> über ihre Aktivitäten berichten. Ich wünsche mir, dass dieses Buch noch<br />

mehr Unternehmen anspornt, sich zu den Prinzipien des <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> zu bekennen<br />

<strong>und</strong> diese mit Engagement umzusetzen – im eigenen Betrieb ebenso wie über dessen<br />

Grenzen hinaus. Wir brauchen dieses Engagement der Unternehmen für mehr Ausgleich<br />

<strong>und</strong> Gerechtigkeit der internationalen Ordnung.<br />

I am pleased that the members of <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Germany are reporting on their<br />

activities in a yearbook. I hope that this book will encourage even more companies to<br />

adopt the <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Principles and carry them out with commitment – in their own<br />

operations and beyond their bo<strong>und</strong>aries. We need this involvement of<br />

companies for more balance and justice in the international order.<br />

global compact <strong>Deutschland</strong> | 2008<br />

<strong>Deutschland</strong><br />

global<br />

compact<br />

<strong>Deutschland</strong><br />

global<br />

compact<br />

Unternehmerische<br />

Verantwortung muss ein<br />

Eckpfeiler werden für ethische<br />

<strong>und</strong> stabile Märkte.<br />

global compact <strong>Deutschland</strong> 2010<br />

<strong>Deutschland</strong><br />

global<br />

compact<br />

Durch Vorbilder <strong>und</strong> Kooperationen<br />

in Initiativen <strong>und</strong> Netzwerken können<br />

wir das Bewusstsein für Nachhaltigkeit auch<br />

als wirtschaftlichen Erfolgsfaktor weiter<br />

schärfen. Hierbei nimmt der <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong><br />

eine wichtige Rolle ein. Allen Akteuren, die<br />

sich in diese weltweite Initiative einbringen,<br />

sage ich von Herzen Dank.<br />

global compact <strong>Deutschland</strong> 2011<br />

<strong>Deutschland</strong><br />

global<br />

compact<br />

Ich wünsche dem deutschen <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> <strong>Jahrbuch</strong> einen großen Leserkreis.<br />

Möge es zu weiteren Anstrengungen für kreative <strong>und</strong> erfolgreiche Partnerschaften<br />

animieren, die der <strong>Global</strong>isierung nicht nur ein fre<strong>und</strong>liches Gesicht verleihen, sondern vor<br />

allem deren vielfältige Chancen <strong>und</strong> positive Entwicklungen konkret erfahrbar machen.<br />

I wish the German <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Yearbook a large readership. May it<br />

animate further efforts towards creative and successful partnerships that not only give<br />

globalisation a friendly face but, above all, make it possible to experience<br />

concretely its many opportunities and positive developments.<br />

2008<br />

2009<br />

30,00 EUR<br />

30,00 EUR<br />

30,00 EUR<br />

2010<br />

2011<br />

globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2018</strong><br />

123


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Printed in Germany, Dezember <strong>2018</strong>

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